www.Crossover-agm.de ANTAEUS: Condemnation
von ta

ANTAEUS: Condemnation   (Norma Evangelium Diaboli)

Antaeus existieren seit 1994, wurden aber erst Anfang der 2000er wahrnehmbarer Teil der französischen Black-Metal-Folklore. Dazu beigetragen haben verschiedene Faktoren: Eine musikalische Kurskorrektur hin zu mehr Aggressivität. Eine lyrische Hinwendung zur ernsten theistischen Deibelei. Der Deal beim sagenumwobenen Spartenlabel Norma Evangelium Diaboli. Der an sich rumschneidende Sänger. Wer heute in der Black-Metal-Szene den Namen "Antaeus" in den Mund nimmt, tut das mit einem ehrfurchtgebietenden Flüsterton, der das "Krass, nech?" gleich mitmeint.
Die Musik, die diese Ehrfurcht gebietet, haben Antaeus aber nie gespielt. "Blood Libels", das bisher beste Werk in der Discographie der Band und der Vorgänger des neuen Albums, erschien 2006 und ist im Rückblick kein richtig schlechtes Album, aber auch kein richtig gutes. Und das alles aus denselben Gründen, aus denen auch "Condemnation" anno 2016 kein richtig schlechtes, aber auch kein richtig gutes Album ist.
Musikalisch führt "Condemnation" seinen Vorgänger derart passgenau fort, dass zwischen beiden Alben auch nur ein statt zehn Jahre liegen könnte. Es wird 41 Minuten lang geprügelt bis zum Anschlag und erst im abschließenden "Abeyance" mal einen Gang runtergeschaltet. Die Produktion ist diesmal nicht ganz so anstrengend und die Gitarren kommen besser zur Geltung. Das mildert den Grindcore-Touch etwas, auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, Antaeus versteht man am besten, wenn man sie vom Grindcore her deutet, nicht vom Black Metal her.
Was mich an Antaeus stört, ist ihre Stumpfheit. Es ist natürlich legitim, die reine Entfesselung in Töne, Akkorde, Anschläge gießen zu wollen. Aber man muss diese Entfesselung auch inszenieren können. Und darin sind andere, ähnlich gelagerte Bands wie Marduk dieser hier ein ganzes Stück voraus. (Und ich mag Marduk auch nicht übermäßig.) "Condemnation" klingt wütend und spontan, wird aber auch schnell langweilig. Man hätte aus allen eingesetzten Mitteln mehr rausholen können.
Der Gesang fällt anstrengend eindimensional aus. MkM hat einen bestimmten Grundrhythmus, den er immer und immer und immer wieder in variierter oder auch unvariierter Form einsetzt. (Für Musiktheoretiker: In einer Sequenz aus vier aufeinanderfolgenden Takten kommt je eine Silbe auf die dritte und vierte Viertel in Takt 2 und die erste Viertel in Takt 3.) Das fällt umso mehr auf, wenn man neben den Antaeus-Releases auch die Alben von Aosoth kennt, bei denen er ja ebenfalls singt und diesen Rhythmus ständig nutzt. Das schleppende Gesangstempo (wie gesagt: drei Silben auf vier Takte) nimmt außerdem sehr viel Gas raus. Kein Vergleich mit einem echten Könner wie Mortuus von - na klar - Marduk bzw. Funeral Mist, der viel versierter darin ist, sich dem Flow eines Stücks anzupassen.
Bei den Drums, die Menthor von den ungleich intelligenteren Nightbringer beisteuert, setzt sich dieses Bild fort. Sie sind sehr undynamisch, kaum mal tauchen Betonungen auf den Becken, Leithandwechsel oder Breaks auf. Dadurch geht ihnen die Furiosität, die die hohe Schlagzahl verspricht, ein Stück weit flöten. Man nimmt sie irgendwann nur noch als Teppich wahr. Hier wäre es ratsamer gewesen, dem zweifellos begabten Kesselrührer etwas mehr Gestaltungsraum zu geben - die Schlagzeugspuren wurden von Gitarrist Set komponiert.
Stichwort Gitarren. Set hat ein paar interessante Ideen. "Watchers" z.B. bietet den Schachzug, ein kurzes dreitöniges Riff, das eher den Charakter einer Einleitung hat, auf ein komplettes Stück auszudehnen. "Symmetry Of Strangers" geht mit seinen schnellen Akkordwechseln in Richtung Marduk und schafft es tatsächlich, an deren Intensität anzuknüpfen. Aber über weite Strecken regiert auch hier die punkige Einfachheit. Nah beieinanderliegende Akkorde, behäbige Wechsel, wenig Arbeit mit den hohen Saiten, keine Arbeit mit Leads.
Jetzt hör ich schon die Kritiker der Kritik rufen: "Leads? Wer zur Hölle braucht bei Antaeus denn Leads?!?" Aber diese Kritik soll nicht die Kritik eines Theoretikers sein. Es geht um ein Bauchgefühl, das sich nicht einstellt. Die inszenatorischen Mängel führen bei mir dazu, dass ich mich nicht wirklich in "Condemnation" einfühlen kann. Das Album will all das sein: furios, intensiv, brutal, hysterisch. Und es ist all das auch, aber eben begrenzt. Die überschaubare Wahl der Mittel steht einer noch besseren Realisierung des Ziels im Weg. Was bleibt, ist ein solides Prügelalbum für zwischendurch, wie schon "Blood Libels" es zehn Jahre zuvor war. Man legt es ab und an mal auf, weil es auf der Oberfläche reine Zerstörung verspricht. Aber um wirklich seine Bude zu zerlegen, greift man dann doch auf Anderes zurück.
Kontakt: https://www.facebook.com/pages/Antaeus/142351639134528, http://www.noevdia.com/

Tracklist:
1. Something Wicked This Way Comes (Intro)
2. Shadow Fires
3. Flesh Ritual
4. Angels Of Despair
5. Watchers
6. Condemnation
7. Symmetry Of Strangers
8. End Of Days
9. Abeyance



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