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AFFLICTION: Execution Is Necessary
von rls

AFFLICTION: Execution Is Necessary   (Poem Productions)

Metal aus "metallischen Entwicklungsländern" weist ja bisweilen einige Probleme in puncto Sound auf, da in diesen Ländern logischerweise weniger Know-how und oftmals auch nur bescheidene Technik zur Verfügung steht. Affliction nun kommen aus einem "metallischen Schwellenland", nämlich aus der Türkei, allerdings hatten sie das Glück, die Drumaufnahmen für "Execution Is Necessary" an der Ege-Universität, dem Konservatorium für türkische Musik, tätigen zu können, und dort herrschten offensichtlich professionelle Bedingungen: Gerade der Drumsound, oftmals ja das größte produktionstechnische Problem, läßt in der vorliegenden knappen Stunde Musik wenig zu wünschen übrig, nur im Mix hätte man generell noch für ein wenig mehr Klarheit sorgen dürfen, vor allem im Gitarrenbereich, der mitunter dazu neigt, eher wandartig herüberzukommen und manche Feinheiten zu verschlucken. Da liegt auch recht viel Verzerrung drauf, die zusätzlich zur Verunklärung beiträgt und manchen Songs daher ein wenig von ihrer Individualität nimmt. Da der Gesang das, wie im Genre des melodischen Death Metals üblich, nicht kompensieren kann, bliebe die einzige Chance, "Execution Is Necessary" aus dem Mittelmaß in die Spitzengruppe dieses Genres zu katapultieren, eine Fülle von kompositorischen Geniestreichen. Aber auch die bleibt leider aus, wenngleich das Quartett durchaus ein Händchen für geschickt eingebaute Einfälle aufweist, wie man bereits am zweiten Song "The End" bemerkt. Allerdings ist daran wohl am ehesten eine kleine Variation im Gesang "schuld": Emrah Demirel, sonst der mäßig energisch kreischenden Fraktion zugehörig, hält sich hier im Refrain nämlich etwas zurück, singt etwas melodischer und fast im Flüsterton - und schon kommt ein kleines Highlight heraus, ohne daß man nun von Verweichlichung sprechen müßte. "WWW" demonstriert nämlich, daß dieses Stilmittel in etwas anderer Ausführung ebenfalls zum Erfolg in Gestalt eines herausstechenden Songs führen kann: Hier ertönt im Refrain eine klassisch-rauhe Metalröhre im Stile des späteren Peavey Wagner, und da keine Gastmusiker vermerkt sind, muß auch diese Emrah Demirel gehören. Das Ergebnis erinnert dann ein wenig an die Fast-Namenskollegen Afflicted zu Zeiten ihres "Dawn Of Glory"-Albums, wenngleich diese sich dort auch auf instrumentellem Gebiet deutlich in Richtung Classic Metal bewegt hatten, was Affliction bei aller offensichtlicher Liebe zu diesem Genre (wie mancher Leadgitarrenlauf nicht verhehlen kann - und eine Zeile wie "I thought I was an armored saint" in "The Cause" ist auch mehr als verdächtig) nicht tun. Aber solche Momente, die Afflictions Fähigkeit zu einer gewissen Originalität in ihrem selbstgewählten Genre unter Beweis stellen, bleiben selten. "The Cause" könnte man da auch noch anführen: speedige Stakkatostrophe, breiter Midtemporefrain mit Schepperbecken und dann nochmal ein temporeduziertes episches Hauptsolo - eine feine Kombination, die funktioniert und Hörspaß macht. Auf Keyboards verzichtet das Quartett weitestgehend, nur hier und da wurde ein wenig Synthiegeflacker in den Hintergrund gelegt. In diesen Momenten denkt man dann an bestimmte Phasen von In Flames oder fast das ganze Schaffen von Soilwork, nur im Refrain von "Raven" gelingt ein etwas eigenständigeres Konglomerat, flankiert von merkfähigen Melodien der Gitarrenfraktion, wobei die Synthies interessanterweise nicht in jeder Wiederkehr des Refrains eingebastelt werden. Vom Metalcore halten sich die vier Türken zwar aus Prinzip fern, aber einige seiner Stilmittel adaptieren sie dann doch. Manche Temporunterschaltung würde in anderem Kontext durchaus zu Recht als Breakdown bezeichnet werden (man höre als Exempel nur mal die in "New World" kurz vor Minute zweieinhalb, auch wenn dieser Part dann in einen klassischen zweistimmigen Melodyleadpart mündet), bisweilen lassen Emrah und sein Gitarrenpartner Kerem Inci ihre Instrumente auch mal aufheulen und quietschen, und dann wäre da noch Fikri Yargicis Drumming zu nennen, das sich wie bereits erwähnt nicht selten der Becken bedient und fröhlich vor sich hinscheppert. Hört man genau hin, entdeckt man auch skurrile Beckeneinsätze, etwa die triolierten Einzelschläge in den schnellen Strophen von "WWW", die allerdings den originellen Charakter dieses Songs, der neben "Raven" wohl das Highlight des Albums darstellt, nur noch unterstreichen. Mit diesem Song geraten Affliction fast in progressive Gefilde, und Evergreys "Monday Morning Apocalypse" wäre von ihm, geringfügig anders vokalisiert, durchaus noch aufgewertet worden. Aber schon "Dark Side Of Creation" fällt in die unauffällige, wenngleich durchaus solide Bauart zurück, welche große Teile der knappen Stunde des Albums prägt. Man weiß also nicht so richtig, ob man den Erwerb nun empfehlen soll oder nicht - die Platte unterschreitet keinesfalls ein gewisses Niveau, und wenn man nicht schon 250 andere Melodic Death-CDs in der Sammlung stehen hat, könnte man sie vielleicht sogar für sich persönlich als Highlight ansprechen, aber in der Gesamtbetrachtung hätten es doch noch mehr Sternstunden wie "WWW" oder "Raven" sein dürfen. Möglicherweise zünden gute Teile des Materials auch erst nach livehaftiger Einfuhr richtig - daß auf Affliction-Gigs richtig was los ist, kann man sich gut vorstellen, aber es wird auch nur bei der Vorstellung bleiben, es sei denn, man hat zufällig mal die Gelegenheit, das Quartett live zu erleben, während man gerade urlaubsbedingt in seinem Heimatland weilt. Die Homebase der Truppe steht in Karsiyaka-Izmir, also an der türkischen Westküste, wo man dann vermutlich die besten Chancen auf ein Liveerlebnis hat. Konserventechnisches Antesten ist natürlich gleichfalls möglich, wobei man mehrmals reinhören sollte, denn das Material besitzt durchaus "Wachstumspotential" - auch der Rezensent konnte beim ersten Mal noch wenig mit "Execution Is Necessary" anfangen, bevor sich dann schrittweise doch die im Text genannten Highlights zu entfalten begannen, und vielleicht finden sich bei weiteren Hördurchläufen ja auch noch mehr davon.
Kontakt: www.afflictionsite.com, www.poemproductions.com

Tracklist:
Retribution
The End
Palaces Of Hell
The Question
Hollow
The Cause
New World
WWW
Dark Side Of Creation
Raven
Promised Land
Chaos Of Two Thousands
Sweet Darkness



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