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Jürgen Stark: Überlebens-Kunst. Tips und Tricks für Musiker
von rls anno 1999

Jürgen Stark: Überlebens-Kunst. Tips und Tricks für Musiker

"Hier sollte Musik auf der kreativ-kommerziellen Entstehungsebene beleuchtet werden, in ihrem Umfeld, auch dem der Gedanken und Visionen, der Perspektiven und dem Zusammenhang mit den Faktoren Engagenent und Entertainment." "Aber genau darum ging es mir auch bei diesen Diskursen und Exkursen im Zusammenhang mit beruflicher Überlebens-Kunst: heilige Unruhe stiften, zur Kontroverse auffordern, Diskussionsstoff liefern, konträre Meinungen zulassen und auch zu Wort kommen lassen, die Ideen hinter der Musik und ihre Relevanz beleuchten. Der etwas andere Ratgeber ist es daher geworden, ein Ratgeber-Lesebuch, welches mir für einen freien Beruf mit nicht völlig klar definierbarem Arbeitsfeld angemessen erscheint." Es ist ja keineswegs die Regel, daß Selbsteinschätzungen in Vor- oder Nachworten auch der Realität entsprechen - hier trifft's indes zu. Größtenteils jedenfalls. Der Hamburger Musikjournalist Jürgen Stark zerrte an Stellen, wo er kein oder nur unzureichendes eigenes Wissen an seine musizierende Leserschaft weitergeben kann, einen ganzen Haufen kompetenter Persönlichkeiten vor die Tastatur respektive das Interviewmikro, und diese geben durchweg wertvolle Statements ab und beschönigen auch nichts, was es schwarz zu malen gilt. Vom Traum, mit ihrer Musik ins Radio oder Fernsehen zu kommen, etwa dürften sich fast alle Nachwuchsmusiker nach der Lektüre des Interviews mit VIVA-Geschäftsführer Dieter Gorny sowie des Beitrages von Hans Scherer, Programmdirektor bei (Privat-)Radio Schleswig-Holstein, verabschieden müssen. Ansonsten erfährt der lesende Musiker viel über Coaching, PR- und Promoarbeit, Urheberrecht, den Wert eines Anwaltes, Steuern und Versicherungen, Booking und den Alltag eines A&R-Managers bei einer Plattenfirma. Unglücklicherweise werden einige der Themen nur angerissen, so daß sich der spezieller Interessierte wohl oder übel auf weiterführende Literatur stürzen muß, die - noch ein Unglück - indes nicht gerade in rauhen Mengen auf dem Markt ist (hier wäre auch ein Literaturverzeichnis ganz nützlich gewesen). Da der Verfasser o.g. Konzept eines "Ratgeber-Lesebuchs" ziemlich konsequent verwirklicht hat, genügt auch die didaktische Verarbeitung des Stoffes nicht gerade den Ansprüchen, die man an ein modernes Lehrwerk (welches das Buch aber auch nicht sein will!) heute stellt - Infos zu bestimmten Themen muß man an verschiedenen Stellen im Buch zusammenpuzzeln, und was ein Beitrag über Styling im Kapitel "Melodie und Rhythmus" zu suchen hat, ist mir völlig schleierhaft. Die Idee der Adressensammlung am Ende des Buches (mit Arbeitsgemeinschaften, Kulturinstitutionen, Künstlerdiensten, Musikhochschulen, Plattenlabels und Workshop-Veranstaltern) ist zwar prinzipiell gut, aber bei den Plattenfirmen hätte wenigstens noch ein Hinweis dazugehört, auf welche Sorte von Musik sie sich spezialisiert haben - bringt ja nun nix, wenn ein Gospelchor seine Demos bei den Hartmetallern von Nuclear Blast oder eine Truppe von Kirchenabfackel-Sympathisanten das ihrige bei Pila einreicht; außerdem hätte zumindest noch Century Media in die Liste gehört.
Aber genug gemotzt, prinzipiell gehört "Überlebenskunst" (auch mangels mir bekannter Konkurrenz) in jeden Bandproberaum, und wenn man um die Schwächen des Buches weiß, kann man auch ganz ordentlich mit ihm arbeiten, obwohl dem einen das gebotene Infolevel zu hoch, dem anderen wiederum zu niedrig liegen dürfte. Unterhaltsam zu lesen sind die 256 Seiten allemal, und wer Kerstins "Werben oder erben"-Serie nicht komplett oder als Buch zu Hause hat, findet hier weitenteils die gleichen nützlichen Informationen. Für besondere Erheiterung sorgt schließlich das Berufeorakeln mit Ex-Trio-Trommler Peter Behrens: "Schlagzeuger werden meistens mit Ohrfeigen groß ... Bassisten sind meistens fett und groß. Im Sportunterricht hängen sie wie nasse Säcke am Klettertau. Gitarristen haben meist homosexuelle Neigungen. Keyboarder sind schon vom Elternhaus her verwöhnt und gehätschelt. Sie sind leicht feminin. Jeder Lehrer mag sie, weil sie immer so schlau nicken." Was Sie bisher schon immer wissen wollten, aber nie zu fragen wagten - und jetzt, nachdem Sie's wissen, eigentlich nicht nur nicht mehr wissen wollen, sondern nie gewußt haben wollten und auch niemals haben wissen wollen ...

Jürgen Stark: Überlebens-Kunst. Tips & Tricks für Musiker. 2. Auflage. Düsseldorf: Zebulon Verlag 1997. 256 Seiten. ISBN 3-928679-53-8. DM 24,90
 






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