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Götz Hintze: Rocklexikon der DDR
von rls anno 2001

Götz Hintze: Rocklexikon der DDR

Hach, da kommen Erinnerungen hoch. Wer kann noch was mit Namen wie Jürgen Karney oder Arnulf Wenning anfangen? Wem sagt Uschi Brüning noch etwas? Oder das Peter Rosenau Septett? Oder Thomas Natschinski? Oder Krakatoa? Allen, denen diese und Hunderte andere Namen wie böhmische Dörfer vorkommen (also sowohl gelernten Altbundesbürgern als auch der jüngeren Generation aus dem Osten), kann geholfen werden, nämlich mit Götz Hintzes "Rocklexikon der DDR". Doch Vorsicht: Erstens ist der Autor Diplom-Dokumentar (mit entsprechendem staubtrockenem Schreibstil), und zweitens macht der Titel "Rocklexikon" eigentlich schon deutlich, daß als strukturelles Vorbild das Rocklexikon der Herren Barry Graves und Siegfried Schmidt-Joos gedient haben dürfte. Zum Nacheinanderdurchschmökern ist das Buch also weniger geeignet (möchte zu gerne wissen, was Matthias Herr aus dem Stoff gemacht hätte), aber dazu ist es wohl auch nicht gedacht. Und den Zweck, Nachschlagewerk über die DDR-Pop- und Rockszene zu sein, erfüllt es ganz vorzüglich. Die indirekte Kontrolle der Szene über Fernsehen, Rundfunk, Amiga und die Einstufungsbehörden läßt eine Überschaubarkeit des Sujets zu, wie man sie anderweitig wohl kaum findet. Trotzdem gibt's einige Lücken zu beklagen (so fehlen beispielsweise Manos bzw. ihr Vorläufer Löwenherz, auch Argus sucht man vergeblich), und die recht unkontrollierte Undergroundszene ist ebenso schwach vertreten wie das kirchliche Subsegment (man erinnere sich, daß beispielsweise Gideon und Jesus Crew im Jahre 1987 gegründet wurden und die Neukirchen-Festivals auch bereits in den 80ern starteten). Dafür glänzt der Autor aber in den vorhandenen Beiträgen von AG. Geige bis Zwitschermaschine mit reichlich Faktenwissen, nennt in den Diskographien bedarfsweise die LPs bzw. auch einzelne Titel (die beispielsweise für den Rundfunk produziert wurden), liefert einleitend eine kurze Historie der Rockmusik in der DDR und führt auch die Top 50 der DDR-Hitparaden von 1975 bis 1990 auf. Eine Übersicht der Amiga-Sampler (z.B. der "Kleeblatt"-Reihe) fehlt leider, dafür gibt's einige weitere Hintergrundinformationen zu Stichworten wie "Goldener Rathausmann", "Festival des politischen Liedes" (darüber stand seinerzeit jeden Tag was in der "Jungen Welt" - Klein-Roland hatte nichts Besseres zu tun, als das auszuschneiden und zu sammeln; leider ist die Sammlung verlorengegangen), "Bong" oder "Staatliches Komitee für Fernsehen beim Ministerrat der DDR". Unterm Strich also ein unverzichtbares Panoptikum für jeden, der sich aus irgendwelchen Gründen für die Rock-, Pop-, Metal-, Schlager- und Countryszene der DDR interessiert, sei es nun, weil er selbst in ihr aktiv war, mit ihr aufwuchs oder sie einfach kennenlernen möchte. Und nun wieder: Wem sagen Prolog noch was? Oder Darkland (später Postmortem)? Oder das Diana-Show-Quintett (mit Achim Mentzel als wildem Sixtiesrocker an der Spitze)? Oder Katrin Lipske? Oder Pond (meine Güte, was war "Auf der Seidenstraße" klasse)? Oder Traveling Blues (mit einem gewissen Dieter Gasde an den Tasten)? Oder Vulcan? Oder ...? Oder ...? Oder ...?

Götz Hintze: Rocklexikon der DDR. Das Lexikon der Bands, Interpreten, Sänger, Texter und Begriffe der DDR-Rockgeschichte. 2. Auflage. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2000. ISBN 3-89602-303-9. 352 Seiten. DM 29,80
 






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