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Ken Hensley: Blood On The Highway / When Too Many Dreams Come True
von gl anno 2008

Ken Hensley: Blood On The Highway / When Too Many Dreams Come True

Diese Buchbesprechung geht nicht leicht von der Hand, auch deswegen hat es "etwas" länger gedauert. Schon kurz nach der Veröffentlichung der mit dem Buch einhergehenden tollen CD gleichen Namens ist die Autobiografie (nichts anderes ist es nämlich) von Ken Hensley erschienen. Und die hat er im Gegensatz zu anderen sicher auch selbst niedergeschrieben, zu wirr sind die dauernden Zeitsprünge, die ein Ghostwriter sicher geordnet hätte. Zeitweise ist das Hin und Her zwischen Kindheit, Uriah Heep-Phase und Jetztzeit schon schwierig nachzuvollziehen und hindert den Erzählfluss, obwohl das Ganze doch in Artikel geordnet scheint. (Das Buch liegt bisher nur auf Englisch vor, ob eine deutsche Übersetzung geplant ist, darüber liegt keine Information vor.)
Ken Hensley rechnet in dem Buch schonungslos ab, vor allem mit sich selbst! An mehreren Stellen fragt er sich, wie man so bescheuert sein und das Geld mit vollen Händen verprassen kann, ein Heer von Ja-Sagern und Lakaien zu bezahlen, ohne es zu merken und sich jeden Mist zu kaufen, nur weil man es kann. Wie dekadent die Band doch zeitweise agierte, gipfelt in einer hanebüchenen Anekdote, als sie zusammen mit Rod Stewart in Amerika spielten und jener eben 5 Cadillac-Limousinen hatte, damit er und seine Leute standesgemäß zum Gig vorgefahren werden. Natürlich bestellten sie dann auch 5 Limousinen, um dann letztendlich doch die paar Meter vom Hotel zum Stadion rüberzulaufen!!! Oder wie Ken Hensley einer der ersten überhaupt war, der in England den Vorläufer eines Mobiltelefons hatte - wohlgemerkt 1976! (Ein Riesenkasten, den er sich dann idiotischerweise auch noch in seinen Rolls Royce einbauen ließ, was vollkommen uneffektiv war, weil die Technik damals kaum funktionierte.) Und wie er nicht nur einen Rennwagen besaß, sogar gleich einen eigenen Rennstall! Natürlich wurde dieser dekadente Lebensstil in den 70ern begleitet von Alkohol und Drogen, und Uriah Heep verloren zwei ihrer Mitglieder, die es zu exzessiv trieben. Bassist Gary Thain, heroinabhängig, starb kurze Zeit nach seinem Rauswurf 1975 und David Byron verstarb 1985 an den Folgen seiner Alkoholkrankheit. Ken Hensley selbst war ab 1971 sage und schreibe 18 Jahre lang (!!) kokainabhängig und dürfte mehrere Millionen verkokst haben! Dennoch war er die kreative Kraft und der Hauptsongschreiber der besten Uriah Heep-Platten ... oh, ich sehe sie schon um die Ecke schielen, die oft gesagten Sätze "Die besten Platten entstanden unter Drogen" (siehe Megadeth u.a.). Er selbst räumt mit diesem Blödsinn rigoros auf (und hat dies ja mit dem neuen Album am besten bewiesen). Nach Jahren des ein wenig ziellos in Amerika verbrachten Lebens (er nahm das Angebot an, bei BLACKFOOT einzusteigen, obwohl ihm das gar keinen Spaß machte) kam er dann ganz unten an und lieferte Zeitungen aus für 60 Dollar die Woche! Er bekam dann schließlich einen Job als Artist Relations Director für St. Louis Music, das ist der Grund, warum sein Name auf so unendlich vielen Platten steht. Er half bei Platten von W.A.S.P. und CINDERELLA mit, und beide fragten ihn auch, ob er als Keyboarder auf Tour ginge, was er ablehnte. Erst im Rahmen einer von ihm organisierten Musik-Messe, als gleich zwei der renommiertesten Bassisten (Billy Sheehan und Michael Anthony) neben Gregg Giuffria und Frankie Banali mit ihm zusammen einen umjubelten Auftritt hinlegten, kehrte er mehr als 10 Jahre später auf die Brette zurück - die für ihn sicher die Welt bedeuten.
Und genau hier möchte ich mit der Kritik ansetzen: Ken badet sich ein wenig zu oft in den Schmeicheleien, dem Lob der (jüngeren) Musikkollegen und zählt ein paar Mal zu oft im Buch die mit bis zu 20.000 Leuten besuchten Shows und die Millionen verkauften Einheiten von URIAH HEEP auf. (Davon abgesehen: Er nennt 40 Millionen und stieg bereits 1980 aus - die weiterhin aktiven URIAH HEEP nennen im Press-Release zu ihrem 21. Studioalbum "Wake The Sleeper" 30 Millionen verkaufte Einheiten. Was denn jetzt?) Wenn man direkt vergleicht: Nick Mason erwähnt, wenn überhaupt, in seinem kürzlich hier besprochenen Buch die verkauften Platten kaum.
Es fällt mir schwer, da ich speziell Hensleys Kompositionen schätze und sehr gerne mag, doch es ist schon ein klein wenig die Tendenz der übertriebenen Eigendarstellung und des Selbstlobs zu beobachten, wobei ich nicht so weit gehen würde, ihn als Heuchler zu bezeichnen. Er gibt der derzeitigen Besetzung seiner ehemaligen Band kräftig einen mit, lebt jedoch weiterhin stark von dem Namen der Gruppe, insofern kann man ggf. verstehen, wenn jemand so weit geht und ihn als "Heuchler" bezeichnet. So minder, wie er sie beschreibt, war die Band nach seinem Abgang nun auch wieder nicht!
Den endgültigen Wake-Up-Call erhielt Ken Hensley dann bei uns in Deutschland, als er im Jahre 2000 mit John Lawton eine kleine Tour machte. ER, der große Rockstar von Uriah Heep nach all den Materialschlachten und dieser Geschichte im Rücken in kleinen Kaffs - in the middle of nowhere - vor 200 Leutchen und von denen interessierte es auch nur einen Teil, was auf der kleinen Bühne abgeht ...!
Nachdem er jahrelang "the most un-godly life" geführt hatte und nachdem er mit einer Prostituierten zugange war, worüber seine 3. Frau verständlicherweise nicht begeistert war, wie er dem überraschten Leser frank und frei beichtet, dann die radikale Wende: Ken Hensley ist seit 1993 Christ (nichts Neues für uns, vergleiche Alice Cooper, aber für einige Leser vermutlich schon) und es ist ihm auch ein Anliegen, darüber zu sprechen. Und man spürt ja auch in seinen Texten seine Intentionen.
Ebenso merkt man, ein wie großes Anliegen es ihm war, die Lebensgeschichte aus seiner Sicht wiederzugeben und wie es ihn befreit hat, all den Ballast und die Idiotie des Größenwahns, wie er selbst sagt, loszulassen. Trotz meiner angeführten Kritik war es eine Freude, das Buch zu lesen, welches ich dennoch empfehlen möchte. Bonuspunkte gibt's für die schöne (natürlich an das "Look At Yourself"-Cover erinnernde) Gestaltung, die mitunter farbigen Fotos und die Discographie mit allen abgebildeten Covers in ordentlicher Größe auch in Farbe. (Das Gesamtpaket aus CD, Buch, DVD vom Gig in Hamburg und T-Shirt gibt's übrigens auch als Box.)

Ken Hensley: Blood On The Highway / When Too Many Dreams Come True. Hamburg: Membran Music 2007. ISBN 978-3-86735-319-9. 19,95 Euro. www.ken-hensley.com, www.membran.net
 



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