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Christian Dornbusch/Hans-Peter Killguss: Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus
von ta anno 2016

Christian Dornbusch/Hans-Peter Killguss: Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus

Am 20. Oktober 2016 sollte ein Konzert von Behemoth, Secrets of the Moon und Mgla im Club "Schlachthof" in Wiesbaden stattfinden. Der Veranstalter lud im März Mgla aus, weil sie bei einem Label unter Vertrag stehen, das in der Vergangenheit auch mehrere Bands aus dem NSBM, also dem nationalsozialistischen Black Metal, veröffentlichte und von dem die Bands sich nicht eindeutig distanzieren mochte. Der Absage für Mgla folgte ein Shitstorm auf Facebook, der den Veranstalter schließlich bewog, das ganze Konzert abzublasen.
Natürlich kann man diese Entscheidung übertrieben finden. Immerhin betraf es nicht Mgla, sondern "nur" ihr Label. Immerhin betraf es nicht gegenwärtige Veröffentlichungen, sondern "nur" vergangene. Und Mgla sind doch nun wirklich kein NSBM.
Stimmt. Doch gerade darum ist das Beispiel so aufschlussreich. Denn das Band, das Black Metal mit brauner Scheiße verknüpft, heißt nicht "NSBM". NSBM war nie das Problem der Black-Metal-Szene. NS-"Künstler" gibt es für jede Musikrichtung. Sie sind z.B. auch im Liedermacherbereich verbreitet und selbst in einem abseitig erscheinenden (weil in der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit eher als links wahrgenommenen) Stil wie Ska existieren Neonazi-Bands. Wie Roland schon vor Jahren im neunten Teil der "Haarus Longus Satanas"-Reihe feststellte, gibt es unzählige Beispiele dafür, "daß Kunst (und damit auch Musik) schnell für gewisse Ziele adaptiert, ge- oder auch mißbraucht werden kann".
Der Prozentsatz der Bands im Black Metal, die tatsächlich als NSBM klassifiziert werden können, ist vermutlich auch nicht nennenswert größer als anderswo und spiegelt "nur" 1:1 die gesellschaftlichen Verhältnisse wider. Das heißt auch: Wenn es einen gesellschaftlichen Ruck nach rechts gibt, wie etwa in der Gegenwart, ist davon auszugehen, dass auch er im Black Metal oder im Metal generell zu sehen sein wird. Metal - darunter auch Black Metal - ist an sich offen genug, um mit Ideen aller politischen Couleur kombiniert zu werden. Das Band, das Black Metal mit brauner Scheiße verknüpft, ist vielmehr die Grauzone zwischen NSBM und den komplett Unbescholtenen. Und die ist im Black Metal, das kann man 20 Jahre nach Beginn der zweiten Welle wohl zweifelsfrei sagen, größer als anderswo. Wer das nicht sieht, will es nicht sehen. Die Grenzen zwischen der Szene als ganzer und ihrem neonazistischen Ausläufer sind viel verwischter als z.B. im Bereich der Liedermacher.
Die Grauzone hat etliche Gesichter. Unbescholtener Musiker A teilt sich ein Split-Album mit einer NS-Band. Unbescholtener Musiker B ist bei einem Label, das von dem Mitglied einer NS-Band betrieben wird. Unbescholtener Musiker C tritt mit einer NS-Band auf etc. Wer tief genug gräbt, findet bei jeder zweiten Band irgendwas, und sei es erst um die drölfzigste Ecke: Unbescholtener Musiker D teilt sich ein Split-Album mit unbescholtenem Musiker E, der auf dem Label ist, das auch den unbescholtenen Musiker F vertreibt, der mal mit einer NS-Band aufgetreten ist.
Natürlich wird der Blick um die Ecke ab einer gewissen Summierung an Ecken lächerlich und die Verbindung erscheint arg weit hergeholt. Die übertriebene politische Korrektheit, die mancher "Nazijäger" bei der Aufdeckung von Querverbindungen an den Tag legt, kann jedoch nicht Anlass sein, die Grauzone und damit auch die Verbindungen, die nach nur einer oder spätestens zwei Ecken durchscheinen, generell zu leugnen.

Eine Hilfe beim Schärfen des Blicks für die Ecken ist das Buch "Unheilige Allianzen" von Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss, bereits 2005 erschienen und seinerzeit durch die Feuilletons der Medien auch außerhalb der Metal-Szene gereicht, in der Regel garniert mit alarmistischen Verallgemeinerungen, Marke: Alles Nazis, wir haben es ja schon immer gewusst. Zum Teil - aber auch nur zum Teil - ist dieser Alarmismus auf das Buch selbst zurückzuführen. Jeder, der (wie der Autor dieser Zeilen) nicht nur oberflächlich mit der Black-Metal-Szene in Kontakt gekommen ist, wird die offenkundigen Schwächen mancher Passagen sehen, nämlich eine undifferenzierte Darstellung, die sich hinter der Maske wissenschaftlicher Deskription verbirgt. Da wird die bekannte und unbescholtene Band xy ohne Wimpernzucken mit der völlig unbekannten NS-Hinterwäldlercombo z in einem Satz genannt, obwohl beide Bands in der Szene völlig unterschiedlich rezipiert werden. Da fließt ins Revue "Konzertjahr 2004" (S. 65ff.) quasi nebenbei ein NSBM-Konzert ein, obgleich es sich um eine illegale Parallelveranstaltung eines Szeneausläufers handelt, die nicht denselben Status der Anerkennung in der Szene wie z.B. das (ebenfalls beleuchtete) Festival Under the Black Sun genießt.
In derselben Rubrik wird auch ein Nargaroth-Konzert ins Madige gerückt, weil sich "[u]nter den langhaarigen Besuchern […] nun aber auch eine Reihe von Skinheads [befand], deren ‚Frisur' im deutlichen Kontrast zu den langhaarigen Metallern stand" (S. 66). Nun kann man von Nargaroth halten, was man will, aber ich hätte schon gern gewusst, ob den Autoren hier mehr aufstieß als nur die Tatsache, dass einige Konzertbesucher eine Glatze haben.
Noch ein Beispiel: Als Beleg für den "symptomatischen" Rassismus der frühen Norwegen-Szene führen die Autoren neben einer bekannten Äußerung von Mayhem-Dummkopf Hellhammer eine rassistische Äußerung im Editorial der ersten Ausgabe des Mini-Magazins Genocide an, dessen Herausgeber Karsten "Beastus Rex" Hamre selbst Schwarzmetall-Archivaren in den wenigsten Fällen etwas sagen dürfte (S. 40). Wie repräsentativ ist sowas?
Solche Beispiele ziehen sich durch das Buch. Sie sind dahingehend ärgerlich, dass das Buch nicht nur von Szenegängern, sondern auch von Szenefremden gelesen wird, denen das Werkzeug zur Feindifferenzierung fehlt und die dementsprechend potentiell einen zu überspitzten Blick auf die Problematik entwickeln. Das sind dann mitunter dieselben Szenefremden, die (völlig berechtigt) die Existenz eines Frank Rennicke nicht Reinhard Mey zum Vorwurf machen würden, analoges aber beim Black Metal tun.
Hinzu kommen kleinere formelle Mängel: Die Benennungen sind nicht immer konsistent, so wird auf denselben Musiker mal per Pseudonym, mal per Realname Bezug genommen, z.B. Burzums Varg Vikernes (S. 38). Und das Lektorat war nicht durchweg gründlich (das Burzum-Tribut-Album heißt z.B. "A Man, a Band, a Symbol", nicht "A Man, a Hand, a Symbol").
Aber: Das alles in Kauf genommen, ist "Unheilige Allianzen" dennoch ein wichtiges Buch. Denn neben dem NSBM, der im dritten Kapitel Thema ist (das immerhin die Hälfte des Buches beansprucht), beleuchtet das Buch eben auch, zumindest schlaglichtartig, die Grauzone. Die Schlussfolgerung der Autoren, S. 147: "Der Black-Metal-Underground unterscheidet sich nicht deutlich in einen unpolitischen mit klaren Abgrenzungen und einen rechten Flügel, sondern erscheint eher als ein großes Ganzes, in dem beide Fraktionen mehr oder weniger gut miteinander auskommen."
Die große Stärke bei der Beweisführung ist, dass Dornbusch/Killguss nicht bei den mannigfaltigen Kollaborationen und dummen Aussagen von Musikern Halt machen, sondern ein Stück Ursachenforschung betreiben. Und diese Ursachenforschung landet bei den ideologischen Grundlagen des Black Metal. Insbesondere im zweiten Kapitel ihres Buches sind die Parallelen zwischen dem Gedankengut von Neonazis und Black-Metal-Ideologen Thema.
Ein oft zu hörender bzw. zu lesender Schutzreflex von Fans und Musikjournalisten gegen eine solche Parallelisierung ist der Hinweis, dass Black Metal (oder Metal allgemein) für Individualismus, NS-Ideologie aber für Herdenmentalität stehe und schon deshalb beides inhaltlich unvereinbar sei. Dieser Reflex ist gut gemeint, aber vorschnell. Denn ebenso wie Individualismus nur ein Aspekt im heterogenen Gefüge der Ideen ist, die als Inhalte den Black Metal prägten, ist Herdenmentalität nur ein Aspekt im Gefüge der NS-Ideologie.
Die Autoren legen diesem Schutzreflex entgegen einige Parallelen offen, von denen die im Viking/Pagan zelebrierte Verherrlichung des Altgermanentums nur die naheliegendste (und daher auch innerhalb der Szene noch relativ häufig thematisierte) ist, während z.B. Vernichtungsfantasien weniger im Fokus stehen. In einer gängigen Lesart des Black Metal sind diese im Horizont von Christentum vs. Satanismus anzusiedeln, im Gegensatz zum NS-Horizont aus "Weltjudentum" und Rassenlehre, und darum etwas Anderes. Doch die Parallele geht laut den Autoren tiefer und der geteilte Kosmos beider Ideologien ist der von Stärke vs. Schwäche (S. 92ff.).In diesen Kosmos fällt auch das Elitedenken, das beiden Ideenhorizonten zu eigen ist, oder die Instrumentalisierung der Schriften von Friedrich Nietzsche.
Vor diesem Hintergrund ist es kein unverständlicher Ausrutscher, dass es bereits in der Gründerzeit des Black Metals der zweiten Welle zu den bekannten Gehirntotalausfällen kam, Stichwort "Norsk Arisk Black Metal". Vor diesem Hintergrund ist es auch mehr als ein zeitgeschichtlicher Zufall, dass gerade in der Black-Metal-Szene die "no politics"-Distanzierung zum ganz rechten Ausläufer häufig so hohl ist. Und vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum einem gerade unter Black-Metal-Musikern so häufig schwer einzuordnende Personen begegnen, die einerseits nicht eindeutig Neonazis sind, andererseits aber auch eine gewisse Anfälligkeit für derartige Deutungsmuster zeigen.
Das ist natürlich für Szenegänger, die sich im Antifaschismus verorten (wie den Rezensenten), ein harter Brocken, der nur dadurch zu schlucken ist, dass die Autoren einen weiteren empirisch erfassbaren Bereich, nämlich die Vernetzungen über geteilte Bandmitglieder, über die Verhältnisse zwischen Bands, Labels und Konzertveranstaltern sowie über die Verhältnisse zwischen Industrie und Käuferschicht, nur am Rande streifen. Hier würde sich das, was die Autoren für die zugrundeliegenden Ideen behaupten, in der Struktur der Szene widerspiegeln. Auch diese strukturelle Vernetzung ist ein Teil der benannten Grauzone - und sollten Dornbusch und Killguss jemals eine Neuauflage ihrer Studie planen, wäre ein Blick in diesen Teil eine wichtige Ergänzung.
Doch auch so gehört "Unheilige Allianzen" in den Bücherschrank von jedem Schwarzmetaller, dem die Unterwanderungsversuche von ganz rechts nicht völlig egal ist. Denn eins ist klar: Um eine solche Unterwanderung zu verhindern, kann niemand auf die Abgrenzungsbestrebungen der Neonazi-Szene vertrauen - von dort ist der Brückenschlag schon lange vollzogen (vgl. auch den Abschnitt "Die Allianz wird geschmiedet", S. 273ff.). Die Abgrenzung muss wenn, dann aus der Mitte der Szene kommen.
"Unheilige Allianzen" ist - bei allen benannten Schwächen - ein Buch, das dahin geht, wo es weh tut.

Christian Dornbusch/Hans-Peter Killguss: Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus. Hamburg/Münster: Unrast Verlag 2005 (Reihe antifaschistischer Texte). ISBN 3-89771-817-0, 352 Seiten, mit Illustrationen, 18,00 Euro



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