www.Crossover-agm.de Werben oder erben - Teil 7: Kontaktwunsch

von Kerstin Braun
 

Nachdem wir im letzten Teil den Grundstein für das gutsortierte Künstlerselbstvermittlungsbüro gelegt haben, wagen wir uns heute hinaus in die grausame Welt des Musikbusiness. Jawohl, es muß gesagt werden: Es handelt sich um Verkaufsgespräche am Telefon. Wenn Ihr keinen Agenten oder Manager habt, der das für Euch erledigt, müßt Ihr selbst mit potentiellen Veranstaltern ins Gespräch kommen und Eure Band „verkaufen“. Dabei gibt es tatsächlich einige Kniffe, die man sich von den berüchtigten Versicherungsvertretern abgucken kann - und andere, die man lieber bleiben lassen sollte.
Einigen rhetorischen „Kniffen“ für das Gespräch werden wir uns intensiver im nächsten Beitrag widmen. Heute soll es hauptsächlich um Vorbereitung und Inhalt des ersten Telefonates gehen. Von schriftlichem Erstkontakt würde ich Newcomerbands abraten - der bringt meist nichts und ist Geld- und Zeitverschwendung. Denn erstens solltet Ihr möglichst zunächst herausfinden, ob der Veranstalter überhaupt Interesse an Eurer Musikrichtung hat, und zweitens landen unangekündigte „Mailings“ (so nennt man den Massenversand von Werbematerialien) beim Veranstalter oft direkt im Papierkorb. Wenn Ihr mit Eurer White-Metal-Band telefonisch an jemanden geratet, der in seiner winzigen Kneipe Jazz- und Blueskonzerte veranstaltet, könnt Ihr euch höflichst verabschieden und das Porto sparen.
Also vorher anrufen. Und noch vor dem Anrufen: Den Veranstalter aus der Kartei heraussuchen und nachsehen, ob es schon einen Ansprechpartner gibt. Überlegen, was Ihr mit ihm besprechen wollt, falls er nicht von vornherein ablehnt (Adresse für Versand vorhanden? Saalgröße? Gage - gegen Kasse oder Festgage üblich? PA vorhanden? Wann sind Veranstaltungstage?). Das kann sich kein Mensch merken? Dann schreibt Euch einen Stichwortzettel. Das ist keine Schande - professionelle Telefonagenturen tun das auch! Schließlich kann der Partner am anderen Ende Euch ja nicht sehen, und Ihr werdet sicherer, vergeßt nichts Wichtiges, verliert nicht den Faden und könnt das Gespräch auch gezielt beenden, wenn Ihr alle Informationen habt. Und Ihr könnt gleich hinter die Stichwörter die Infos schreiben, mit einem Minimum an Schreibarbeit (denn die lenkt vom Gespräch ab), also zum Beispiel nur die nackten Zahlen für Saalgröße, Gage, PA-Leistung usw.
Nun geht’s zur Sache. Ihr wählt die Nummer und habt sogar Glück: es nimmt jemand ab. Als Menschen mit guten Manieren nennt Ihr Euren Namen, vielleicht auch noch den Namen der Band dazu, und verlangt - ja, wen denn nun, wenn Ihr keinen Namen wißt? Die Strukturen sind bei den Veranstaltern recht verschieden. Es gibt Musikkneipen, in denen der Inhaber das Programm selbst zusammenstellt; in anderen Kneipen ist ein anderer Mitarbeiter dafür zuständig oder sogar jemand von außerhalb. Bei Vereinen oder in Kirchgemeinden kann das ähnlich sein. Also könnte Euer Einstieg sich zum Beispiel so anhören:
„Guten Tag, hier ist Dirk Blei aus Leipzig. Ich rufe an für die Band 'Super Verbleit' und hätte gern denjenigen gesprochen, der bei Ihnen die Live-Bands bucht/für das Veranstaltungsprogramm zuständig ist.“ Puh! Aber damit ist alles gesagt, was der Gesprächspartner am anderen Ende wissen muß, um Euch an den Richtigen weiter zu vermitteln. Die Antworten lauten nun:
„Ja, das bin ich, worum geht’s denn?“ (Glück gehabt.) Oder:
„Da müßten Sie bitte später nochmal anrufen, wenn jemand da ist. Ich mache hier nur sauber.“ (Aber gern, wann ist denn jemand da?) Oder:
„Oh, unser Chef ist im Moment grad nicht da, kannst du vielleicht später nochmal anrufen, so gegen sechs?“ (Kann ein schwieriger Fall werden, richtet Euch auf mehrere vergebliche Versuche ein, da „der Chef“ meist wider Erwarten erst gegen neun eintrifft und dann binnen fünf Minuten wieder verschwunden ist. Fragt nach dem Namen, nach eventuellen Bürozeiten und der Durchwahl, oder nach anderen „Anwesenheitszeiten“, und ruft trotzdem pünktlich zu den Euch genannten Zeiten an - man kann ja nie wissen.)
„Leider ist Herr Bucher nicht im Haus, aber ich geb ihm gern Ihre Nummer, dann ruft er Sie zurück.“ (Das ist sehr nett gemeint, klappt aber meist nicht, weil Herr Bucher noch tausend andere Sorgen hat und im Moment erst mal Ihr was von ihm wollt und nicht umgekehrt. Also laßt Eure Nummer da, sagt aber, daß Ihr’s gern selbst nochmal versuchen würdet, und dann siehe oben. Im günstigsten Fall hat Herr Bucher beim nächsten Versuch schon mal von Euch gehört, weil der Zettel mit Telefonnummer und Namen der Band immerhin bis auf seinen Schreibtisch vorgedrungen ist.)
„Oh, tut mir leid, wir machen im Moment keine Live-Musik mehr.“ (Hm - schade! Nur vorübergehend? Könnte man eventuell später im Jahr nochmal anrufen oder paßt White Metal sowieso nicht, weil’s viel zu laut ist?)
Habt Ihr den Richtigen in der Leitung, könnt Ihr sofort mit Eurem Anliegen loslegen, zum Beispiel:
„Wir sind eine Band aus Leipzig und würden gern bei Ihnen auftreten. Wir spielen White Metal - würde das in Ihre Veranstaltungen passen?“
Wenn auch darauf eine positive Antwort kommt, bietet Ihr an, Euer Demo und Infomaterial zu schicken - nicht vergessen, Euch die Adresse zu notieren und zu fragen, zu wessen Händen das Material geschickt werden soll (ansonsten lagert es jahrelang unterm Tresen, weil sich niemand zuständig fühlt). Ihr könnt jetzt auch gleich noch nach den oben schon angedeuteten wichtigen Informationen fragen, z.B.
- wie groß der Laden ist (wieviel Leute reinpassen - daran könnt Ihr ungefähr die möglichen Gagen abschätzen, jedenfalls bei Kneipen, die ja in der Regel keine Zuschüsse bekommen - hier liegen die möglichen Gagen in der Regel bei maximal 600 bis 800 DM, die meisten haben sich zwischen 400 und 600 eingepegelt),
- wieviel Platz für die Band ist (wie schon in einer vorhergehenden Folge bemerkt, gibt es Veranstalter, die sich vorstellen, fünf Musiker plus Schlagzeug auf 2x2 Metern unterbringen zu können, weil sie nicht bereit sind, durch Herausräumen eines Tisches Umsatzeinbußen hinzunehmen),
- wie die Frage der Gage gewöhnlich geregelt ist: nur Kasse, Festgage plus Anteil Kasse, Festgage? (Auch diese Information ist nochmal ein Filter, um zu entscheiden, ob es sich lohnt, als Leipziger Band in einer kleinen Stuttgarter Musikkneipe mit 30 Plätzen gegen Kasse zu spielen - da kämen selbst bei voller Besetzung noch nicht mal die Spritkosten rein.)
- PA vorhanden? (Das wäre besonders dann interessant, wenn Ihr selbst nur eine winzige habt oder gar keine, oder für Eure riesige Anlage extra mit einem Truck von Leipzig nach Stuttgart fahren müßtet.)
Wenn das Gespräch beendet ist, setzt Ihr Euch am besten sofort hin, verfaßt ein kurzes Anschreiben, in dem Ihr Euch auf das eben geführte Gespräch bezieht und für das Interesse bedankt, steckt es zusammen mit Demo und Infomaterial in einen Umschlag und vertraut diesen einem Briefkasten an. Ja, ich weiß, das gehört unter die Rubrik „der ideale Booker“, ist aber zumindest anzustreben. Wenn schon nicht am gleichen Tag, dann sollte zumindest im Laufe der Woche das Material auf die Reise gehen, damit Herr Bucher sich noch an das Telefongespräch erinnert, wenn das Material eintrifft.
Der ideale Booker tut nun auch noch folgendes: Er hebt sich den Stichwortzettel mit den Notizen zum Gespräch auf und versteckt ihn an einem Ort, wo er ihn wiederfindet (z.B. in einer Mappe mit Gesprächsnotizen oder allgemein Veranstalterkontakten); außerdem schreibt er noch das Versanddatum für das Infomaterial drauf. In den „Geschäftskalender“ (siehe letzte Folge) schreibt er sich für ca. 2-3 Wochen nach dem Versand ein, daß der Veranstalter wieder angerufen werden muß. Verlaßt Euch nie darauf, daß jemand von selbst wieder zurückruft, weil er so begeistert von Eurer Musik war. Manche Veranstalter tun das zwar, aber Ihr fahrt am besten, wenn Ihr die Sache bzw. das Telefon selbst in die Hand nehmt und das auch schon im Anschreiben ankündigt.

Hier die Kontaktaufnahme in Kürze:

1. Vor Versand von Material möglichst anrufen und klären, ob die Musikrichtung grundsätzlich paßt und was für Material geschickt werden soll.
2. Bei Bedarf Stichwortzettel vorbereiten.
3. Material möglichst bald nach dem Gespräch verschicken.
4. Nach ca. 2 - 3 Wochen nochmals anrufen.
5. Unten auf "Hier" klicken - da wird weiter telefoniert.
 

Hier geht's zum 8. Teil von "Werben oder erben".



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