|
Werben oder erben - Teil 6: Grüße
aus SOHO
von Kerstin
Braun
Es war einmal, vor etwa 10
Jahren, da wußten manche Leute im Osten noch nicht mal, wie man “Telefon”
schreibt. Ich selbst gehörte dazu, aber einige Veranstalter ebenfalls.
Man trat also auf dem Postweg in Kontakt, verschickte Demos, bekam einen
freundlichen Brief mit Einladung und möglichst gleich Terminvorschlag
zurück (oder gar keinen) und schwang sich dann - falls nicht gerade
ein Probentermin in der Nähe war - aufs Fahrrad (auch “Auto” war sehr
schwierig zu schreiben, von “Trabant” ganz zu schweigen), um Kollegen in
den entlegensten Stadtteilen die frohe Botschaft zu überbringen. Traf
man sie nicht an, dann standen wenigstens alle Haustüren offen, um
eine Nachricht im Briefkasten zu hinterlassen und um Bestätigung zu
bitten. Hatte man dann nach spätestens einer Woche alle OKs zusammen,
schrieb man dem Veranstalter wieder einen freundlichen Brief (natürlich
mit der Hand!), steckte gleich die Verträge mit rein und hoffte darauf,
daß sie den Empfänger auch erreichten.
Achja ...
Und da sie gestorben sind,
diese Zeiten, läuft das heute ganz anders. Ohne SOHO kommt man kaum
noch zu einer angemessenen Zahl an Mucken, Verzeihung, neudeutsch heißt
das jetzt natürlich Gigs. SOHO ist übrigens auch Neudeutsch und
heißt ganz einfach Small Office - Home Office, und es bezeichnet
die Ecke auf Eurem Schreibtisch, auf der sich die erledigten und unerledigten
Unterlagen Eurer Band räkeln, dazu noch Telefon, Fax und Computer
mit allem, was dazugehört: Drucker, Modem, Textverarbeitung, Adressprogramm.
Waaas, habt Ihr noch nicht?? Na, macht nichts, es geht auch ohne. Allerdings
- ohne eine gewisse Ordnung geht es irgendwann nicht mehr, wenn sich die
Mu... pardon, Gigs, häufen. Und deshalb hier ein paar Tips, wie Ihr
Euer SOHO manuell oder digital organisieren könnt.
Da wäre zunächst
der Sack voll Flöhe, der sich Band nennt. Irgendwie müßt
Ihr es schaffen, daß zu den womöglich vertraglich vereinbarten
Gigs alle auf der Bühne stehen, die gebraucht werden. Also muß
zuerst derjenige, der die Termine aushandelt, auch dafür sorgen, daß
alle davon erfahren, alle ihre Zustimmung geben und sich den Termin freihalten.
Nachdem es mir mehrfach passiert ist, daß Kollegen von Terminen noch
nie was gehört hatten oder haben wollten, bin ich dazu übergegangen,
in unregelmäßigen Abständen für jeden einen aktuellen
Terminplan auszudrucken. Mit dem PC ist das natürlich relativ wenig
aufwendig und lohnt sich auf jeden Fall. Wenn Ihr den Aufwand nicht betreiben
wollt, dann nehmt Euch einen Jahresübersichts-Kalender (das ganze
oder halbe Jahr auf einer A4-Seite) und tragt alle Termine dort ein bzw.
streicht die geplatzten wieder raus. Den Plan könnt Ihr dann auch
bei Bedarf einstecken und auf einen Blick nochmal mit allen Musikern vergleichen.
Zusätzlich kann man dann noch einen “Dienstkalender” anlegen - z.B.
ein Schreibtischkalender -, in dem neben dem Termin alles eingetragen wird,
was man sonst noch mit dem Veranstalter besprochen hat: Gagenhöhe,
Technik, Anfangszeiten, Catering, welches Material bis wann wohin zu schicken
ist, Adresse, Telefonnummer usw. Na klar, Ihr könnt das alles auch
auf einen Zettel schreiben, der dann irgendwann nicht mehr auffindbar ist.
Viel Spaß beim Suchen!
Adressprogramme bieten im
Vergleich zu Karteikarten unschätzbare Vorteile: Man kann die Adressen
nach allen möglichen Kriterien sortieren (z. B. alphabetisch nach
einem Namen suchen, über Postleitzahlen nach möglichen Anschlußgigs
fahnden oder an unliebsame Veranstalter das Stichwort “Nie wieder!” vergeben),
kann Adressen schnell ändern oder ergänzen und sich Notizen zu
Saalgröße, Gage, Termin oder sonstigen Absprachen machen. Wer
die geeigneten technischen Voraussetzungen hat, kann aus dem Programm sogar
direkt anrufen. Achtet darauf, daß Ihr möglichst tatsächlich
nach allen möglichen Kriterien suchen könnt, sonst bringt Euch
ein Adressprogramm außer Platzersparnis tatsächlich nicht mehr
als die gute alte Karteikarte. Eingetragen werden - ins Programm oder auf
die Karteikarte - Name des Veranstaltungsortes, Ansprechpartner, Adresse,
Tel./Fax., vielleicht Angaben zum Veranstaltungsraum, vereinbarte Gagen,
sonstige Besonderheiten, Euer letzter Termin dort und evtl. vereinbarter
neuer Kontakt. Nicht vergessen, trotz der von mir gern propagierten Papiersparpolitik:
Von Zeit zu Zeit Adressliste oder nur Aktualisierungen ausdrucken und/oder
ein Backup ziehen. Der Virus lauert überall, und auch Festplatten
müssen gelegentlich formatiert werden ...
So, damit wäre das
Ärgste geschafft. Anzulegen wäre noch mindestens ein Ordner für
die Band, in dem folgende Dinge gesammelt werden: (Kopier-)Vorlagen für
Euer Werbematerial, Vordrucke für Verträge, Briefwechsel (auch
den gibt es trotz allem noch!), Verträge, Rechnungen und was sonst
noch an Finanzkram anfällt. Ihr seid übrigens, sobald Ihr mit
Eurer Band Geld einnehmt, automatisch eine GbR (= Gesellschaft bürgerlichen
Rechts), egal, ob Ihr einen entsprechenden schriftlichen Vertrag habt oder
nicht. Dazu aber in einer späteren Folge mehr. Auf jeden Fall solltet
Ihr alles Schriftliche, was irgendwie mit Geld zu tun hat, an irgendeinem
Ort sammeln, und sei es in einem Schuhkarton. Sortieren kann man das alles
später noch im Ernstfall, nur vorhanden muß es möglichst
sein. Es deutet sich an, daß auch die ostdeutschen Finanzämter
zunehmend Zeit haben, sich um kleine Krauter und noch kleinere Musiker
zu kümmern, die den Staat jährlich um 3 Mark 50 beschummeln.
Spielt Ihr allerdings nur auf Geburtstagsfeiern und bekommt Euer Taschengeld
in die Hand gedrückt, ohne eine Quittung zu unterschreiben oder einen
Gastspielvertrag abzuschließen - ja dann ... seid Ihr ja nur Hobbymusiker.
Und braucht Euch die folgende Zusammenfassung gar nicht erst durchzulesen.
Das Genie organisiert
das Chaos:
1. Kalender für Termine
(und evtl. Zusatzinfos) anlegen, Termine regelmäßig mit der
ganzen Band vergleichen.
2. Adress-Sammlung für
Veranstalter anlegen (PC oder Karteikarten). Liste immer mal neu ausdrucken!
3. Ordner für Bandunterlagen
anlegen. Besonders Schriftwechsel und Verträge/Rechnungen/Quittungen
aufheben!
Hier
geht's zum 7. Teil von "Werben oder erben".
© by CrossOver
|
|
|