www.Crossover-agm.de Werben oder erben - Teil 4: Groß rauskommen 

von Kerstin Braun

Ratlosigkeit bemächtigt sich der Autorin angesichts des selbstgewählten Themas „Das Plakat" und der Tatsache, daß sie selbst geraume Zeit mit Versuchen verbrachte, für die eigene Promotion etwas Großformatiges zu Papier zu bringen, das dazu angetan wäre, potentielle Zuhörer in den Saal zu locken. Es gab witzige Varianten (deren Witz allenfalls die Mitglieder der Band verstanden hätten), grafische Versuchsobjekte, bei denen am Ende keiner mehr durchsah, und schließlich die Variante Otto Normalbenzin. Und die ist es dann auch geworden; schließlich ist an der ganzen Band nix Flippiges. Mensch fährt mit dem bei Handwerkern beliebten Modell „Pizzakutsche" (Pförtner: „Ach, Sie sind die Reinigungsfirma?!") zum Gig, trinkt den ganzen Abend (wenn überhaupt) Radler, trägt Jeans ohne durchgestylte Löcher und Haare von nicht erwähnenswerter Länge oder Kürze. Sexuelle Exzesse wurden bisher nicht bekannt; das Wohnen in vielbesternten Hotelzimmern, aus deren Fenstern teure Fernsehgeräte geworfen werden könnten, gehört zur Ausnahme, ein Maskenbildner für KISS-Bemalung kann mangels halbwegs angemessener Gagen auch nicht eingestellt werden.
Womit also dann ein Plakat verzieren??
Und außerdem: Welche Größe soll das Schweinderl denn haben? Auch diese Frage stellt sich aus aktuellem Anlaß, nachdem ich eine Woche lang fast täglich zu tun hatte, einem hartnäckigen Veranstalter zu verklickern, daß ich ihm zuliebe nicht 50 Plakate im A1-Format zum stolzen Preis von 300 Mark herstellen lassen würde, da alle anderen Veranstalter mit unserem A2-Angebot zufrieden sind und zum Teil größere Plakate gar nicht verwenden können, so daß eine größere Auflage im A1-Format nicht lohnt. Über die Vorstellung, man müßte auf einem Plakat den Veranstaltungsort aus 100 Metern Entfernung lesen können, konnte ich, dem Wahnsinn nahe, nur noch müde lächeln. Fast wäre der Gig daran gescheitert. Allerdings muß ich zur Ehrenrettung der Veranstalter sagen, daß mir sowas in 10 Jahren zum ersten Mal passiert ist. Die meisten fragen höflich, ob Plakate vorhanden sind und nehmen, was kommt. Sollte es zu klein sein, werden einfach mehrere nebeneinander oder im Block geklebt, damit das werbewirksame Format erreicht wird. Zerschneiden ist da schon schwieriger!
Wegen oben erwähnter Ratlosigkeit und drohendem Wahnsinn gönnen wir uns an dieser Stelle einen kurzen Ausflug in die Geschichte der „Art of Rock" - denn Plakate gehörten und gehören zu Kult- und Sammlerobjekten, neben Autogrammfotos (das vergaß ich beim letzten Beitrag: Man braucht natürlich unbedingt Fotos, um daraus Autogrammkarten herzustellen!), Backstage-Pässen oder ähnlichen Paraphernalia.
Tatsächlich ist hier die Grenze zwischen Kunst und Werbung fließend, wurden doch Plakate früher in mühevoller Kleinarbeit vom Grafiker gezeichnet und montiert. Heute kann das am Computer viel schneller gehen; noch immer gibt es aber Grafiker, die (selbst-)bewußt auf traditionelle Techniken setzen. Auch wenn Jürgen B. Wolff „fit am Mac" ist, wie das in der Werbeszene so langweilig heißt, und die Folkmusik längst nicht mehr vor E-Gitarren oder gar Drumcomputern zurückschreckt, sind Wolffs handgezeichnete (und hernach am Computer fertig gestaltete) Plakate (zum Beispiel zum Tanz- und Folkfest Rudolstadt) eine Augenweide, die außerdem noch mit den Augen zwinkert und von den Besuchern des Festivals gern als Erinnerung (und womöglich auch Sammlerobjekt) mitgenommen wird.
Bekannte Bands können es sich nun leisten, einzig den Namenszug sowie Zeit und Ort des Geschehens auf ein Plakat - dann meist im Format A1 oder A0, weil Bauzäune der ganzen Stadt damit bepflastert werden - zu bannen und gelassen den scharenweise hinzuströmenden Fans entgegenzusehen. Das wäre auch für unbekannte Bands die preisgünstigste Variante, wäre da nicht die von mangelnder Szenekenntnis zeugende Frage des Betrachters und potentiellen Konzertbesuchers: „Hä? Was’n das?"
Merke: Leider muß auch hier wieder derjenige, der über wenig finanzielle Mittel verfügt (weil er noch wenig bekannt ist), den größten (finanziellen) Aufwand betreiben, um überhaupt Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn man schon die billigste Variante (nur Text, einfarbiger Druck) wählt, so sollte neben dem Namen der Band wenigstens eine Andeutung der Musikrichtung auf dem Plakat stehen. Und hier Vorsicht: Vielleicht habt Ihr eine besonders witzige oder hintersinnige Bezeichnung für Eure Musik, die sicherlich auch im Info - wo man ja noch mehr dazu sagen kann - angebracht ist. Wenn aber abzusehen ist, daß nicht jeder, den Ihr zum Konzertbesuch animieren wollt, die Wortspiele versteht, verzichtet lieber an dieser Stelle darauf und verwendet bekanntere Bezeichnungen.
Natürlich wäre am besten ein mindestens A0-formatiges Plakat (84 x 119 cm) mit einer tollen grafischen Gestaltung und allen Farben dieser Welt, aber wer kann sich das schon leisten? Wir schlechtbezahlten MusikerInnen stehen hier wieder vor ähnlichen Problemen wie beim Info, nämlich, daß Farbdruck teuer ist und Belichtung/Druck auf großen Formaten sowieso. Die individuelle Lösung müßt Ihr selbst finden; die folgenden Überlegungen sollen Euch dabei helfen.

1. Einfachste Variante: Nur Schrift (z.B. Namen der Band und Musikrichtung) auf weißem oder farbigem Papier. Manchmal wollen die Veranstalter auch nur eine Vorlage, um selbst zu kopieren; liefert dafür eine saubere Vorlage auf weißem Papier.

2. Gestaltung: Als Blickfang können Fotos (von der Band, von Landschaften, Gebäuden, Instrumenten ...) eingesetzt werden, ferner Zeichnungen oder besonders gestaltete Schriftzeichen. Fotos können problematisch sein, wenn kopiert wird. Wir haben ein gedrucktes Plakat mit Foto und für die Kopiervariante unser Logo.

3. Farben: Vierfarbdruck (mit dem „alle" Farben dargestellt werden können) ist teuer. Bei grafischen Elementen (Zeichnungen, Schriftzeichen etc.) kann man versuchen, die Farben zu reduzieren, also z. B. nur Schwarz und eine oder zwei andere Farben zu verwenden. Ähnlich kann man auch Fotos im Duplex-Verfahren anlegen und drucken - die Fotos sehen dann aus wie Schwarz-Weiß-Fotos mit einem „Stich" in der jeweiligen Farbe.

4. Format: Wer am lautesten schreit, wird am besten gehört, und wer am größten daherkommt, wird am besten wahrgenommen. Aber: Groß bedeutet teuer (siehe oben), und weiterhin sind die Möglichkeiten des Veranstalters zu bedenken. Für eine Kirchentür oder Pinnwand ist A2 (oft sogar A3) völlig ausreichend. Querformat erweckt Aufmerksamkeit, ist aber im A2-Format für den Veranstalter unhandlich. Ein „schmales" Hochformat erweckt ebenfalls Aufmerksamkeit und ist auch handlich. Beachtet, daß beim Kopieren A3 noch auf einem normalen Kopierer hergestellt werden kann (Kosten ca. 0,50 DM pro Stück), alle größeren Formate aber als Großformat auf einem Spezialkopierer hergestellt werden und pro Stück dann ca. 3 (A2) bis ca. 50 Mark - in Worten: Fünfzig! - (A0) kosten.

5. Auflage: Tja, schwierige Frage. Im Normalfall möchte ein kleiner Veranstalter (z.B. Kirchgemeinde, Cafés) nicht mehr als 5 Plakate von Euch. Spielt Ihr in Studentenclubs, könnt Ihr mit ca. 10 - 50 rechnen, bei größeren Sälen ca. 50 - 200. Für Festivals usw. braucht Ihr meist gar nichts, weil die Veranstalter selbst Plakate herstellen. Mit 500 Stück reicht man schon eine ganze Weile, wenn man nicht jedes Wochenende zum Tanz spielt.

6. Nicht vergessen: Es muß irgendwo Platz bleiben für Ort und Zeit (und eventuell Preis) des Geschehens. Plant diesen Platz so ein, daß der Veranstalter gegebenenfalls eigene kopierte Papierstreifen darüberkleben kann. Kaum einer wird Lust haben, 200 Plakate mit der Hand zu beschriften. Normalerweise ist für diese Angaben der untere Rand des Plakates vorgesehen (etwa ¼ der Plakathöhe).

Und vergeßt ja nicht, Eure Druckerei nach Recyclingpapier zu fragen!
 

Hier geht's zum 5. Teil von "Werben oder erben".



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