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Salut Salon   21.12.2016   Leipzig, Gewandhaus
von rls

Mittwoch vor Weihnachten, 20 Uhr: In der Allianz-Arena in München steht es zwischen dem FC Bayern München und RB Leipzig zu Anpfiff traditionsgemäß 0:0, während das sehr gut gefüllte Gewandhaus auf den Anpfiff des Salut-Salon-Konzertes wartet. Die vier Hamburgerinnen haben neben ihren "üblichen" Tourprogrammen auch ein Weihnachtsprogramm in der Hinterhand, das sich in bestimmten Jahreszeiten natürlich stärkerer Nachfrage erfreut als in anderen und folgerichtig an diesem Abend erklingt, obwohl der Titel "Morgen kommt Salut Salon" ein Zeitparadoxon einführt, das die Musikerinnen in den Ansagen natürlich zu reichlich Komik nutzen. Daß das titelspendende Stück auch in mancherlei Kontext während des Programms auftaucht, erscheint logisch, auch wenn die Vokalisen des Einzuges der Gladiatorinnen "Stille Nacht" ergeben. Danach ist prinzipiell alles wie immer: Mit der Grundbesetzung aus zwei Violinen, einem Cello und einem Klavier pflügen sich Salut Salon quer durch die Musikwelt und stellen höchst interessante Bezüge her, mal eher offensichtliche, mal aber auch reichlich ungewöhnliche, in fast jedem Fall aber zum Schmunzeln anregende. Interessanterweise stellen sie je ein tonsprachlich eher herbes Stück aus Astor Piazzollas Engels-Suite an den Anfang der beiden Programmblöcke bzw. in dessen Nähe und machen es dem Publikum daher durchaus nicht leicht, sich ins Geschehen einzufinden, was dieses aber keineswegs stört - die Stimmung ist in beiden Teilen von Anfang an prima. Bestimmte Komponisten stehen sehr hoch im Kurs der iberophilen Hamburgerinnen und tauchen daher immer wieder in den Programmen auf, neben Piazzolla u.a. Manuel de Falla, dessen Feuertanz passenderweise erklingt, nachdem der auf der Bühne postierte Tannenbaum in Brand geraten ist und gelöscht werden mußte. Aber es geht durchaus auch ohne Showeffekte, wie diverse andere Nummern beweisen, wenngleich Salut-Salon-Auftritte natürlich immer als Gesamtkunstwerke begriffen werden müssen. Daß die vier Damen spieltechnisch auf die Zehntelsekunde fit und tight sind, versteht sich von selbst (selbst wenn an diesem Abend nicht die Stammbesetzung spielt, sondern Pianistin Anne-Monika von Twardowski durch Olga Shkrygunova vertreten wird, was zugleich so manchen Zusatzlacher über russische Weihnachtsbräuche erzeugen hilft) und ermöglicht erst Effekte wie Passagen für Klavier zu fünf Händen oder das Weihnachtslieder-Medley aus Zeilen, in denen ein O vorkommt. Apropos Lieder: Gefühlt singen die Musikerinnen diesmal deutlich mehr als im Programm "Ein Haifisch im Aquarium", dem einzigen, das der Rezensent vorher auf der Bühne erlebt hat - aber auch in dieser Disziplin ziehen sie sich enorm gekonnt aus der Affäre, gern auch wieder mit interessanten Schwenkungen, wenn sich etwa aus "White Christmas" "Mr. Sandman" entwickelt, versehen allerdings mit einem neuen, maskulinophoben Text über einen Schneemann, bei dem man, äh, frau am Ende froh ist, daß er praktisch von selbst wieder verschwindet. Die Instrumentenpalette wird neben den bekannten Elementen Akkordeon oder Triola noch um ein Xylophon und vier Flöten erweitert, mit welchletzteren eine fulminante Fassung des WO-Eingangschores auf die Bühne kommt. Puppe Oskar darf als Gaststar auch wieder mitspielen und diesmal u.a. Liszts "Liebestraum" am Klavier geben, im zweiten Programmteil dann auch noch Cello spielen. Besagter Teil beginnt mit einer ultrafinster harmonisierten Version von "Stille Nacht", und interessanterweise tragen die Musikerinnen statt Rot jetzt Schwarz, behalten lediglich ihre roten Schuhe an und nehmen nach dem flockigen "Weihnachten auf Tonga" und dem erwähnten Piazzolla-Stück viel Tempo aus dem Programm, das sie erst zum Schluß in der Fernsehrevue aus verschiedensten Titelmelodien wieder anziehen. Dazwischen "Maria durch ein Dornwald ging" mit dem Sample einer Kollision einer Person mit einem Auto abzuwürgen wäre freilich auch ohne den Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt drei Tage zuvor geschmacklos genug gewesen, bleibt aber dankenswerterweise der einzige Ausfall, während der Aspekt, daß in der Fernsehrevue zwar auch Das aktuelle Sportstudio vorkommt, aber das Ergebnis aus München (wo der FC Bayern mittlerweile seit der 44. Minute mit 3:0 führt und sich bis zum Schlußpfiff auch nichts mehr am Ergebnis ändert), keine Rolle spielt, "nur" als verpaßte Chance zu kennzeichnen ist. Das Publikum stört sich daran nicht und fordert nach dem finalen messianischen Halleluja Zugaben ein, die es zunächst in Form einer Kabinettstückchenparade bekommt, bevor ein schwedisches Weihnachtslied eigentlich das stimmungsvolle Finale darstellen soll, aber als einziges Stück des ganzen Abends unter Soundbalanceproblemen leidet und man das strukturell wichtige Xylophon hier praktisch gar nicht hören kann. So fällt ein Aschepartikel auf den sonst weitgehend weißen Schnee, aber den grundsätzlich abermals sehr positiven Eindruck vermag dieser Aspekt nicht zu beeinträchtigen, und das von den Musikerinnen unterstützte Chile-Kinderhilfsprojekt bekommt wie üblich nach dem Konzert im Foyer noch eine Zugabe spendiert. www.salutsalon.de informiert den Interessenten, wann und wo das in Erarbeitung befindliche neue Programm begutachtet werden kann.



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