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Goran Bregovic and his Weddings and Funerals Orchestra   03.08.2016   Jena, Kulturarena, Theatervorplatz
von jmt

Goran Bregovic scheint es auf der Kulturarena Jena zu gefallen. Bereits zum vierten Mal beehrt er dieses allsommerlich auf dem Theatervorplatz stattfindende Festival. Vielleicht verbindet er damit positive Erinnerungen, gab er doch hier 1999 mit zwei aufeinanderfolgenden Konzerten sein Deutschlanddebüt. Denkwürdig auch sein Auftritt im Jahr 2000, als auf der (schon lange nicht mehr existierenden) Nebenbühne die damals noch jungen Herren Galahariza, Tikito und Die Esche quasi als ungebetene Gastmusiker zum gemeinsamen Mittrommeln zusammenfanden, um kurz darauf die experimentalchaotische Improvisationscombo Hûtba zu gründen. Man kann, ja man muss mithin sagen: Ohne Goran kein Hûtba. Das ist nun schon ein Weilchen her, die Kollegen von Hûtba haben etwas von ihrer jugendlichen Frische verloren, und auch Goran Bregovics vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Emir Kusturica begründeter Ruhm als gefeierter Filmkomponist scheint ein wenig abgeebbt zu sein. Ein unmittelbar vor Konzertbeginn im Publikum aufgeschnapptes Gespräch bezieht sich auf seinen zur Schau gestellten Lebensstil: In Strömen fließender Champagner, da braucht er wohl mal wieder bisschen Geld, muss wieder paar Konzerte mit den alten Liedern geben. Sollte da was dran sein? Ein Blick in seine Homepage zeigt, dass er nach wie vor als (nicht nur Film-) Komponist vielfältig aktiv ist, international konzertiert und sich für die (musikalische) Bildung von begabten, aber oft benachteiligten Roma engagiert.
Die Kulturarena ist allemal wieder ausverkauft, 3000 Menschen drängen sich auf dem Theatervorplatz. Das Konzert beginnt inmitten der Menschenmenge. Vier Blechbläser (2 Trompeten, 2 Tenorhörner) bahnen sich trompetend einen Weg zur Bühne, wo sie von ihrem Kollegen am Saxofon schon erwartet werden. Das einst bis zu 40-köpfige Weddings and Funerals Orchestra ist gehörig zusammengeschrumpft, was schon etwas an Sparzwänge denken lässt. (In der Ex-DDR hieß das in den 90ern "gesundschrumpfen".) Füllten die Musiker früher die gesamte Bühne aus, finden sie heute bequem in einer Reihe Platz. In der Mitte der Meister selbst - wie immer im blütenweißen Anzug - mit einer Art niedlicher E-Gitarre. Zu seiner Rechten ein junger Sänger und Trommler ganz in Schwarz. Darum schart sich die kleine Blaskapelle. Vom bulgarischen Frauenchor sind nur zwei folklorebunt geschmückte Matroschkas übriggeblieben, deren eine zur kunterbunten Balkantracht wunderbar trashig knallrote Turnschuhe mit weißen Schnürsenkeln trägt. Nun beginnt eine knapp zweistündige Balkandisko in gemäßigtem Tempo - wir werden alle nicht jünger - mit den altbekannten Hits. Der Sänger mit wohlklingender Stimme trommelt eher der Optik wegen - der Balkan-Diskobeat kommt aus der Konserve, leider. Was hätte es noch gebraucht? Ein Schlagzeug, Bass/Tuba, vielleicht noch einen weiteren Trommler? Zwischenzeitlich kommt es schon mal zu vorübergehenden Phasenverschiebungen zwischen den Musikern und dem Halbplayback. Der Stimmung im Publikum tut das keinen Abbruch - ich sehe viele glückliche Gesichter. Damit ist doch der Hauptzweck eines solchen Konzertes erfüllt! Leider sind nicht alle Konzertbesucher so entspannt; einer fühlt sich wohl arg bedrängt und meint sich durch kraftvolles Wegschubsen erwehren zu müssen - der von ihm herbeigerufene Sicherheitstroll sieht jedoch keine Veranlassung, einzugreifen, da die geschubsten "Bedränger" glücklicherweise fröhlich-friedlich bleiben.
Für mich wird es dann richtig schön, wenn der Diskobeat einmal innehält. Wenn die Sängerinnen solo oder im Duett anrührende Weisen anstimmen. Wenn ruhige, intime, nichtsdestoweniger groovende Stücke mit minimalistischer Begleitung auskommen. Und auch wenn die anarchistische Ausgelassenheit von einst ausbleibt, merkt man den anfangs (der anstrengenden Anreise wegen?) noch etwas müde wirkenden Musikern zunehmend ihre Spielfreude an, und im Publikum greift mehr und mehr Tanzlust um sich. Eine eigentliche Zugabe gibt es nicht, nach kurzer Vorstellung der Band wird einfach weitergespielt, und als die Musiker sich verabschieden, ist es auch schon 22 Uhr. Die Menge feiert Goran Bregovic, und er ist sichtlich gerührt.



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