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Wenzel und Band   28.04.2016   Jena, Volkshaus
von jmt

Überraschen kann Wenzel sein Publikum eigentlich nicht mehr. Man kennt seine Erscheinung, sein Auftreten, seine Musikalität, seinen beneidenswert virtuosen Umgang mit Sprache, seine politische Haltung, seinen Arbeitseifer, den Großteil seiner Lieder, seine Ansagen. Also keine Überraschung, wohl aber jedes Mal aufs Neue Staunen. Staunen darüber, dass ein einzelner Mensch so kreativ sein kann. Exzellenter Musiker, begnadeter Lyriker, Politkabarettist, Entertainer, Buchautor, Regisseur. Schöpfer enorm vieler wunderschöner lyrischer, kämpferischer, zeitlos aktueller, sehr eigener, fast immer mit etwas Wehmut versehener, oft sowohl textlich-inhaltlich als auch melodisch-harmonisch bizarr-schräger, aber nichtsdestoweniger eingängiger Lieder, festgehalten auf über 30 Platten. Liest er ein Gedicht, bei dem er sich grämt, dass er so was Schönes nicht selbst geschrieben hat, macht er eben ein Lied draus und es so zu etwas Eigenem. So vertonte er immer wieder Gedichte von Theodor Kramer und jüngst auch von Johannes R. Becher. Er übertrug die Lieder Woody Guthries ins Deutsche (nicht treu, sondern schön). Seine unterhaltsamen Ansagen sind kabarettistische Einlagen und kleine Kunstwerke für sich. Er spielt Gitarre ("'ne Woche geübt"), Klavier ("'ne Woche geübt") und Akkordeon ("'ne Woche geübt"). Er lässt sich durchaus auch etwas feiern - zuerst betreten seine Mitmusiker - Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger und Trompeter - die Bühne, beginnen zu spielen, dann erst tritt der Meister auf. Für "Halte dich von den Siegern fern, halte dich tapfer am Rand" kommt der 5jährige Theo, am Matrosenringelpullipartnerlook unschwer als Hans-Eckardt Wenzels Sohn zu erkennen, als Mitsänger auf die Bühne. Der Volkshaussaal ist voll, im Parkett kein einziger Platz mehr frei, auch die Balkonplätze gut besetzt. Dass so viele Menschen zu einem Wenzel-Konzert kommen, sollte doch in Zeiten von Pegida & Co. hoffnungsvoll stimmen. Nur kann Wenzel, wenn er zornig gegen "diese Fratzen" ansingt, sicher sein, dass er die Fratzen selbst damit nicht trifft. In seinen Konzerten sitzen die anderen, die, die sich von ihm gekonnt formuliert das bestätigen lassen, was sie selber schon denken. Wenzels Texte lassen die Gedanken schweifen, rühren die Gefühle auf. Die Musik bedient sich aus dem reichhaltigen Fundus, den die populären Musikstile des 20. Jahrhunderts zur Verfügung stellen, sie rockt und hat, teilweise im Kontrast zu den Inhalten, immer etwas Tänzerisches. Eigentlich schade, dass dies ein Sitzkonzert ist, aber so kann man natürlich konzentrierter den Texten lauschen. Zur ausgedehnten Zugaberunde singt dann auch noch mal Theo mit ("Was, du bist noch wach?"). Wenzels legendäres Herbstlied "Feinslieb, du lachst dazu" beendet als allerletzte Zugabe das einschließlich einer Pause fast dreistündige Konzert. Angefüllt mit beschwingter Melancholie, einigen Ohrwürmern und vielen Gedanken radle ich nach Hause.

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