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Kataklysm, Septicflesh, Aborted   09.01.2016   Leipzig, Hellraiser
von ta

Es ist der dritte Gig der Europa-Tournee und ein Abend der Frontmänner. Er beginnt nicht zu früh, sondern pünktlich um 20 Uhr (was beim Hellraiser keine Selbstverständlichkeit ist) mit Sven de Caluwé. Das ist der, der ständig seine Band austauscht. Das aktuelle Line-up von Aborted besteht nun in der Form auch erst seit 2014 und erweist sich hoffentlich als stabil, denn es ist überaus spielstark. Eine hervorragende Rhythmusabteilung aus Drummer Ken Bedene, der einen irrsinnigen Speedrausch fährt, und Bassist JB van der Wal, der übers Griffbrett frickelt und dabei seinen Bass durch die Gegend schleudert wie ein Stück Styropor, trifft auf eine vielseitige Gitarrenfraktion, die sich sowohl im Groove- als auch Melodiebereich als echte Bank beweist. Obendrauf thront natürlich Energiebündel Svencho selbst, dessen tiefe Growls schon immer eine Klasse für sich waren. Musikalisch bieten Aborted 40 Minuten die gewohnte Abrissbirne, bei der alle Alben und EPs seit "Goremageddon" gleichberechtigt berücksichtigt werden, von "Slaughter And Apparatus" und "Strychnine.231" abgesehen und mit dem Groover "Threading On Vermillion Deception" als einziger Verschnaufpause. Highlights: "Hecatomb" und "Origin Of Disease". Sehr energetischer Gig, wie seit einigen Jahren immer bei Aborted. Die Band ist live wirklich eine Bank. Im April soll übrigens ein neues Album kommen.

Spiros Antoniou muss aus einer "Zorro"-Verfilmung stammen. Der Frontmann von Septicflesh ist zwar Grieche, sieht aber aus wie ein spanischer Don des 19. Jahrhunderts und hat eine beeindruckende Bühnenpräsenz, die zwischen geheimnisvollem Geschichtenerzähler und Animateur schwankt. Seine dominant-verbrüdernde Art erinnert an den jungen Nergal (Behemoth) und ist ebenso sympathisch wie mitreißend, woran die gespielte Musik den kleineren Anteil hat. Septicflesh fahren nun schon seit 20 Jahren einen unverkennbaren und originellen Stil. Die Songs gleichen einem mythologischen Themenpark, dessen Figurenarsenal von Drachen über griechische und ägyptische Götter bis hin zu Vampiren reicht, um dann doch im christlich-abendländischen Deutungshorizont von Himmel und Hölle zu landen. Mir fehlt dem majestätisch Death Metal auf den Alben das Zwingende, live ist die Band aber ihres Charismas und der arschlangen Matten wegen ein echtes Erlebnis. Leider sind die für den Gesamtsound unerlässlichen Orchestersamples etwas zu leise abgemischt, dennoch kommt die dunkle Atmosphäre im Saal an, welche besonders von den überzeugenden Doom-Passagen herrührt. So gerät das durchweg langsame "Anubis" vom 2008er-Output "Communion" zum Höhepunkt eines Sets, das ansonsten von den Songs des jüngsten Albums "Titan" dominiert wird. Der Abgang spiegelt die Originalität der Band wider: Im Verlauf von "Prometheus" verlassen alle Bandmitglieder nach und nach die Bühne, bis Schlagzeuger Krimh allein zurückbleibt, welcher noch den Song beendet, um dann ebenfalls im Nebel zu verschwinden. Sehr überzeugende Vorstellung.

Der Laden ist rammelvoll, alle sind wegen Kataklysm erschienen und Maurizio Iacono ist ein Vollprofi. Der Mann hat sein Publikum im Griff, ohne dabei allzu routiniert rüberzukommen. Wenn er zum Bangen auffordert, fliegen die Matten reihenweise. Wenn er nach Crowdsurfern fragt, bekommt er welche. Sogar seine wippende Hand, die eigentlich aus dem Hip Hop stammt, passt irgendwie. Kataklysm anno 2016 funktionieren live einfach wie geölt. Dabei ist die Band zu Beginn des Gigs noch überraschend untight - insbesondere Maurizio selbst verschleppt diverse Gesangsrhythmen -, hat sich aber mit "As I Slither" gefangen und liefert die gewohnt durchgetriggerte Dampframme. Und es ist völlig klar, dass dieser Sound genau das ist, was die Band heute will und durch den sie sich selbst wahrnimmt. "Manipulator Of Souls" wird als "old song" ins Set eingeführt, steht aber auf "Epic" von 2001, dem immerhin bereits fünften Album. Weiter als bis dahin blicken Kataklysm anno 2016 nicht mehr zurück.
Im Set stehen viele Neulinge, darunter "Breaching The Asylum", "If I Was God" und "Soul Destroyer", neben Standards wie "The Ambassador Of Pain", "Push The Venom" oder "Where The Enemy Sleeps", mit "Open Scars" auch ein Song, den zumindest ich nicht unbedingt erwartet hätte, und als Zugaben "Iron Will" und "Elevate". Ein Lichtblick des Menschlichen im synthetischen Gebolze ist Schlagzeuger Olivier Beaudoin, der mehr Details in sein Spiel einbaut als seine beiden Vorgänger und damit die generell sehr detailarme Musik der Band etwas aufwertet. Jean-François Dagenais und Stéphane Barbe dagegen sind reine Riff- und Bangmaschinen - kann man natürlich auch mögen, finde ich in anderen Kontexten auch gut, hier verweist es mir zu sehr auf alles, was ich an Kataklysm nicht gut finde, Stichworte: maschinell, steril, gefühlskalt, stumpf. Aber da bin ich der einzige. Am Ende hat es mir der Club-Atmosphäre wegen zumindest besser gefallen als die vielen Festival-Auftritte, die ich von Kataklysm inzwischen gesehen habe. Und alle anderen fanden es eben richtig toll.



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