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Monomyth, Pyrior, Sojus 3000   18.12.2015   Jena, Kulturbahnhof
von rls

Zum Jahresabschlußkonzert der Cosmic-Dawn-Initiative im Kulturbahnhof landet zunächst eine sowjetische Raumkapsel namens Sojus 3000, der vier Musiker entsteigen, die sich augenzwinkernd als Lokalmatadore bezeichnen - sie kommen aus Ilmenau, sind also in der Tat diejenige der drei Bands mit dem kürzesten Anreiseweg. Das Quartett beginnt in der Besetzung Gitarre, nochmal Gitarre, Baß und Schlagzeug, aber dabei bleibt es nicht, denn der Bassist wechselt schon im zweiten Song ans Keyboard, und einer der Gitarristen mutiert zum Bassisten, wobei die beiden Tieftöner allerdings Instrumente unterschiedlicher Saitenanzahl bedienen. Das musikalische Ergebnis jedenfalls ist irgendwie als leichtfüßige, jedoch nicht abgehobene Spielart des Psychedelic Rock zu bezeichnen, wobei "leichtfüßig" keineswegs im Widerspruch zu einer gewissen Doomlastigkeit anzusehen ist. Wenn man die üblichen Neunziger-Holländer als Vergleichssubjekte heranzieht, haben Sojus 3000 durchaus mehr mit der melodischeren Zugangsvariante von Moon Of Sorrow zu tun als mit Phlebotomized, The Gathering oder gar Orphanage. Spannungsaufbau beherrschen sie jedenfalls gut, und dank eines glasklaren Sounds kann man ihre Ideen auch fast jederzeit nachverfolgen. Gesang gibt es von dem Quartett nicht, lediglich einige Sprachsamples, die zudem mit der Quintessenz enden, daß es dem Sprechenden egal sei, ob die Onkelz mal rechts gewesen seien - sie seien musikalisch sowieso irrelevant. Leider ist die Herleitung dieser These akustisch nicht durchgängig verständlich, daher die soeben vorgenommene Einschränkung "fast". Ein Cover steht laut Ansage ebenfalls im Set, aber der Rezensent erkennt es nicht, was dem generellen Unterhaltungswert des Gigs allerdings keinen Abbruch tut.
Pyrior reduzieren die Besetzung zum Trio und kommen aus Berlin (aus Berlin!), haben aber mit den populären Musikmedizinern wenig am Hut - statt dessen bekommt das willige Auditorium hier urlange Stonerrocktracks vorgesetzt, die zumindest an einigen wenigen Stellen mit Vokalbeiträgen ausstaffiert werden. Der bemützte Bassist steuert gelegentlich leicht angerauhte Gesänge bei, der Drummer hingegen ist für vereinzelte Einwürfe hysterisch schreiender Backingshouts zuständig. Insgesamt machen Pyrior deutlich mehr Tempo als Sojus 3000, aber die Kunst der spannungsaufbauenden Dynamik beherrschen sie in gleicher Manier, auch wenn Songtitel wie "Spheres" durchaus wörtlich zu nehmen sind. Bassist und Drummer sind zudem zum Scherzen aufgelegt, wie sie in den Ansagen beweisen, und auch Pyrior dürfen sich über ein sehr klares Klangbild freuen. Da verschmerzt man auch, daß ein Song wie "Winter Is Coming" "nur" im normalen Gestus der Band gehalten ist und nicht als Hommage an die legendären Amis Winter in Zeitlupe alles dem Erdboden gleichmacht.
Erfreulicherweise schaffen es auch diesmal alle Besucher, das Rauchverbot im Konzertsaal zu befolgen - die einzigen, die mal kurz davon abweichen, sind die Musiker von Monomyth, die auf dem Weg vom Backstageraum zur Bühne, der durchs Publikumsareal führt, bandintern noch ein glimmendes Objekt einer gewissen Größe herumreichen. Offensichtlich hat's geholfen, denn das Quintett liefert dann einen Set ab, der mit dem Terminus "dicht" beschrieben werden kann, und das ist in diesem Kontext positiv gemeint. Psychedelic Rock (nach Eigendefinition "Instrumental Space Kraut Stonerrock") steht auch hier auf der Tagesordnung, allerdings in einer interessanten Besetzung mit gleich zwei Keyboardern, von denen der eine normalerweise fürs Melodie- und Akkordspiel mit Piano- oder Hammondsounds zuständig ist, während der andere die Blubber- und Zischeffekte beisteuert, von denen es durchaus nicht wenige gibt, die allerdings nicht alles zudecken, sondern sinnvoll ihre girlandenartige Ausschmückung um die Songgerüste hängen, welche der Gitarrist, der Bassist, der Drummer und der Zweitkeyboarder aufbauen. Allerdings greift der eine der Keyboarder gelegentlich auch noch zu einem zusätzlichen Baß, was wiederum ganz eigene Klangkreationen ermöglicht. Gesang gibt es hier keinen, es steht nicht einmal ein Mikrofon für Ansagen da, und der Gig wird im wesentlichen ohne Pause durchgespielt. Als Instrumentalband kann man sich natürlich auch schöne schräge Songtitel einfallen lassen, und das tut das holländische Quintett mit "6EQUJ5 Undocking" oder "123AU Corridor" auch. Auch Monomyth dürfen sich über einen druckvollen, aber keineswegs überlauten, dabei aber schön klaren Sound freuen, allerdings braucht ihr Material, das sich noch kleinstufenweiser entwickelt als das der beiden Supportacts, ein wenig mehr Zeit, um zu zünden. Aber irgendwann legt sich bei immer mehr Besuchern ein Schalter um, und man beginnt, soweit Platz ist, fleißig das Tanzbein zu schwingen - auch vereinzelte Headbanger werden gesichtet. Die Gesamtspielzeit Monomyths liegt irgendwo jenseits der anderthalb Stunden, auch beide Vorbands haben schon recht lange gespielt, und kurz nach Geisterstundenende nimmt das Raumschiff schließlich alle wieder mit zurück in den Orbit. Bis nächstes Jahr! www.cosmic-dawn.de zeigt den Fahrplan.



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