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The Aristocrats   30.11.2015   Berlin, Kesselhaus
von CSB

Wer Steven Wilson schon mal live gesehen hat, wird kaum umhin gekommen sein, sich im Anschluss auch mit diesen unfassbar guten Musikern zu beschäftigen, die der Meister da um sich geschart hat. Guthrie Govan ist einer dieser Gitarristen, die auch einem Nicht-Musiker die Tränen in die Augen treiben. Immerhin hat er es mit seiner Spielkunst geschafft, ausufernde Soli ins Wilsonsche Werk einzubringen, die dennoch zu keinem Zeitpunkt technisch oder darstellerisch wirken. Und Marco Minnemann als einer der profiliertesten Drummer seiner Zunft ist auch live ein Erlebnis mit seiner ungeheuer dynamischen Spielfreude und exorbitantem technischen Können. Diese beiden und ihr Bruder im Geiste, Brian Heller (u.a. Joe Satriani, James LaBrie, Steve Vai) fanden sich 2011 auf einer renommierten Musikmesse zusammen. Govan war damals allerdings nur Ersatz für Greg Howe, der kurzfristig absagen musste. Man probte genau einmal, ging mit wohl eher flauem Gefühl auf die Bühne und begeisterte restlos. Die Chemie schien zu stimmen und so waren die Aristocrats geboren.
Inzwischen ist man bereits bei Album Nummero drei, "Tres Caballeros", angekommen und auf dem besten Wege, sich als ganz große Nummer im Bereich der Instrumentalmusik/Fusion Rock zu etablieren.
Das Kesselhaus ist an diesem Abend trotz durchaus stolzen Eintrittspreisen brechend voll und hatte ich vor dem Gig noch kleinere Bedenken, ob mir ein ganzer Abend instrumentalen Fusion Rocks eigentlich überhaupt Freude bereiten würde, ist dieser kleine Restzweifel schon beim Opener "Stupid 7" verflogen. Das Trio ist die fleischgewordene Spielfreude, die Songs mitreißend und vereinnahmend und der Sound bombastisch gut! Insbesondere die neuen Sachen kommen mit ihrem Westernsound und insbesondere den Steel-Guitar-Elementen von Govan super an ...
Aber die Aristocrats schaffen es auch zwischen den Songs für allerbeste Unterhaltung zu sorgen. Das liegt zum einen an den Geschichten, die die Inspiration für die Stücke darstellen und sich in ihrer Irrwitzigkeit immer weiter steigern. Da ist zum einen die angeblich wahre Story, wie Mr. Minnemann (der in Kalifornien lebt und sich ziemlich auf die deutsche Sprache konzentrieren muss ...) unbekümmert trotz Sturmwarnung mit seinem Auto unterwegs ist und sich plötzlich von einem enormen Wirbelsturm konfrontiert und verfolgt sehen muss ("Desert Tornado"). Den "Vogel" aber schießt schließlich Guthrie Govan mit wunderbarstem britischem Akzent ab, der von einem "most unpleasant incident" zu berichten weiß, die sich um Pferdekadaver fressende Vögel dreht, die sich daraufhin über einer Ortschaft in Kentucky erleichtern, was die Einwohner für ein Wunder Gottes halten und dankbar zulangen ("Kentucky Meat Shower").
Bei "Smugglers Coridor" gibt es sogar eine Gesangseinlage, die allerdings komplett vom Publikum übernommen werden muss, da man ja schließlich eine Instrumental-Band sei, wie Brian Heller äußerst wortreich erläutert. Dabei wird das Experiment gewagt, ob die wenigen anwesenden Damen ("Wir sind eine Instrumentalband, da kommen kaum Frauen ...") den Herren stimmlich Paroli bieten, und siehe da - sie schlagen sich äußerst achtbar.
"Living The Dream" beschließt den regulären Set und auch hier gibt es noch einmal eine bemerkenswerte Einlage. Zum Songende legen die "Tres Caballeros" ihre Instrumente zur Seite und greifen stattdessen zu Gummitierchen, denen sie rhythmisch höchst ansprechend die exotischsten Sounds entlocken ... Großartig!!
Die Zugabe stellt Marco Minnemann dem Publikum schließlich frei, wobei die Wahl auf "Blues Fuckers" fällt. Ebenso lässt er demokratisch entscheiden, mit welchem Teil seines Schlagzeuges der Song eröffnet werden soll, was die Enthusiasten im Publikum natürlich lautstark auf den Plan ruft.
Nach guten 70 Minuten ist Schluss und im Traum hätte ich nicht gedacht, bei einem Instrumentalkonzert derart grandios unterhalten werden zu können. Sowohl technisch-instrumental als auch in Sachen Entertainment liefert dieses Trio eine Sternstunde ab. Diese technisch wohl nicht limitierten Weltklassemusiker schaffen das Kunststück, hochkomplexe Songs live perfekt darzubieten, dabei aber zugänglich zu bleiben und sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Das Ergebnis ist ein wunderbar erfrischendes Liveerlebnis. Klare Empfehlung!

Setlist:
1. Stupid 7
2. Jack's Back
3. Texas Crazypants
4. Pressure Relief
5. Culture Clash
6. Louisvolle Stomp
7. Pigs Stay Off
8. Desert Tornado
9. Smugglers Corridor
10. Kentucky Meat Shower
11. Living The Dream
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12. Blues Fuckers



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