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Mainpoint, Ember Sea   19.09.2015   Leipzig, Bandhaus
von rls

Broken Hand Charity müssen absagen, weil sich ihr Sänger, nein, nicht die Hand gebrochen, sondern eine Magen-Darm-Grippe eingefangen hat - ergo verlängern die beiden anderen Bands ihre Sets etwas. Als Ember Sea beginnen, ist der Saal noch gähnend leer, aber es finden sich bald doch etliche Zuhörer ein, die den Melodic Metal der Hannoveraner zu goutieren wissen. Selbige verfügen über eine niedliche dunkelhaarige Sängerin, die zwar selbst mit Absatzschuhen noch zu den physisch Kleinen zu rechnen ist, stimmlich aber Großes bietet und in einigen Lagen wohlige Erinnerungen an die besten Zeiten Anneke van Giersbergens hervorruft. Und überhaupt gehen Ember Sea als Ergebnis des Gedankenexperiments durch, The Gathering hätten sich nach "Mandylion" in Richtung klassischen Melodic Metals weiterentwickelt. Das soll ausdrücklich als Kompliment verstanden werden - das Quintett, von dem man zwei Fünftel, nämlich den Keyboarder und den Bassisten, bereits von Human Fortress kennen könnte, liefert abwechslungsreiche, aber trotzdem problemlos nachvollziehbare Stücke ab, auch wenn in puncto Dramatik hier und da noch Luft nach oben ist. Das wissen Ember Sea auch selbst und haben daher das neue, noch unkonservierte Stück "In Temptation" im Set, das den Drummer teilweise an die Obergrenze des für diese Art Musik sinnvoll einsetzbaren Tempos schickt, aber die gewohnte Vielfalt trotzdem nicht vermissen läßt. Im anderen neuen Stück "Mirror Minded" fallen im Break nach dem Solo plötzlich die Keyboards aus, und es erklingt ... richtig, Stille, da der Keyboarder planmäßig diese Stelle im Alleingang zu bestreiten hat. Die anderen vier Mitglieder bringen das Stück nach einem Moment allgemeiner Verwirrung ohne ihren Tastenmann zu Ende, und der technische Fehler kann dann auch gefunden und ausgemerzt werden. Leider ist der Sound allgemein einen Deut zu verwaschen ausgefallen, so daß gerade die Keyboards oftmals etwas im Nirwana landen und auch die Bewertung der dreistimmigen Backingvocals einem Hörtest unter anderen Bedingungen vorbehalten bleiben muß - das, was sich vernehmen läßt, klingt jedenfalls recht vielversprechend. Ember Sea beschließen ihren vom kopfzahlmäßig überschaubaren Publikum fleißig beklatschten Gig mit einer Coverversion und legen als Zugabe "Dreh dich" nach, ihren einzigen deutsch betexteten Song, der allerdings irgendwie ein wenig bemüht klingt - da sind Songs wie "The Storm" doch von anderem Kaliber. Sollte man im Auge behalten, das Quintett.
Etwas aus dem Auge verloren hatte der Rezensent hingegen Mainpoint, deren aktuellstes Werk in seinen Beständen immerhin von der Jahrtausendwende stammt und auf den Titel "Heaven/Earth" hört. Die Rostocker hatten vor Jahresfrist schon mal an gleicher Stelle gespielt und waren dem Vernehmen nach sehr gut angekommen - von daher erscheint der geringe Publikumszuspruch äußerst merkwürdig, zumal sie stilistisch perfekt in die Stadt des Wave Gotik Treffens passen: Sie spielen nach wie vor angedüsterten Metal, allerdings solchen der eher kompakteren und flotteren Art, und der Fokus liegt eindeutig auf dem Metal, auch wenn die Keyboards häufig Leitthemen einwerfen, die die beiden Gitarristen dann übernehmen und weiterentwickeln. Das liest sich jetzt allerdings interessanter, als es anhand des Liveeindrucks eigentlich ist - Mainpoint machen ihre Sache nicht schlecht, aber richtig zu begeistern wissen sie auch nicht, und ihre weitgehende Unauffälligkeit durch irgendwie überhaupt nicht ins Gesamtbild passende Merkwürdigkeiten wie "Ave Satani" kompensieren zu wollen ist irgendwie auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Tiefe entwickelt das Quintett immer dann, wenn es das Tempo rausnimmt und den Sänger im Stil von Peter Steele singen läßt - durch die stärkere metallische Orientierung entsteht dann das interessante Bild einer härteren Variante von Type O Negative, aber diese Chance nutzen Mainpoint eher selten, obwohl der besagte Sänger auch noch von der Optik her ein Bruder Steeles sein könnte (und ein skurriles Bild abgibt, wenn er neben der winzigen Keyboarderin steht - Leipzig-Szene-Kenner erinnern sich an die beiden Nitrolyt-Gitarristen). Immerhin ist der Sound, nachdem die anfangs zu lauten Drums etwas heruntergeregelt worden sind, sehr klar und ermöglicht, alle Bestandteile des Mainpoint-Sounds problemlos mitzuverfolgen, und so geht der musikalische Teil des von vereinzelten Enthusiasten ziemlich abgefeierten Gigs noch als durchaus annehmbar, wenngleich keine Bäume ausreißend durch. Dafür nervt das endlose und mehr oder weniger sinnfreie Gelaber zwischen den Songs arg - daß der Sänger durchaus ein Händchen für treffsicheren trockenen Humor besitzt, stellt er an einigen wenigen Stellen unter Beweis, selbst wenn der Witz, schnelle Songs als Balladen anzukündigen, beim zweiten Mal ("Goldrush", einer der stärkeren Songs im Set) auch schon an Wirkung verliert. Für weitere atmosphärische Störungen sorgen die anwesenden Nikotinkranken, und da sich schlechte Beispiele bekanntlich immer schnell verbreiten, mißachtet irgendwann mehr als die Hälfte des Publikums das Rauchverbot und peinigt die Nichtraucher im Saal. Hier muß sich die das Bandhaus betreibende Bandcommunity dringend etwas einfallen lassen, um diesen unhaltbaren Zustand in den Griff zu bekommen.



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