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Malstrom   29.08.2015   Windischleuba, Wasserwerk
von rls

Anno 2014 feierte ein Gemeinschaftsprojekt des Jazzklubs Altenburg mit einem ortsansässigen Metallbauer Premiere: Letzterer nutzt Räumlichkeiten in einem stillgelegten Wasserwerk südlich von Windischleuba in der Pleißenaue, und in ebenjenen stellte eine Handvoll regionaler Künstler verschiedener Sparten einige ihrer Werke aus, während sich der Jazzklub um die musikalische Komponente der Veranstaltung kümmerte. Diese happeningartige Veranstaltung kam bei allen Beteiligten außer dem Ordnungsamt prima an, und so beschloß man, 2015 einen zweiten Teil folgen zu lassen. In der Zwischenzeit hatte der Metallbauer die Räumlichkeiten etwas umgestaltet und zur großen Veranstaltungshalle noch einen weiteren Zugang und damit einen potentiellen Fluchtweg geschaffen, was auch das Ordnungsamt zufriedenstellte.
Das angenehm warme letzte Augustwochenende gibt auch von den äußeren Rahmenbedingungen her alles, und so findet sich zur Zweitauflage, die gleichzeitig als Eröffnungsveranstaltung des 25. Jahrgangs des Altenburger Jazzherbstes fungiert, eine ansehnliche Publikumskopfzahl ein. Zu sehen sind diesmal Werke von 13 Künstlern (vom klassischen Ölgemälde bis zur Installation jahrzehntealter Glühlampen), und für den musikalischen Teil sorgen Malstrom, die in der Ankündigung als "ein Heavy-Metal-Hardrock-Freejazz-Experiment unter Starkstrom" (ein Zitat aus der Passauer Neuen Presse zur Verleihung des Burghausener Jazznachwuchspreises, wie sich herausstellt) beschrieben werden. Aha. Nach dem Opener "Malstrom", zugleich Titeltrack der Debüt-CD, ist man schlauer und doch auch wieder nicht. Auf der Bühne agieren ein Saxophonist, ein Gitarrist und ein Drummer - aha, kein Bassist also, es sei denn, der Gitarrist (Optik: Billy Gibbons meets Johan Hegg plus Dutt) verwandelt sich in einen solchen, was er immer mal tut, da ihm sein Achtsaiter (!) die mannigfaltigsten Möglichkeiten bietet. Die werden allerdings in der grundsätzlichen Klangvielfalt der Truppe auch gebraucht, denn auch der Drummer hat neben dem normalen Kit einige außergewöhnliche Schlaginstrumente in petto, und der Saxer benutzt nicht nur sein Instrument als Ganzes, sondern auch lediglich Teile von ihm, er dämpft die Klänge oder verzerrt sie, er spielt bisweilen auch auf einem Wasserschlauch oder schlägt einfach gegen das Sax-Mikrofon. Daß eine solche Truppe keinen Geradeaushardrock oder klassischen Swing spielt, ist klar, und so erinnert das Ergebnis irgendwie an eine Mixtur aus Van der Graaf Generator und Meshuggah, allerdings ohne Vocals. Die drei Bandmitglieder wohnen auf einer Achse Köln-Osnabrück-Bremen, und aus zweitgenanntem Ort kamen auch Deterrent, die in den Spätachtzigern und Frühneunzigern die Metaller mit ihrem Jazzmetal nachhaltig verstörten - sollte da der aus Osnabrück kommende Drummer und Hauptsongwriter gewisse lokale Einflüsse aufgesogen haben? Aber egal wie: Malstrom beweisen, daß sie durchaus markante Themen schreiben können, wenn sie den Hörer mal nicht mit Notenkaskaden bewerfen wollen, und Saxer Salim kündigt den betreffenden Track "Ach komm schon, Claudia" an Position 2 spitzbübisch auch gleich als "Sommerhit" an, der natürlich nicht lange am Hauptthema (das freilich auch schon recht ausgedehnt ist) haftenbleibt, sondern sich schnell wieder ins gewohnte Bild setzt, wobei Malstrom nicht den Fehler begehen, den Hörer einfach nur zuzulärmen, sondern ein gutes Händchen für wirkungsvolle Dynamik offenbaren, die durchaus auch mal in der Nähe des akustischen Stillstandes landet. Als Instrumentalband kann man sich darüber hinaus natürlich auch bei den Songtiteln austoben - in den zwei Sets dieses Abends erklingen u.a. "Wart ihr schon mal auf einer Bobbahn?", "Ein Monchichi geht niemals zum Frisör, Part I" und der Oberbrüller "Ich hatte mal ein Kissen, auf dem stand 'Es gibt nur einen Gott - Belafarinrod'", alle drei übrigens vom Drummer komponiert und letzteres einem anderen, schon geringfügig bekannteren Trio gewidmet (Aufgabe an alle Die-Hard-Ärzte-Fans: Finde alle Zitate bzw. Anspielungen!). An Selbstbewußtsein mangelt es Malstrom offensichtlich nicht, an Gefühl auch nicht (prima Beispiel: das wabernde Intro der Ärzte-Hommage), an Spielfreude, Einfallsreichtum und Improvisationsvermögen gleichfalls nicht - für letzteres spricht die Tatsache, daß gleich mehrere Improvisationen erklingen, von denen diejenige, die den ersten Set abschließt, kurzerhand "Das Wasserwerk" getauft wird, mit mancherlei Klangeffekten, die an sprudelndes Wasser erinnern, aufwartet, sich strukturell nicht von den "auskomponierten" Stücken unterscheidet und in den anstehenden Aufnahmen zum nächsten Album problemlos 1:1 übernommen werden könnte. Das Publikum zeigt sich vom Dargebotenen hellauf begeistert (zumal aufgrund des sauberen Klangbildes auch alle Einzelheiten problemlos wahrnehmbar sind), die Band freut sich über die Reaktionen und erfüllt daher auch den Publikumswunsch, als Zugabe, anstatt zwischen "Ein Monchichi geht niemals zum Friseur, Part II" und einem Christina-Aguilera-Cover wählen zu müssen, beide Stücke zu hören, gerne. Freilich: Wer schon mit Tann im Dezember 2014 überfordert war, der wird mit Malstrom erst recht keine Freundschaft schließen - aber falls solche Menschen anwesend waren, hatten diese ja immer noch die Möglichkeit, sich die Kunstwerke anzusehen oder die laue Sommernacht am Grill zu verbringen. Insofern ein rundum gelungener Abend - seine weitere akustische Untermalung durch das DJ-Team Höhlermusic findet dann ohne den Rezensenten statt.



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