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Mimosis, Nephilim, The Last Hangmen   21.03.2015   Leipzig, Bandhaus
von rls

Doppelter Frühlingsanfang im Bandhaus: Konnte man am Vorabend zu Ska-Klängen das Tanzbein schwingen, so dienen an diesem Abend metallische Klänge zu diesem Zweck oder auch anderen Bewegungsmustern, z.B. Headbangen. The Last Hangmen, die den Konzertabend eröffnen, haben vier Langhaarige in der Stammbesetzung (alle außer dem Drummer), und diese lassen ihre Haarpracht dann auch fleißig kreisen, obwohl der melodische Death Metal, den das Quintett fabriziert, durchaus auch spieltechnisch größere Aufmerksamkeit erfordert und gerade die ersten drei Songs, die auch noch am Stück gespielt werden, diesbezüglich ziemlich fordernd ausfallen - die Polyrhythmik, die Drummer Ronny hier und da abspult, bildet da nur die Spitze des Eisberges. Ein Hypocrisy-Cover an Position 4 bildet den mit Abstand geradlinigsten Song des aus acht Werken bestehenden Sets, leitet allerdings auch eine kleine Wende ein, denn The Last Hangmen haben ihre zumindest etwas eingängigeren und auch für den Normalsterblichen nachvollziehbareren Songs in der hinteren Sethälfte komprimiert, und das gleichfalls recht geradlinige "Greetings" mit seinem langen Doomoutro bildet an Position 5 den Anfang dieses Blocks, wobei die Dresdner aber auch für den ersten Songblock schon viel Applaus seitens des kundigen Publikums geerntet haben. Der melodische Death Metal der Band erinnert nach wie vor an die ganz alte Schule dieses Stils (At The Gates & Co.), und das halbhohe Gebrüll des Sängers paßt da auch perfekt dazu. Selbiger Mann erledigt auch die Publikumskommunikation souverän und punktet mit Ansagen wie "Wenn wir Metallica wären, wäre das unser 'Smoke On The Water'" vor "Little Ease", das an Position 7 zugleich den letzten Song von Ronny darstellt, der die Band bereits vor geraumer Zeit verlassen hat und nur noch für die Einarbeitungsperiode seines Nachfolgers Frank (auch bei Deadend In Venice aktiv) zur Verfügung steht. Selbiger klemmt sich dann für den Setcloser "Sleep Tight" (auch geradezu unverschämt eingängig, das Hauptgitarrenlick) hinters Kit und beweist, daß er ein würdiger Ersatz zu werden verspricht. Bereits das Hypocrisy-Cover hatte gleichfalls eine andere Besetzung am Werk gesehen, nämlich mit Ex-Bassist Jason an den vier Saiten. The Last Hangmen gehen im Gesamtbild als Prototyp einer Metal-Undergroundband durch: fast alles Langhaarige, die zudem noch fast alle (außer dem Bassisten) Shirts von anderen Undergroundbands tragen - das ergibt eine sympathische Mischung, die auch dem Publikum gefällt.
Nephilim haben unlängst ein neues Album namens "Erwachen" an den Start gebracht und nutzen die Gelegenheit natürlich, dessen Material ausführlich vorzustellen. Die Zwickauer frönen dabei einem Stil, der vor anderthalb Dekaden en vogue war, mittlerweile aber weitgehend ausgestorben erscheint, nämlich der mit Keyboards, viel Melodik und weiblichem Gesang angereicherten Black-/Death-Metal-Variante, die man weiland als Dark Metal eher schwammig zu umschreiben pflegte und die beispielsweise von Graveworm in Perfektion dargeboten wurde. Im Gegensatz zu diesen Südtirolern singen Nephilim allerdings in Deutsch, was man freilich nur anhand Christians Ansagen ergründen kann, da er sich vokal einem recht herben Gekreisch befleißigt, das die Textverständlichkeit auf die wenigen Einfälle seiner Duettpartnerin reduziert, welche man dafür mit ihrem Keyboardspiel im sonst recht transparenten Soundgewand nur selten wahrnehmen kann. So bleibt an diesem Abend ein wohl eher härterer Eindruck der Musik zurück als in der Konservenfassung, die der Rezensent bisher nicht kennt, aber auf Youtube definitiv mal anchecken wird, denn dort wird das Video zu "Ein Sturm zieht auf" sicherlich zu finden sein. Selbiger Song, gleich an Position 2 auf der Setlist, macht allerdings auch ein kleines Problem deutlich: Christian macht eine dramatische Ansage, die mit dem Songtitel endet, aber dann dauert es noch längere Zeit, bis der Song eingezählt wird, so daß ein Spaßvogel im Publikum mit dem Einwurf "Wann denn?" den Nagel auf den Kopf trifft. Und auch arrangementseitig führt mancher Einfall ins Leere, wenn ein Song plötzlich zu Ende ist, obwohl gerade der Part zuvor eine dramaturgische Steigerung vorbereitet hatte. Aber solche Problemfälle (die sich vielleicht beim häufigeren Hören auch noch reduzieren) bleiben selten, und es überwiegen eindeutig die positiven Eindrücke. Den Titeltrack kündigt Labertasche Christian als "Ballade" an, und tatsächlich geht es anfangs hier eher dezent zur Sache, bevor sich dann doch noch eine bandtypische vielschichtige, aber grundsätzlich eher schnelle Komposition entwickelt. "Ein neuer Tag" sei ein Experiment, in das die Band so viele Hürden wie nur möglich eingebaut habe, lautet eine andere Ansage, aber abgesehen davon, daß das Intro dreimal angespielt werden muß, nimmt das Sextett die weiteren Hürden zumindest so problemlos, daß dem Nichtkenner des Materials etwaige umgeworfene Hürden nicht aufgefallen sein dürften. "Aufbruch" beendet einen interessanten Set, aber das feierfreudige Publikum, in dem sich übrigens eine auffällig große Anzahl weiblicher Wesen tummelt, fordert noch zwei Zugaben ein.
Mimosis bauen ihren Set ähnlich wie The Last Hangmen auf: Die ersten Songs bieten extrem komplexen Death Metal der Marke Necrophagist, Obscura oder Pestilence, dessen Melodik durch starke Unzugänglichkeit glänzt und der beim mit dem Material nicht vertrauten Hörer zwar Hochachtung vor den technischen Fähigkeiten der Musiker, aber wenig emotionale Bindung hervorruft. Das beginnt sich mit "Protection" an Setposition 4 zu ändern, denn obwohl die Technikkante weiterhin erhalten bleibt und ein Teil der Melodik an klassische Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erinnert, so gehen Mimosis ab da doch ein klein wenig geradliniger zu Werke und gestalten auch den anderen Teil der Melodien zumindest ansatzweise zugänglicher - und schon werden sie richtig faszinierend, denn dazu tritt noch ein Sänger, der völlig harmlos und durchschnittlich (und kurzhaarig) aussieht, aber vom dominierenden deathmetallischen Gebrüll über hohes Gekreisch und numetalkompatible Gesänge bis zu zwei verschiedenen powermetallischen Stimmlagen (die eine rauh, die andere klar und hoch) alles drauf hat (auch wenn die ganz hohen Sirenengesänge noch leicht wackeln) und im Verlaufe des Sets diese Vielfalt immer, ähem, vielfältiger einsetzt, was dann bis zum epicdoomig leidenden Ausdruck reicht. Passend dazu nehmen auch die traditionsmetallischen Einflüsse in den letzten Songs weiter zu, und Mimosis werden so beispielsweise auch für Anhänger von Into Eternity definitiv interessant. "Kashmir" stellt dabei kein Led-Zeppelin-Cover dar, aber es wäre durchaus nicht uninteressant, was das Quintett aus diesem Song machen würde. Der relativ klare Sound ermöglicht es, die technischen Kabinettstückchen nicht nur interessiert zu betrachten, sondern auch akustisch zu genießen (daß beide Gitarristen und zudem noch der Bassist längere Passagen per Tapping spielen, hat der Rezensent so auch noch nicht gesehen), und das Publikum dünnt sich zwar etwas aus, aber die Dableibenden sind hörbar angetan und fordern nach dem Closer "Falling" ebenfalls noch zwei Zugaben ein.



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