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7. Dresdner Gospelfest   28.02.2015   Dresden, Staatsoperette
von rls

Kontinuierliche Aufbauarbeit zahlt sich bisweilen aus: Thomas Stelzer und seine Gospel Crew sind in der Folge der Dresdner Gospelfeste mittlerweile bei der Ordnungszahl 7 angekommen, und erstmals in der Geschichte dieser Veranstaltungsreihe vermeldet die Staatsoperette den "Ausverkauft"-Status, und das nicht etwa nur knapp, sondern noch mit einer größeren Anzahl von Nachfragen, die nicht mehr befriedigt werden können (und einige Unverdrossene, die auf etwa nicht abgeholte reservierte Karten hoffen, warten geduldig vor der Abendkasse). Das Publikumsspektrum zwischen 18 und 80 beweist eindrucksvoll die integrative Kraft des Black Gospel, und auch die Schwellenangst desjenigen Teils des Publikums, der sonst nicht zum üblichen Besucherkreis einer Einrichtung wie der Staatsoperette gehört, scheint sich in überschaubaren Grenzen gehalten zu haben.
Ein Grund, wieso ausgerechnet dieser für ein Gospelfest eher ungewöhnlich anmutende Veranstaltungsort gewählt wurde, könnte die Größe der Bühne gewesen sein. Die läßt sich nämlich problemlos in zwei Komplexe untergliedern, was zeitaufwendige Umbauarbeiten zwischen "Vorband" und "Hauptact" unnötig macht. Den Auftakt bestreitet der Hauptact, also die Thomas Stelzer Gospel Crew, in traditioneller Weise selbst, und zwar auf der vom Publikum aus gesehen linken Bühnenhälfte, auf der außen Stelzer am Keyboard sitzt, neben ihm die Rhythmusgruppe Platz gefunden hat und hinten der Chor aufgereiht ist. Das flotte "Travellin' Shoes" eröffnet den Abend und leitet über zum groovigeren "Seven" - die Ordnungszahl nicht nur des diesmaligen Gospelfestes, sondern auch diejenige des aktuellen Albums der Gospel Crew und konsequenterweise gleich zu dessen Titeltrack erkoren.
Solcherart aufgewärmt, bekommt das Publikum im Anschluß auf der anderen Bühnenseite den Voicepoint Choir samt Band vorgesetzt. Stammzuschauer kennen die Formation bereits - die Chemnitz-Umland-Bewohner sind bereits zum dritten Mal als "Vorband" dabei, und der Rezensent hat sie nach langer Zeit justament zwei Monate zuvor auch gerade erst mal wieder live erlebt, damals mit dem Weihnachtsprogramm. Diesmal, mitten in der Fastenzeit, gibt's natürlich ein ganz anderes Programm, eröffnet mit dem flotten "Blessings Of Abraham" und dem brandneuen "Lord Of All", das an diesem Abend seine Livepremiere feiert. Die Harmonisierung sowohl des Intros des Openers als auch der Bridges des zweitgenannten Songs verdeutlicht die Artrock-Wurzeln von Chefdenker Michael Fröhlich (Keyboard, Gesang); da schimmert bisweilen doch noch der eine oder andere Sunrise-Einfluß durch, von denen außer ihm mit seiner Frau Conny (Gesang) und Gitarrist Mario Herold noch zwei weitere Altmitglieder auf der Bühne stehen. Aber auch der "Rest" vollbringt gute Leistungen: Im Spiritual-Medley etwa tritt Hammondorganist Carsten aus seiner Ecke nach vorn ans Leadmikro und läßt mit seiner ultratiefen Baßstimme so einige Kinnladen im Publikum gen Fußboden klappen, was Deborah Fröhlich im vielschichtigen "John The Revelator" kurze Zeit später noch ein weiteres Mal gelingt - hier wächst eine der besten Stimmen Sachsens im Jazzfach heran! Tosender Applaus belohnt sie für diese Leistung - aber da ist ja auch noch Conny, die im Setcloser "This Is The Lord's Doing" (bekannt vom Oslo Gospel Choir) eine anders geartete, aber gleichfalls sehr starke und expressive Vocalperformance an den Tag legt. Voicepoint haben ihren eigenen Soundmenschen dabei, und abgesehen davon, daß man Mario manchmal spielen sieht, aber nicht spielen hört und Carsten hinten in seiner Ecke auch akustisch bisweilen etwas verborgen bleibt, bekommt er für die schwer abzumischende Besetzung ein durchaus gutes Klangbild hin. "It's All Done" wird als Zugabe ausgepackt, und als kleine Steigerungsoption bleibt noch Connys etwas zu zurückhaltende Moderation.
Wie man das packender hinbekommt, dafür liefert Thomas Stelzer himself an diesem Abend Anschauungsunterricht (wunderbarer Running Gag: der charmant verpackte Werbeblock für den Wasser-Sponsor). Nach der Pause übernimmt er zunächst wieder mit der Gospel-Crew-Stammbesetzung für "Row Jordan Row" und "Take The High Road", und nachdem "Stand By Me" zunächst in der "Normalform" mit Nicole als Leadsängerin angespielt wird, betritt während dieses Songs der erste der Gäste die Bühne: Reverend Alex Exson aus Chicago, offensichtlich nur echt mit Sonnenbrille. Der Mann versteht sein sängerisches Handwerk und rechtfertigt seine herausgehobene Rolle problemlos, auch wenn ihm der Mixer noch ein wenig mehr Präsenz am Frontmikrofon hätte gönnen dürfen. Sein Set beinhaltet interessanterweise ein von den gängigen Gospelstandards völlig freies Programm: Schon "Stand By Me" kennt man eher aus anderen Kontexten, was auch auf Ben Harpers "We Can't End This Way" zutrifft, und nach der seinen Programmblock abschließenden Ray-Charles-Nummer tobt der Saal, obwohl Exson seine eindringlichste Performance bereits zuvor abgeliefert hat, nämlich im langsamen und enorm intensiv dargebotenen "God Will Take Care". Optisches Phänomen am Rande: Wäre Stelzer von dunkler Hautfarbe, man könnte seinen und Exsons Kopf austauschen, ohne daß viele Menschen das bemerken würden ...
Solche Möglichkeiten gibt es beim zweiten Stargast nicht: Mama Bay aus New Orleans ist optisch sowas wie Tina Turner zum Quadrat, spricht etwas Deutsch, auch mit Stelzer auf der Bühne, während der in Englisch antwortet (hochgradig skurril), und weiß besonders dann stimmlich zu überzeugen, wenn sie ganz unten in den Tiefen wühlt, und das tut sie in "Lay My Burden Down" oder "Nobody Knows The Trouble I've Seen" durchaus nicht selten. In "Old Time Religion" wiederum richten sich die Augen nach links hinten, wo Stelzers Onkel Norbert, vor einem Vierteljahrhundert Gründungsmitglied der Gospel Crew, sich zu den Baßstimmen gesellt und dabei beweist, daß man einen Gehstock auch als Rhythmusinstrument gebrauchen kann. Das große Finale des Sets nach etwa zwei Stunden Netto-Gesamtspielzeit wird dramaturgisch geschickt schrittweise aufgebaut: Im großen Medley aus "Down By The Riverside", "Oh When The Saints" und "Let It Shine" kommen zunächst Exson und dann die Voicepointler wieder auf die Bühne (letztgenannte allerdings nur in Sanges-, nicht in Instrumentalistenfunktion), und die Zugabe "This Train Is Bound For Glory" bestreiten dann gleich alle gemeinsam. Das Publikum zeigt sich hochgradig begeistert und nimmt auch die Ankündigung, es werde am 28.8. auch ein 8. Dresdner Gospelfest in der Staatsoperette geben, mit viel Applaus auf (auch wenn dann vermutlich ein New-Orleans-kompatibles Raumklima im Saal herrschen wird). www.thomasstelzer.de hält alle Interessenten auf dem laufenden.



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