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Echoes   28.06.2014  Rochlitz, Seidelbruch
von rls

"Performance zum Stein" nennt sich seit einigen Jahren eine Subserie innerhalb des Mittelsächsischen Kultursommers, die einen recht eigentümlichen Veranstaltungsort bespielt: den Seidelbruch, einen ehemaligen Porphyrsteinbruch auf dem Rochlitzer Berg. Das Ambiente darf zweifellos als außergewöhnlich bezeichnet werden, und so nimmt das Veranstalterteam einen relativ großen logistischen Aufwand in Kauf, um dort, so die Eigendefinition, "multimediale Performances" anbieten zu können. Da keinerlei Infrastruktur vorhanden ist, muß der Bauhof der Stadt Rochlitz jedes Jahr alles neu herrichten (und hinterher wieder abbauen!), von der Bühne über die diversen Stände bis hin zu den Absperrungen, damit niemand irgendwo einen Abhang hinunterfällt. Was es ebenfalls nicht gibt, sind Parkplätze, und so wird von einem zentralen Parkplatz in Rochlitz aus ein kostenloser Bus-Shuttle auf den Berg und nachts auch wieder zurück organisiert. Um diesen Aufwand für gerade mal zwei Veranstaltungen zu rechtfertigen, ist natürlich ein entsprechender Zuspruch des Publikums vonnöten - aber an dem mangelt es zumindest anno 2014 am zweiten Tag nicht: Das Gelände ist gut ge-, angenehmerweise aber nicht überfüllt. Zudem ist eine große Gefahr, die bei vergangenen Kultursommerveranstaltungen im Raum schwebte, weitgehend gebannt: Bierzeltbänke gliedern zumindest einen Teil des Areals so, daß die Besucher trotzdem noch einigermaßen unbehelligt hin- und hergehen können, und erstaunlicherweise schaffen es auch die Besucher, die ihre eigenen Sitzgelegenheiten dabeihaben (es wurde wie üblich vorher bekanntgegeben, daß man solche mitbringen könne), zumindest in dem Teil, wo auch der Rezensent steht, ihre Stühle so aufzustellen, daß man den per auf dem Boden verankerten Absperrband markieren Mittelgang erreichen kann, ohne reihenweise andere Besucher aufzuscheuchen oder unsanft von ihren Sitzgelegenheiten zu kicken.
Um ein relativ breites und kopfzahlreiches Publikum anzulocken, darf man in so einem Fall natürlich nicht auf ein Spartenprogramm setzen, sondern muß versuchen, zumindest einigermaßen massenkompatible Acts zu finden, die aber dem eigenen Anspruch trotzdem genügen. Anno 2014 hatte man für den zweiten Tag Echoes verpflichtet, eine Pink-Floyd-Coverband mit ausgezeichnetem Ruf - sie gilt als Deutschlands bestes Ensemble dieser Art und ist das vielleicht auch, da RPWL ja schon längere Zeit nicht mehr als Coverband aktiv sind, sondern eigene Songs schreiben, ergo in der Cover-Kategorie kaum noch vergleichbar sind (auch wenn sie gelegentlich immer noch coverlastige Spezialgigs spielen - vielleicht ein Kandidat für eines der nächsten Jahre?). Nun wird kaum jemand aus dem regional geprägten Teil der Zielgruppe Pink Floyd jemals live erlebt haben, aber zumindest einige Songs haben sich im kollektiven Gedächtnis verankert, und in Verbindung mit dem Ambiente und der Haltung "Hier ist sonst eher wenig los, also gehen wir da mal hin" ergibt sich an diesem Abend der bereits oben erwähnte gute Publikumszuspruch, ergänzt noch durch einige Die-Hard-Floydianer zumeist in den vorderen, aber durchaus auch in den hinteren Reihen, die natürlich jede Gelegenheit aufsaugen, Material ihrer Lieblinge live zu hören, nachdem durch den Tod Richard Wrights und Syd Barretts eine Floyd-Reunion in der klassischen oder auch in der Gründungsbesetzung mittlerweile unmöglich geworden und auch eine simple Gilmour-Waters-Wiedervereinigung, von seltenen Großereignissen abgesehen, in weite Ferne gerückt ist.
Eine Woche nach der Mittsommernacht ist es naturgemäß auch an einem eher trüben Tag wie diesem noch relativ lange hell, und so beginnen Echoes kurz nach 20.30 Uhr ihren Set noch bei Tageslicht, das die Wirkung der Licht- und Lasershow natürlich noch etwas herabsetzt. Aber letztgenannter Aspekt beginnt sich von Minute zu Minute zu ändern, und der trübe, mit relativ wasserreicher Luft ausgestattete Tag ermöglicht zudem gelegentlich interessante nebelähnliche Wirkungen auch ohne den Nebel, der ab und zu von der Bühne gepustet wird. Zur vollen Wirkung, das sei vorweggenommen, kommt dieser Aspekt der Multimediashow dann allerdings erst im zweiten Set, als es richtig dunkel geworden ist. Die senkrechten Porphyrwände, zusätzlich zum Naturrot auch noch rot angestrahlt, fungieren dabei ebenso als Projektionsflächen wie die rings um den Steinbruch stehenden Bäume, in die manch Lasereffekt grüne, irrlichternde Elemente zaubert. Das Angenehme kann außerdem mit dem Nützlichen verbunden werden: Die Setpause überbrückt man mit Lasereinblendungen nicht nur der Sponsoren, sondern auch manch anderer grafischer Elemente, etwa markanter Gebäude von Rochlitz, und tut somit gleich etwas für die touristische Werbung bei den teilweise auch aus größeren Entfernungen angereisten Besuchern. Zwei kleine Abstriche müssen gemacht werden: Erstens lenkt das 360-Grad-Konzept der Lasershow von der Musik ab, die stellenweise fast zu "Beiwerk" zu verkommen droht, wenn man sich die Showelemente an den Bäumen gegenüber der Bühne anschauen möchte und somit logischerweise der Bühne den Rücken zuwenden muß. Zweitens steht "Pigs" im zweiten Set - ein Schwein durch den Steinbruch fliegen zu lassen ist natürlich unmöglich, aber ein solches per Laser an die Felswand zu zaubern wäre eine prima Idee gewesen, die leider unrealisiert bleibt.
Bis dahin ist aber ein Großteil des Gigs bereits vergangen: Echoes eröffnen mit "Shine On You Crazy Diamond", und da bis zur Setposition 4 auch noch "Welcome To The Machine", "Have A Cigar" und "Wish You Were Here" erklingen, ist klar, daß das dem letztgenannten Song gleichnamige Album einen dominanten Faktor in der Setlist darstellt. Über das flottere Instrumental "One Of These Days" erreicht man "High Hopes", den jüngsten Beitrag der Setlist, bevor die dunkle Seite des Mondes ausführlich beleuchtet wird, wie es der Moderator bereits angekündigt hatte (auch wenn seine wiederholt gebrauchte Formulierung "die schönsten Pink-Floyd-Melodien" eher auf einen Schlagerabend gepaßt hätte ...). Bis dahin ist allerdings auch schon ein Hauptproblem deutlich geworden: Der Sound ist zwar schön klar (einzig die weiblichen Vocals gehen bisweilen etwas unter), aber ihm fehlt es ganz eindeutig an Druck, um den gewünschten Energietransport realisieren zu können. Freilich sind Pink Floyd keine Härtner gewesen, aber gerade "Welcome To The Machine" eher dahinplätschern und keinerlei bedrohliche Stimmung aufkommen zu lassen, ist der originalen Intention eigentlich wenig förderlich. Auch "High Hopes" geht der dramatische Aspekt weitgehend ab, das große Bombastfinale wird hier zum eher lauen Lüftchen. Das ist schade, geben sich die Musiker doch durchaus große Mühe. Echoes kopieren Pink Floyd übrigens nicht, sondern gönnen sich gerade in den Soloparts einige improvisatorische Freiheiten, und außerdem agieren sie in einer anderen Besetzung als Floyd: Sie haben einen Multiinstrumentalisten dabei, der gelegentlich auch singt, hier und da eine zweite Gitarre beisteuert, den Baß übernimmt, hauptamtlich aber Saxophon spielt, so daß dieses Instrument bei den Aschaffenburgern einen viel breiteren Raum einnimmt als bei Floyd. Das stört allerdings nicht - die Sax-Einpassung gelingt auf nachvollziehbarem Wege, und Michael versteht sein Handwerk genauso wie die anderen Instrumentalisten, unter denen Basser Armin besonders hervorzuheben ist, denn es handelt sich um seinen ersten Auftritt mit Echoes, da der etatmäßige Tieftöner Martin aus familiären Gründen verhindert ist. Hätte Sänger/Gitarrist Oliver diesen Fakt freilich nicht angesagt, man hätte anhand der musikalischen Leistung nicht auf ihn schließen können, denn Armin präsentiert sich bestens integriert. Der Hase liegt an diesem Abend beim Gesang im Pfeffer: Etliche der Satzgesänge im ersten Set klingen ungewollt schräg, Keyboarder Paul hinterläßt stimmlich einen etwas angestrengten Eindruck, Backingsängerin Carolin hört man soundbedingt schlecht, und auch Leadsänger Oliver muß ziemlich kämpfen, um einige Höhen zu erreichen. Kurioserweise nehmen diese Problemfälle im zweiten Set eher ab, und auch ein anderer beginnt zu verschwinden: Der Soundmensch hat endlich den richtigen Knopf gefunden und die Lautstärke in die richtige Richtung, nämlich etwas nach oben, gedreht - und schon ist die Wirkung etwa der Hubschrauberklänge am Beginn von "Another Brick In The Wall" eine ganz andere (wenngleich sie noch steigerbar gewesen wäre, wenn die weißen Suchscheinwerfer nicht einfach als regelmäßige Abfolge programmiert gewesen wären). Gleiches gilt im positiven Sinne für "Echoes", mit dem die Band den zweiten Set eröffnet (ein exzellentes Stück Musik in exzellenter Darbietung mit exzellenter optischer Untermalung), und auch "Pigs (Three Different Ones)" weiß voll und ganz zu überzeugen (vom fehlenden Optikschwein abgesehen). In diesem Stück fallen übrigens auch die einzigen Regentropfen des Abends, für den eigentlich intensive Schauer und Gewitter angedroht worden waren, die aber offensichtlich einen weiten Bogen um die Region gemacht haben. Noch vor Ende dieses Songs, den Michael übrigens augenzwinkernd Oliver widmet, welcher an diesem Tag seinen "24." Geburtstag feiert, hört es aber schon wieder auf zu regnen. "Comfortably Numb", noch einmal mit ausgedehnten Improvisationen versehen, schließt den Hauptset ab, aber das begeisterte Publikum fordert natürlich Zugaben ein, unter denen "Money" abermals das enorme Improvisationskönnen "historischer" Bands unter Beweis stellt, aber in bestimmten Details, etwa der klingelnden Registrierkasse, so nahe am Original bleibt wie irgend möglich. Interessantes Konzert!

Setlist:
1 Shine On You Crazy Diamond (Pt. I-V)
2 Welcome To The Machine
3 Have A Cigar
4 Wish You Were Here
5 One Of These Days
6 High Hopes
7 Time / Breathe
8 The Great Gig In The Sky
9 Us & Them
10 Brain Damage
11 Eclipse
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12 Echoes
13 Another Brick In The Wall (Part I)
14 Happiest Days Of Our Lifes
15 Another Brick In The Wall (Part II)
16 Young Lust
17 Hey You
18 Nobody Home
19 Pigs (Three Different Ones)
20 Comfortably Numb
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21 Money
22 Run Like Hell



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