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Joe Satriani, Oli Brown   24.06.2013   Leipzig, Haus Auensee
von rls

Nanu, haben sich The Brew wieder mal einen größeren Supportjob an Land ziehen können? Nein, stellt sich nach einem genaueren Blick auf die Bühne raus - zwar musiziert auch dort ein klassisches Bluesrocktrio mit pudelfrisiertem Gitarristen, aber es ist das von Oli Brown. Der ist um 20.10 Uhr schon einige Zeit am Werkeln, wie bereits von draußen auf dem Weg vom Parkplatz zum Haus Auensee zu hören war, scheint also pünktlich 20 Uhr begonnen zu haben. In der halben Stunde, die der Rezensent ihn noch von Angesicht zu Angesicht erleben kann, bringt der Brite allerdings gerade mal dreieinhalb Songs unter - er huldigt dem klassischen Bluesrockprinzip, eine Studiovorlage durch mehrminütiges Solieren auf die doppelte oder gar dreifache Länge auszudehnen. Und er handhabt die Ergänzungen durchaus mit einem Sinn für Dynamik, so daß etwa in "Mr. Wilson" das Solo gegen Ende hin tempotechnisch anzieht und in einem großen Inferno endet - kurioserweise hatte Brown allerdings schon vor diesem großen Crescendo einen Part mit scheinbarer Soloschlußwirkung eingebastelt, für den er sogar Szenenapplaus geerntet hat. "Mr. Wilson" ist auch auf seinem neuen Livealbum "Songs From The Road" enthalten, das offiziell noch gar nicht erschienen ist, während das "Here I Am"-Studioalbum zuvor den Titeltrack gestellt hat. Der Wuschelkopf Brown dominiert die Szenerie eindeutig, er singt auch selbst, und seine Stimme ist nicht sonderlich auffällig, paßt aber bestens ins Gesamtbild, in das sich auch seine Rhythmusgruppe problemlos einfügt. Da der Soundmensch zudem ein powervolles, aber nicht überlautes und genügend klares Klangbild zusammenzimmert, ergibt sich ein starker Bluesrockgig, den auch das Publikum fleißig beklatscht.
Was man in struktureller Hinsicht vom Joe-Satriani-Gig erwarten konnte, blieb unklar. Gewiß, der Mann ist eine lebende Gitarrenlegende, aber die Zeiten, in denen das außer den Rockmusikgourmets auch noch weite Teile der restlichen Bevölkerung, nämlich alle Fußballfans, wußten, liegen fast 20 Jahre zurück. Für alle jüngeren Leser: "Cryin'" vom 1992er "The Extremist"-Album diente zeitweilig als Abspannmusik der SAT1-Fußball-Sendung "ran", nachdem SAT1 der ARD die Bundesliga-Berichterstattung abgeluchst hatte, und erlangte so eine ungeahnte Popularität. Daß dieser Status keineswegs allgemeingültig ist, mußten Kingdom Come erfahren, denen "Twilight Cruiser" an gleicher Stelle nicht zu einem Karrierschub verhalf. Satriani freilich war schon zuvor unter geschmackvollen Rockmusikliebhabern äußerst populär gewesen (was freilich auf Kingdom Come auch zutraf, deren frühe Alben sich verkauft hatten wie geschnitten Brot) und konnte seinen Status auch durch die für traditionelle Rockmusik, der er sich trotz mannigfacher anderer Einflüsse stets primär verbunden fühlt, schwierigen Neunziger hindurch retten. Um nun aber wieder zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Der "ran"-Erfolg liegt 20 Jahre zurück, Traditionsrock hat's in Leipzig oftmals schwer, es ist zudem Montagabend, und die Eintrittspreise liegen auch nicht gerade niedrig. Trotzdem aber ist das Haus Auensee durchaus anständig gefüllt, und es handelt sich offensichtlich nicht nur um klassisches Rock-Konzertpublikum, sondern auch um etliche "Normalos", denen der Name offenbar irgendwie im Gedächtnis geblieben ist. Und alle Anwesenden bekommen zwei Stunden lang eine Demonstration, wie man atemberaubende Technik mit viel Gefühl kombiniert. Dabei verzichtet Satriani auf Gesang (er hatte auf "Flying In A Blue Dream" anno 1989 begonnen, gelegentlich Gesangsnummern einzustreuen, dieses Experiment aber nicht kontinuierlich fortgeführt) und läßt allein seine Gitarre sprechen (ein Mikrofon hat er natürlich trotzdem vor sich, denn ganz ohne Ansagen kommt er nicht aus). "Jumpin' In" fungiert dabei als programmatischer Auftakt, und nach dessen Hören fragt sich der Hörer schon irgendwie, was Satriani an Gitarrenzaubereien noch bringen will, was er noch nicht in diesem Opener untergebracht hat. Aber der 55jährige ist natürlich ein alter Fuchs, der mit mannigfachen Elementen auf der Stimmungsklaviatur zu spielen versteht. Und obwohl er natürlich unbestritten Chef im Ring ist, so ist er doch auch klug und uneitel genug, die Talente seiner drei Mitmusiker mit ins hochklassige Gesamtbild einzubeziehen. Welcher Sologitarrist läßt seinen Drummer schon ein Solo spielen oder gar seinen Zweitgitarristen umfangreiche Leadparts übernehmen? Eben: Satriani hat keinen Egokrieg nötig (er weiß, was er wert ist), und so steht besonders sein Gitarrenkompagnon/Teilzeitkeyboarder, der rein optisch übrigens eher in einer Hardcoreband anzusiedeln wäre, recht häufig im Rampenlicht, spielt Doppel- oder auch alleinige Leads und stellt ebenfalls ein hohes Können unter Beweis. Und daß die Kreativität Satrianis auch anno 2013 noch nicht erschöpft ist, beweist beispielsweise der Titeltrack seines neuen Albums "Unstoppable Momentum" an Setposition 4 (unter mittlerweile sauberen Soundverhältnissen, nachdem anfangs die Klarheit noch etwas zu wünschen übrigließ): Was dort speziell in rhythmischer Hinsicht abgeht, läßt im Publikum reihenweise Kinnladen nach unten klappen und dürfte manchen Nachwuchsmusiker (nicht nur Gitarristen!) dazu verleitet haben, entweder sein Instrument zu verbrennen oder aber in Zukunft 25 Stunden am Tag zu üben. Natürlich beleuchtet Satriani in der Setlist aber auch ausführlich seine Vergangenheit, spielt die halbe "Dreaming #11"-EP und läßt sein Durchbruchsalbum "Surfing With The Alien" gleich viermal zum Zuge kommen, darunter mit dem den regulären Set abschließenden Titeltrack (nach "Jumpin' Out" ist nämlich keineswegs programmatisch Schluß). Und für alle Statistiker: Um 22.11 Uhr erklingt das Intro zu "Cryin'", und auch alle Nicht-Die-Hard-Fans verfallen in verzückte Seligkeit. Drei Zugaben spielt das Quartett noch und schickt die Besucher nicht etwa mit einem wilden Feger, sondern mit dem romantischen "Rubina" in die Nacht hinaus.

Setlist Joe Satriani:
Jumpin' In
Devil's Slide
Flying In A Blue Dream
Unstoppable Momentum
The Weight Of The World
Ice 9
The Crush Of Love
I'll Put A Stone On Your Cairn
A Door Into Summer
Lies And Truths
Satch Boogie
Shine On American Dreamer
Three Sheets To The Wind
Cryin'
Drum Solo
Cool #9
Jumpin' Out
Always With Me, Always With You
Surfing With The Alien
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Crowd Chant
Summer Song
Rubina



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