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The United Kingdom Ukulele Orchestra   09.05.2013   Chemnitz, Schauspielhaus
von rls

Vier Tage lang beherrscht das Deutsche Musikfest den Veranstaltungskalender von Chemnitz, und da Musik bekanntlich auf vielerlei Art erzeugt werden kann, ist das Spektrum der Konzerte und sonstigen Events an Himmelfahrt 2013 und den drei Folgetagen entsprechend breit gefächert. Am Abend des ersten Tages haben sich die Veranstalter unter anderem TUKUO eingeladen, eine ebenso bunte wie wüste Truppe, die ausgeschrieben The United Kingdom Ukulele Orchestra heißt. Nun pflegt man in "seriösen" Musikerkreisen auf die Ukulele, also die Hawaii- oder Babygitarre, gern etwas scheel herabzublicken und ihr die Fähigkeit zum hochgeistigen Musizieren abzusprechen. Die zwei Stunden dieses Konzertabends allerdings beweisen den Kritikastern fulminant das Gegenteil.
Der Terminus "bunt" bezieht sich übrigens nicht auf die Konzertkleidung des Orchesters, denn als die acht Leute um 19.30 Uhr die Bühne betreten, erwecken sie optisch durchaus den Eindruck, als könnten sie auch im E-Musik-Betrieb stehen. Und einige Stücke "klassischer" Herkunft finden sich auch im Set, etwa gleich als Opener der bekannte Säbeltanz aus Aram Chatschaturjans Ballett "Gajaneh". Schon der beweist, daß das Oktett musikalisch absolut professionell agiert und zweifellos in der Lage wäre, ein "rein ernstes" Konzert zu spielen. Aber das ist nicht die Zielvorgabe - hier gibt es Musikcomedy, zwar immer noch mit dem Fokus auf Musik, aber eben mit reichlich komödiantischem Flair auf verschiedenen Ebenen. Das reicht bis zu schauspielerischen Einlagen, etwa einer Szene, in der sieben der Musiker eine Situation akustisch nachbilden, wie sie eine immer wieder zurückspringende Schallplattennadel erzeugt, bis Lesley Cunningham aufspringt, an den Bühnenrand rennt, eine übersteigerte Schiebebewegung macht und so die Musiker wieder in die richtige "Rille" lotst. Andere humoristische Einfälle sind eher arrangementseitig geprägt - wer mal den Bandnamen bei Google eingibt, wird auf Youtube schnell ein witziges Video zu einem Pop-Medley finden, wo die sieben Ukulelisten über mehr oder weniger dem gleichen Grundthema nacheinander sieben Popsongrefrains intonieren, die auch noch eine zusammenhängende (und dezent schauspielerisch untermalte) Geschichte ergeben (vertreten sind dort u.a. "Let It Be", "Do You Really Want To Hurt Me" oder "Forever Young"), im Grande Finale dann aber alle sieben parallel agieren. Die einzige dramaturgische Lücke dieses Abends ergibt sich am Ende dieses grandiosen Medleys, das irgendwie noch besser ausgefeilt werden könnte. Ansonsten bemißt sich ein gewisser Teil des Humorpotentials natürlich auch daran, ob der Zuhörer das betreffende Original kennt und daher beispielsweise weiß, warum Andy Ward in "Staying Alive" so androgyn singen muß (nämlich weil das im Original von den Bee Gees auch so ist). Wer übrigens eben über die Zahl der Ukulelisten gestolpert ist: Dieses Instrument hat nur einen begrenzten Tonumfang, und um diesen auf ein arbeitsfähiges Niveau zu erhöhen, ist ein achter Musiker dabei, nämlich Doug Henning, der einen E-Baß spielt. Übrigens gehören prinzipiell noch mehr als acht Musiker zu TUKUO - man arbeitet mit gelegentlich wechselnden Besetzungen, aber die Truppe, die an diesem Abend auf der Bühne sitzt, erweist sich als perfekt aufeinander eingespielt. Und heilig ist der Arrangementfraktion sowieso nichts. Da kommt "Heidi" zum Vorschein, gesungen von Jessica Barr mit stark britisch durchwirktem Deutsch (sie spricht später im Zugabenteil dann allerdings fast akzentfreies Deutsch, was so manchen Zuhörer ins Grübeln bringt ...), da wird als Closer der ersten Sethälfte ein bekannter Queen-Klassiker in "We Will Uke You" umgetauft, da erklingt "Das Model" von Kraftwerk in einer gesanglichen Mischfassung (Leadgesang aus der deutschen, Backings aus der englischen Fassung) und gibt gleich noch einen Running Gag für den Rest des Sets her, da ist der Beatles-Dunstkreis gleich mehrfach vertreten, da gibt es schwülstigsten Achtziger-Pop mit "Walk Like An Egyptian" der Bangles, das in der TUKUO-Version der JBO-Alternativfassung "Walk With An Erection" humortechnisch durchaus das Wasser reichen kann, da kommt auch die "ernste" Musik nochmal zum Zuge, nämlich als Opener der zweiten Sethälfte, den der Schlußteil der Ouvertüre zu Gioachino Rossinis "Wilhelm Tell" bestreitet ... Das alles summiert sich zu zwei sehr unterhaltsamen Stunden Spielzeit bei recht ausgewogenen Soundverhältnissen - nur der Klirrfaktor der hohen Saiten, die naturgemäß nicht selten strapaziert werden, ist in einigen Momenten einen Tick zu dominant, was vom Soundmenschen aber recht schnell wieder ausgeglichen wird. Für einige Lacher gut sind auch die Ansagen, zumeist in Englisch, aber bisweilen auch in Deutsch gehalten, und das Gros des Publikums ist der Fremdsprache offensichtlich gut genug mächtig, um den Komikfaktor zu erkennen und entsprechend zu reagieren; auch Mitklatschaufforderungen und ein Mitsingspielchen werden gern befolgt. Apropos Gesang: Alle sieben Ukulelisten (zwei Damen, fünf Herren) singen - und sie tun das in ähnlich exzellenter Manier wie das Ukulelieren; speziell an Jessica Barr ist durchaus ein professioneller Sopran verlorengegangen. Den Setcloser bildet, so die Ansage, ein eher einfaches Stück - dann allerdings erklingt Queens "Bohemian Rhapsody", bekanntermaßen eine der anspruchsvollsten Kompositionen der Popgeschichte. Und man staunt Bauklötze, wie gut das Arrangement für sieben Ukulelen, Baßgitarre und sieben Gesangsstimmen funktioniert und wie exzellent TUKUO es umsetzen! Wenn der Rezensent hier einen Wunsch äußern darf: Die Humorelemente sind hier zwar nur sehr dezent eingesetzt, aber eigentlich wären selbst diese noch überflüssig - als rein ernst dargebotenes Stück würde seine Wirkung wahrscheinlich noch zunehmen. Aber beeindruckend ist auch die Version dieses Abends ohne Zweifel, und so werden die acht Musiker natürlich noch für Zugaben zurück auf die Bühne gebeten. Als nach zwei Extrasongs das Saallicht schon wieder angeht, klatscht das Publikum immer noch weiter, die Musiker kommen erneut zurück, und mit einem Medley aus "Land Of Hope And Glory" und "Rule, Britannia!" setzen sie das endgültige Tüpfelchen aufs i. Das ist exzellente Unterhaltung und zur livehaftigen Begutachtung für alle Freunde der Musikcomedy mit Musikfokus nachdrücklich empfohlen! Dates und alle weiteren Infos auf www.ukulele-orchestra.co.uk



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