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Status Quo, The Treatment   16.03.2013   London (UK), Hammersmith Apollo
von gl

Der Flyer zur Show  Das Ticket
Für Leute, die über die Geschehnisse nicht auf dem Laufenden sind, sei es gesagt: Im März spielten die sogenannten Frantic Four (die vier Musiker, die den Erfolg dieser Band in den 70ern zementierten und bis 1981 fortführten) zum ersten Mal seit jener Zeit nur in England neun Konzerte. Konkret sind ergo erstmals seit 32 Jahren Bassist Alan Lancaster und Drummer John Coghlan nach jahrelangen Streitereien und gerichtlichen Auseinandersetzungen um den Bandnamen mit Rick Parfitt und Francis Rossi vereint. Bin ich der Einzige, der so positiv bekloppt ist und eigens deswegen nach England fliegt? Ganz im Gegenteil: Bereits im Flugzeug, am Airport und den ganzen Tag über sind immer wieder Gestalten mit Quo-Merch unterwegs, denen eine leichte Angespanntheit anzusehen ist. Nachmittags im Pub Distillers dann folgendes Szenario: 300 Quo-Verrückte eng gequetscht glühen mit der Coverband Stated Quo vor, davor stehen noch mal 50 auf dem Bürgersteig, alle in bester Stimmung. Die fitte Band spielt auch Songs, die das Original selten oder nie live spielte, wie "Over The Edge", "Runaway" oder "Shady Lady".
Vor der Halle dann ein sich ca. 10-mal schlängelnder Zick-Zack-Kurs aus Absperrungen, den die Wartenden durchschreiten müssen. Deutsche Veranstalter können sich ein Beispiel daran nehmen, denn bei uns drängelt immer alles wie eine plumpe Kuhherde auf den Einlasspunkt zu. Jahrelang damals im Kerrang! vom Hammersmith Odeon gelesen und jetzt zum ersten Mal das edle Theater mit Teppichboden, Empore und Logen betreten. Stimmung wie vor einem Fußballmatch mit immer wieder aufbrandenden "Quo-oh-oh-o-ho"-Chören. Als Vorgruppe spielen The Treatment aus Cambridge, welche mir als Opener von Alice Cooper 2011 sehr gut gefielen - daran können sie heute nur bedingt anknüpfen. Seltsam, daß "Departed" und "The Doctor" (immerhin eine Single aus dem Album) nicht gespielt wurden, Matt meinte hinterher, sie dachten, daß jene evtl. zu hart seien.

John 'Spud' Coghlan  Alan Lancaster strahlt!

Rick, Frame und Nuff in Aktion!  Neuer Elan durch die alten Kumpels: Rick und Francis

Rick und Francis im Jungbrunnen  Alan 'Nuff' Lancaster

The Frantic Four: Rick, Spud, Francis, Nuff
Aber sind wir ehrlich, alle warten nur auf Quo und schon allein der mächtige Vorhang mit dem "Hello!"-Cover wird mehr fotografiert als die Vorgruppe. Obwohl Jackie Lynton (damals Einpeitscher beim Live-Album in Glasgow) sogar vor Ort ist, kommt seine Stimme vom Band, aber nun sind 6000 Leute völlig elektrisiert und gehen komplett steil: Eine Schreierei in tiefer Tonlage (Altersdurchschnitt 40-60), wie ich es selten erlebt habe, ein sich wiederholender Bass-Ton, der Vorhang fällt, Licht an und ein Jubel sondergleichen beim Einstieg mit ... nein, eben nicht "Caroline" wie seit 77 Jahren, sondern "Junior's Wailing" (Danke an Steamhammer für den tollen Song!). Alan singt wie damals, es ist kein Handicap zu beobachten, klar - er rennt nicht mehr rum. (Es war gemutmaßt worden, er sei zu krank um diese Shows durchzustehen.) Ach was, denn was nun bei "Backwater" und "Just Take Me" folgt, setzt dem Ganzen die Krone auf, der internationale Mob mit Fans aus jedem europäischen Land dreht komplett durch, die Leute singen nicht mit, sie schreien sich gegenseitig vor Begeisterung an, spielen Luftgitarre, sogar die Gitarrentöne werden nachgeahmt, und springen können die Mitt-Fünfziger auch noch. Völlig abartig! Als Francis dann endlich die Leute begrüßt, kann man die Reaktion vermutlich in Tottenham noch hören! Keinerlei Handtaschenpublikum vor Ort wie bei uns, keiner mokiert sich, wenn er mal 'nen Spritzer Bier abbekommt, hier will keiner "In The Army Now", "Burning Bridges" oder auch "Rockin' All Over The World" hören, welches noch in den Zeitrahmen passen würde, aber Andy Bown ist heute nicht auf der Bühne (aber neben Rhino und Matt Letley im Zuschauerraum - wahre Profis eben!). Nein, die Quo-Veteranen wollen "Is There A Better Way" oder "Down Down" um die Ohren geknallt bekommen, und genau das erhalten sie, aber eben nicht zu schnell gespielt wie früher mitunter. John Coghlan spielt das Schlagzeug wie damals, stoisch und ohne die Miene zu verziehen. Ich mache die Augen zu und er hat wieder lange Haare, vielleicht noch 'ne Fluppe im Maul, und tut so, als ginge ihn das gar nichts an, aber an den Drums macht er einen Super-Job: Well done. Als Schmankerl bekommt die aus der ganzen Welt angereiste Meute die Oldies "(April) Spring, Summer And Wednesdays" vom "Ma Kelly's Greasy Spoon"-Album (1970) sowie "Oh Baby" von "Piledriver" (1972) zu hören, welches laut einem Kumpel aus Deutschland wie Heavy Metal rüberkam - und Recht hat er. Aufgrund des fehlenden Keyboards nimmt man die Gitarren viel besser wahr und es scheint, als würde der Enthusiasmus auch die Leistungen von Francis und Rick beflügeln, die Soli von Francis sind grandios und Rick singt "Big Fat Mamma" mit solch einer Inbrunst, als wäre der 4-fache Bypass vergessen, und seine Gitarre leidet ohnehin unter seinem strapaziösen Geschrubbe. This is classic Quo, wie wir sie durch Alben wie "Hello!", "Quo" und "On The Level" kennen und lieben gelernt haben, bevor sie ab 1978 einen kommerzielleren Kurs einschlugen. Heute gibt's aber nur Songs bis "Blue For You", 1976 und ... so gut wie keine Medleys! Die beiden Long-Tracks "4500 Times" (der klitzekleine Wermutstropfen: verkürzt und mit "Rain" drangehängt - also ein Mini-Medley) und "Roadhouse Blues" feat. Bob Young krönen einen dermaßen frischen und von einer sensationellen Spielfreude der Band geprägten Auftritt, den ich nie im Leben mehr erwartet hätte. Und es sei hier die fantastische fanatische Forum-Bande von statusquorockt.de gegrüßt, von der jeder überglücklich und beseelt nach Hause flog und keiner auch nur einen Penny bereute, bei diesem historischen Ereignis an diesem legendären Ort dabei gewesen zu sein.

Fotos: Michael Harke






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