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Stern-Combo Meißen   13.08.2011   Leipzig, Markt
von rls

Für anderthalb Wochen verwandelten die Classic Open den Leipziger Marktplatz wieder in ein riesiges Freiluft-Festzelt für die Leipziger und ihre Gäste, und es bleibt Chefdenker Peter Degner und einer Kohorte von Sponsoren dafür zu danken, daß das Ganze kostenlos zu erleben ist. Neben DVD-Vorführungen gehörten hauptsächlich abends auch Liveacts zum bunt gemischten Billing, das nur ein Kriterium zu erfüllen hatte: Der jeweilige Künstler mußte Degner gefallen. Daß dessen Geschmack kompatibel war mit dem breiter Publikumsschichten, wurde anhand der gut gefüllten Marktfläche deutlich.
Für den vorletzten Abend war um 21.30 Uhr ein Konzert der Stern-Combo Meißen angekündigt gewesen. Als der Rezensent fast auf die Minute genau zu diesem Zeitpunkt im Zuschauerbereich eintraf, sagte Degner allerdings gerade eine Bigband an, die planmäßig um 20.30 Uhr hätte spielen sollen - es war also zu umfangreichen Verzögerungen im Zeitplan gekommen, und die Bigband um Gunther Hochmuth kürzte daraufhin nicht etwa ihren Set, um wenigstens etwas Zeit wieder aufzuholen, sondern überzog ihn noch um eine halbe Stunde - der originale Zeitplan hätte einen etwa dreiviertelstündigen Set mit anschließenden 15 Minuten Umbaupause vorgesehen, aber statt dessen spielte die Truppe geschlagene 75 Minuten und spaltete die Zuschauerschaft in zwei Lager: Das eine, deutlich kleinere brach vor Glück in Jubel aus, das andere sehnte das Ende herbei, nicht etwa nur, weil man endlich die Stern-Combo hören wollte, sondern auch, weil die Bigband, deren Name hier der Höflichkeit halber verschwiegen sei, qualitativ doch manchen Wunsch übrig ließ, beispielsweise den nach einer Sangesfraktion, die erstens Englisch statt Angelsächsisch singt und zweitens, wenn man sich schon von Francis Rossi über Stevie Wonder bis zu Joe Cocker covert, dieser selbstgestellten Aufgabe auch gewachsen ist. Die mäßige Abmischung und die mal steife, mal zackige Instrumentierung, die dann so etwas wie "deutschen Swing" ergab, schlugen dem Faß letztlich den Boden aus (falls die Ankündigungsworte "Musik die jeder kennt, mag und mitreißt." auf der Festivalhomepage von der Band selbst stammen, passen sie mit ihrer grammatikalischen Konstruktion perfekt zum Gesamtbild) und ließen nur noch die positive Umdeutung zu, daß man anhand solcher Konzerte mal wieder einen Maßstab bekommt, wie klasse die richtig guten Konzerte doch wirklich sind.
Und ein solches richtig gutes Konzert bekam man dann mit anderthalbstündiger Verspätung von der Stern-Combo Meißen geboten - trotz schwieriger Rahmenbedingungen. Erstens fiel dem Zeitplan das Magnum Opus der Band, "Weißes Gold", zum Opfer - ursprünglich hätte man weit über zwei Stunden Spielzeit gehabt, aber um die Sperrstunde trotz Anwesenheit des Ordnungsbürgermeisters nicht über Gebühr zu dehnen, reduzierte das Sextett die Spielzeit auf 95 Minuten, indem es eben "Weißes Gold" strich. Zweitens: Warum Sextett? Nun, Norbert Jäger, Percussionist und Co-Sänger, warf eine Woche vor dem Gig aus gesundheitlichen Gründen das Handtuch und stellte die sechs verbliebenen Mitglieder vor die Aufgabe, innerhalb weniger Tage einen Set zusammenzubauen, der ohne seine Mitwirkung auskommt. Diese Aufgabe löste die Band perfekt und wurde mit äußerst positiven Publikumsreaktionen belohnt, die sich die fünfeinhalb Schwerarbeiter auf der Bühne (der sechste Mann, Gründungsmitglied Martin Schreier, befindet sich in einer Art wohlverdienter Altersteilzeit und tritt nur noch punktuell gesanglich in Erscheinung) auch redlich verdient hatten. Zudem hatten sie den besten Sound der beiden Festivalabende, die der Rezensent erlebt hat, was einige Problemfälle selbstredend nicht ausschloß; bis Larrys Frontmikrofon die Rolle als Frontmann auch entsprechend unterstützte, sollten einige Songs ins Land gehen. Der Rezensent hat die seit Juli 2010 aktive Besetzung, die nach Larry noch zwei weitere Toxic Smile-Musiker ins Line-up gespült hat (nämlich Keyboarder/Saxophonist Marek Arnold und Bassist Robert Brenner), noch nicht live gesehen, aber der Fakt, daß Larry und die beiden Neulinge bei Toxic Smile seit 10 Jahren aufeinander eingespielt sind, ist zweifellos äußerst nützlich und half auch an diesem Abend den einen oder anderen kleinen Problemfall zu überbrücken. Kuriosum des Sets: Die Band begann "Stundenschlag" zu spielen - planmäßig zunächst ohne Thomas Kurzhals, der derweil von der Bühne gegangen war, um ein Kabel zu holen, das er dann noch seelenruhig an seiner Synthieburg wechselte, bevor er irgendwann mitten im Song, allerdings zu spät, wieder einstieg. Von der Setlist her fand man einen gelungenen Kompromiß aus den alten Artrocksongs und den etwas kompakteren späteren Kompositionen, wobei sich die rein voluminöse Waage mangels "Weißes Gold" logischerweise auf die Seite der letzteren neigte. Drei neue Kompositionen baute die Band sogar unmittelbar nacheinander im Set ein und wurde für diesen Mut belohnt, denn auch hier war kein entscheidender Stimmungsabfall im Publikum zu erkennen. Larry, über dessen stimmliche Qualitäten auch an diesem Abend nicht diskutiert werden muß, als geborener Entertainer hatte die Menge allerdings auch bestens im Griff (wenngleich er das Wort "rattenscharf" etwas inflationär verwendete) und meisterte selbst die surreale Szene, als ein betrunkener Bayer die Bühne enterte und eine Ansage ans Publikum zu richten begann, bevor er nach einigem Hin und Her von der Security in Gewahrsam genommen wurde - die Bemerkung "Immer noch besser als ein Flitzer" sicherte dem Sänger Lachstürme aus dem Publikum. Extra für Martin Schreier spielte die Band kurz vor Setende noch ein Medley alter Songs, in denen er seine markante, aber doch schon etwas brüchige Stimme an vorderster Front einsetzen konnte, und da das Publikum nach Setende lange keine Ruhe gab, hängte man noch ein humoristisches antipreußisches Volkslied an, das der Derzeit-Preuße (und Songschöpfer) Thomas Kurzhals mit guter Miene zum bösen Spiel am Akkordeon begleitete. So endete ein rundum unterhaltsamer Set, der trotz mancher widriger Rahmenbedingungen doch noch zum Erlebnis werden sollte.

Setlist Stern-Combo Meißen:
Der weite Weg
Die Sage
Was bleibt
Der Frühling
Der Eine und der Andere
Ein Tag, ein Jahr, ein Leben
Das kurze Leben des Raimund S.
Lebensuhr
Stundenschlag
Also was soll aus mir werden
Der Kampf um den Südpol
Medley
Wir sind die Sonne
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Gelbe Elbe



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