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Rock The Nation   24.06.2011   St. Goarshausen/Loreley, Freilichtbühne
von tk

Das Logo zur Veranstaltung
Ja, ich gebe es unverhohlen zu: Ganz allein die Live-Präsenz meiner Helden STRYPER lockte mich zum diesjährigen ROCK THE NATION-Festival, dessen Veranstalter mal eben das Who is Who der internationalen Rockszene zusammentrommelte und somit ein erstklassiges Package für jeden Fan klassischer Rockmusik schnürte. Da der von Roland und mir anvisierte Veranstaltungsort Leipzig aus allerlei Gründen kurzfristig von der Tourlandkarte gestrichen wurde, kam nur noch die altehrwürdige Loreley in Frage. Leider spielte das Wetter überhaupt nicht mit, so dass zumindest für meinereiner das RTN 2011 als die "Loreley'sche Wasserschlacht" in Erinnerung bleiben wird. Kurzfristig hatten auch noch SURVIVOR abgesagt. Es hätte aber noch viel schlimmer kommen können.

Als die schwedischen Nachwuchs-Melodic-Hardrocker H.E.A.T das RTN eröffneten, war die Welt wetterseitig noch in Ordnung. Der Funke sprang auch recht schnell auf die in nur mäßiger Anzahl versammelten Besucher über, denn der hymnenhafte und kraftvolle Melodicrock ging direkt ins Ohr und kam schnell auf den Punkt. Die Band existiert erst seit 2007, kann aber schon auf zwei Full-Length-Releases, zwei Single-Auskopplungen und eine EP verweisen. Die Schweden präsentierten eine durchaus professionelle Bühnenshow, lediglich Sänger Erik Gronwall agierte mit ungelenken Zappelbewegungen etwas unglücklich. Kurz vor Ende des H.E.A.T-Sets näherten sich bereits dunkle Wolkenpakete, die den ersten Wolkenbruch einläuteten.

Während es wie aus Eimern kübelte, spielten sich APART FROM ROD schon mal warm. Hinter dem britischen Sextett verbargen sich keine Geringeren als die Begleitmusiker von Rod Stewart während dessen Live-Aktivitäten zwischen 1976 und 1994. Insbesondere unter den älteren Semestern ist Rod immer noch sehr beliebt. So sangen etliche Besucher mit, als "Baby Jane" angestimmt wurde, welches live dargeboten doch wesentlich mehr rockte als die Studioversion, die man allgemein aus dem Radio kennt. Die professionelle Spielweise der Band und die Improvisationsfreude der Musiker machte den Gig zu einem besonderen Erlebnis, auch wenn AFG zu den eher gemäßigten Rockacts des Festivals gehörten. Mit dem jungen Sänger Jim Stapeley hat man auch einen vorzeigbaren Frontmann an Bord, der gesanglich über weite Strecken überzeugen konnte. Vielleicht war es einfach nur Lampenfieber, dass ihm zwischenzeitlich der Kloß im Hals stecken blieb. Ansonsten ein tadelloser Kurzauftritt der alten Garde.

Für STRYPER wurde dann die komplette Backline umgebaut. Währenddessen rückten schon wieder dunkle Regenwolken heran, die pünktlich zu Gigbeginn ihre Schleusen öffneten und sich über das komplette Set nicht wieder schlossen. Es war einem zum Heulen zumute. Doch mit dem ersten Akkord des "Sing Along Songs" schien die Sonne zumindest in den Herzen der Fans, die diesen Augenblick lange herbeigesehnt hatten. Die Optik der Musiker im klassisch gelb-schwarzen Lederoutfit (Oz natürlich mit seiner GMW SS), die Songauswahl und das instrumentelle Zusammenspiel waren perfekt aufeinander abgestimmt. Der Schwerpunkt des Sets lag deutlich auf dem Erfolgsalbum "To Hell With The Devil", was die vor der Bühne zahlreich versammelten Anhänger wohlwollend zur Kenntnis nahmen. Wird die Band in der Metalpresse nach wie vor als Bibel werfende Plüschrockband verspottet, durften sich die Besucher livehaftig davon überzeugen, dass STRYPER damals wie heute lupenreinen Melodicmetal zelebrieren und lieber Größen wie IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST und DIO huldigen. Letzterem Idol widmeten sie das BLACK SABBATH-Coverstück "Heaven And Hell", das aus tausenden Kehlen mitgesungen wurde. Michael ging auf Nummer sicher und vermied die ganz hohen Screams, ohne dass es den Gesamteindruck getrübt hätte. Der Livemix war eine Wucht und sehr gut ausbalanciert. Robert, der sein Kit stets parallel zur Bühnenfront bearbeitet, ist immer noch ein wahres Tier an den Drums, obwohl man von ihm selber mal wieder nur eine wilde, bangende Mähne zu sehen bekam. Oz hielt sich im Gegensatz zu seinen Live-Auftritten mit BLOODGOOD etwas zurück, verzückte die Fan-Gemeinde aber mit grandioser Saitenspielkunst und glänzte mit einigen raffinierten Riffvariationen. Die originalgetreue Spielweise der Songs und der zirkulierende 80er Spirit gaben unmissverständlich zu erkennen, dass STRYPER nach ihrer kurzen schwachen Bandphase ("Reborn") wieder zu alter Stärke zurückgefunden haben. Nach dem zwischenzeitlichen Ausstieg von Tim Gaines war die Reunion im Original-Line-Up ein notwendiger wie richtiger Schritt. Nur in ihrem ursprünglichen Kollektiv funktionieren STRYPER so, wie ihre Fans sich das wünschen. "Reach Out" wurde gleich mal einen Zacken heavier gespielt, was die Ambitionen der Band nochmals unterstrich, im Metal verwurzelt zu sein. Selbstverständlich vermissten wir Hits wie "In God We Trust" und "Makes Me Wanna Sing", aber an einem solchen Tag war man froh, dass STRYPER überhaupt angetreten waren. Zum Grande Finale intonierte Michael "Soldiers Under Command" zunächst a cappella, um den Chorus dann der Menge zu übergeben. Beim instrumentenseitigen Einsatz gab es dann es kein Halten mehr. Mit DER Bandhymne schlechthin krönten die vier Recken einen absolut überzeugenden Auftritt, der mit der Zugabe "To Hell With The Devil" sogar noch getoppt wurde. Trotz zahlreicher Rufe nach weiteren Zugaben war dann endgültig Schluss ... und prompt fiel der letzte Tropfen. In jeder Hinsicht ein Gig der Extreme: extreme Wetterbedingungen, extreme Emotionen, eine extrem genial aufspielende Band.
Setlist STRYPER (ohne Gewähr)
Sing Along Song
Murder By Pride
Loud 'N' Clear
Reach Out
Free
More Than A Man
Heaven And Hell
The Way
Soldiers Under Command
--
To Hell With The Devil

Oz Fox  Timothy Gaines

Robert Sweet  Michael Sweet

So gerne ich mir die irischen Hardrock-Urväter THIN LIZZY noch angeschaut hätte, so sehr war es mein Bestreben, aus den klatschnassen Sachen zu schlüpfen, so dass ich es vorzog, das Festival frühzeitig zu verlassen.

Fazit: Ich bleibe bei meinem freilich rein subjektiven Befinden, dass Open Air-Festivals nicht wirklich Spaß machen, wenn man nicht gerade ein Camping-, Schlamm- und Outdoor-Survival-Freak ist. (Was freilich in Leipzig kein Problem gewesen wäre, da dort in Gestalt der Arena eine Halle als Veranstaltungsort geplant gewesen war. - Anm. rls) Die Preise für Getränke und Snacks haben inzwischen Oktoberfest-Niveau erreicht, und 25 Euronen für ein T-Shirt mit simplem Bandlogo möchte auch nicht jeder ausgeben. Vor STRYPER muss man wirklich den Hut ziehen. Sie stellten sich beim RTN den extremen äußeren Bedingungen und holten alles nur Erdenkliche aus der ihnen zugestandenen Spielzeit von nicht einmal 60 Minuten heraus. Das verdient Anerkennung.



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