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Magnum, Gwyn Ashton   12.03.2011   Leipzig, Hellraiser
von rls

Die Berichterstattung über Gwyn Ashtons Supportgig fällt zeitlichem Mißmanagement zum Opfer: "Einlaß 20 Uhr, Beginn 21 Uhr" verkündet die Hellraiser-Homepage (also ein für Verhältnisse dieses Clubs übliches Schema, zumal bei einem Zwei-Band-Package), der Rezensent ist Punkt 21 Uhr da, sieht eine fertig aufgebaute, fast menschenleere Bühne, auf der als letzte Amtshandlung nur noch eine Gitarre gestimmt wird - und ist überrascht, als 20 Minuten später nach einem kurzen Bombastintro nicht etwa der Supportact loslegt, sondern der Headliner. Zeit zum Überraschtsein bleibt allerdings kaum, denn Magnum gehen gleich in die vollen. Im Promomaterial zum neuen Album "The Visitation" hatten sie für die Tour bereits ankündigen lassen, sie würden auch wieder selten gespielte Tracks ausgraben - aber daß sie gleich mit einer derartigen Rarität wie "Back To Earth", einem Frühachtziger-Track, der lange Zeit nur als Livesingle (!) erhältlich war, loslegen würden, damit war nun wahrlich nicht zu rechnen. Der flotte Hardrocksong, von Drummer Harry James (nur echt mit Sonnenbrille!) erbarmungslos nach vorn getrieben, stellt sich allerdings als perfekter Showopener heraus und macht Platz für das programmatische "When We Were Younger", einen der besten Songs der jüngeren Magnum-Geschichte. Die Briten achten darauf, daß, vom etwas schwächeren "Breath Of Life" abgesehen, jedes der seit der Reunion entstandenen Alben mit mindestens einem Track vertreten ist, wobei neben "When ..." (von "Princess Alice & The Broken Arrow") die Wahl auf die beiden Titeltracks "Brand New Morning" (leicht schleppender und nach drei recht flotten Eröffnungstracks strategisch sehr günstig plaziert) und "The Moon King" (die wenigen balladesken Tupfer des Sets markierend, aber im Refrain auch hochschaltend) sowie "All My Bridges" vom "Into The Valley Of The Moon King"-Album fällt. Außerdem gilt es natürlich das neue Album "The Visitation" zu promoten, und so stellt dieses mit fünf Songs die Hälfte seines Bestandes zur Verfügung, die in den zwei Monaten seit dem Release offensichtlich schon weitreichende Bekanntheit beim Publikum erlangt haben und/oder die Anwesenden durch ihre gekonnte Livedarbietung verzücken. Wie sonst ist es zu erklären, daß "Freedom Day" ähnlich intensiv abgefeiert wird wie ein Klassiker der Marke "Les Morts Dansant" und "Magnum, Magnum"-Sprechchöre hervorruft? Dabei ist das noch nicht mal der beste der neuen Songs - dieses Prädikat gebührt "Black Skies", dem Albumopener, ein teils doomiges (!) Epos, das an dieser prominenten Stelle des Albums wohl niemand erwartet hätte, das aber vor allem live seine emotionalen Qualitäten voll ausspielen kann und in Tateinheit mit dem locker-flockigen Althit "All My Bridges" gleich im Anschluß in beeindruckender Weise eine Klammer um das Schaffen Magnums zieht. Von den fünf Neulingen überzeugt nur "Wild Angels" mit der leicht aufgesetzt wirkenden modernistischen Stakkatohärte der Strophen nicht so richtig, aber vielleicht relativiert sich dieser Eindruck nach intensiverer Analyse der Studiofassung ja auch noch. Nahezu nichts zu relativieren gibt es indes am Klassikerteil des Sets - das Wort "nahezu" bezieht sich darauf, daß Bob Catley, so gut er in der Gesamtbetrachtung auch bei Stimme ist, in der klassikerdominierten zweiten Sethälfte hier und da leicht schwächelt, indem er an einigen wenigen Stellen in zu tiefe Gefilde gerät, was genau dann, wenn Bassist Al Barrow Backings singt (und die treffsicher), zu ungewollten Mißklängen führt. Man sollte dieses kleine Problem aber nicht überbewerten - Catley ist ja nun auch nicht mehr der Jüngste, und der allergrößte Teil seiner ausdrucksstarken Vocals sitzt paßgenau. Seine schauspielerischen Gesten, von Kollege Georg treffend als verkehrspolizistenkompatibel beschrieben, behält er natürlich auch an diesem Abend bei, und kurioserweise fordert er das Publikum immer schon dann zum Applaudieren auf, wenn er seinen letzten Ton gesungen hat, auch wenn seine Bandmitglieder noch gar nicht mit ihren Instrumentalparts fertig sind. Besagte Bandmitglieder geben sich keinerlei Blößen, spielen frisch und beseelt ihre Parts, und alle fünf scheinen nicht entscheidend enttäuscht über die recht spärliche Kulisse zu sein (oder überspielen das konsequent): Erstens ist's halt Pech, daß am gleichen Abend Peter Frampton in Leipzig spielt (und der Classic Rock-Fan damit mal wieder die Qual der Wahl hat), und zweitens machen die vielleicht 150 Anwesenden locker Lärm und Stimmung für mindestens die doppelte Anzahl. Und sie werden belohnt: "How Far Jerusalem" gerät zum begeistert gefeierten Epic Rock-Fest mit wunderbar eskapistischen Gitarrenleads Tony Clarkins, und eine hochpräzise und doch lebendige Fassung des Uraltklassikers "Kingdom Of Madness" (Titeltrack des Debütalbums von 1978) schließt den regulären Set ab, übrigens durchgängig trotz hoher Lautstärke absolut glasklar und nur an einigen wenigen Stellen Mark Stanways Keyboards ein bißchen zu stark unterbutternd. Der Zugabenblock setzt dann zunächst die Archäologie-Strategie fort - mit dem Epos "Wild Swan" vom "Wings Of Heaven"-Album war auch nicht unbedingt zu rechnen. "Storyteller's Night" als vierter Beitrag vom fast gleichnamigen 1985er Klassikeralbum schließt nach reichlich 100 Minuten einen sehr starken Gig ab, der ein weiteres Mal unter Beweis stellt, wie lebensbejahend traditioneller epischer Hardrock früher mal war und noch heute bisweilen ist. Fein!

Setlist:
Back To Earth
When We Were Younger
Wild Angels
Brand New Morning
Mother Nature's Final Dance
How Far Jerusalem
Spin Like A Wheel
The Moon King
Freedom Day
Les Morts Dansant
Black Skies
All My Bridges
All England's Eyes
Vigilante
Kingdom Of Madness
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Wild Swan
Storyteller's Night



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