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Interpol, Matthew Dear   10.03.2011   Leipzig, Haus Auensee
von kk

Es braucht nur eine Person, um ein Konzert komplett zu ruinieren. Angenommen, diese Person ist Teil der Band oder gehört zum Publikum und stört einfach - nein; das wäre zur Not akzeptabel. Im ersten Fall müsste man sich eingestehen, dass die Band vielleicht nicht in Topform ist oder tatsächlich etwas enttäuschend, im zweiten sich an einen anderen Ort im Konzertsaal stellen. Wenn jedoch weder das Eine noch das Andere zutrifft, reicht trotzdem das Unvermögen einer Person, um das schönste Konzert zunichte zu machen: Die Rede ist vom Tontechniker.
Beim Interpol-Konzert im Haus Auensee scheint besagter Mann am Mischpult zunächst zu schlafen: Als der Elektro-Künstler Matthew Dear den Abend eröffnet, dröhnt es nur aus den Boxen. Man sieht, dass es gut klingen müsste, aber das tut es nicht! Dear verfolgt bei Konzerten den Ansatz, die sonst überwiegend digitalen Lieder auch mit akustischen Instrumenten umzusetzen. Er steht also nicht allein am Synthesizer auf der Bühne, sondern spielt selbst ab und zu Gitarre und wird von einem Trompeter, einem Schlagzeuger sowie einem Bassisten verstärkt. Eine großartige, aber heute sinnlose Idee, denn oft vermengen sich Bass und Schlagzeug eben zu einem dröhnenden Brei, der sich sämtliche Nuancen einverleibt und lediglich grobe Strukturen der Lieder vermuten lässt: Techno, Electronica, Dance - dazwischen bewegt sich Dear, macht den Mix mit seinem unverkennbaren Gesang einzigartig und tanzt dazu wie eine düstere Version von Rick Astley. Irgendwo in Dears Musik versteckt sich der Disco-Sound früherer Jahrzehnte, die er genial einarbeitet, in ein modernes Gewand steckt und trotzdem ihren Charme beibehält. Zumindest lassen das Passagen mit wenig Bass und Schlagzeug vermuten.
"Die Hauptband klingt meist besser als der Support" - eine goldene Regel, die einer Ausnahme bedarf, muss sich zumindest der Mann am Mischpult gedacht haben. Die Klangteppiche bei Interpol, bestehend aus den atmosphärischen Gitarren, dem wärmenden Bass, Paul Banks' Gesang ... alle werden erdrückt von einer einzigen, überlauten Bassdrum. In den Eröffnungsliedern "Success" und "Say Hello To Angels" zermalmt sie die übrigen Instrumente nur, aus dem zarten "Hands Away" macht sie, da jeder Taktschlag betont ist, ein Lied mit Bierzelt-Romantik. Jedes Viertel ein Hieb gegen den Kopf, da hört man auch mit viel Wohlwollen nicht mehr die Liebe aus dem Lied heraus, die Interpol einst hineinsteckten. Zu allem Überdruss spielt die Band einige Stücke sehr viel schneller als auf ihren Alben, wie zum Beispiel "Evil", sodass dem Rhythmus noch mehr und den Saiteninstrumenten sowie dem Gesang noch weniger Platz eingeräumt wird. Interpol sind eine tolle Band, doch dieses Konzert ist eine Qual. In "Take You On A Cruise" und der Zugabe "Untitled" blitzt ganz kurz durch, wie schön dieser Abend hätte sein können, als Paul Banks seiner Gitarre unbeschreibliche Töne entlockt und mit Rückkopplungen spielt. Für Momente natürlich nur, denn als die übrigen Instrumente einsetzen, versinkt sein Instrument erneut im Brei. Es ist, als wolle die Tochter ihrem Vater ein Lied vorsingen, während die Mutter staubsaugt. Sinnlos, frei jedweder Facette, einfach unerfreulich. Zumindest muss man sich nicht ärgern, dass Interpol "Pioneer To The Falls" nicht gespielt haben. Es hätte leider eh nicht gut geklungen.

Setlist Interpol:
Success
Say Hello To The Angels
Narc
Hands Away
Barricade
Rest My Chemistry
Evil
Length Of Love
Lights
C'mere
Summer Well
Take You On A Cruise
The Heinrich Maneuver
Memory Serves
Obstacle 1
---
Untitled
The New
Slow Hands
Not Even Jail

Links:
http://www.interpolnyc.com/
http://www.myspace.com/interpol
http://www.myspace.com/matthewdear
http://www.matthewdear.com/



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