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Mental Defect, Teach Me 2 Whisper   27.01.2011   Leipzig, Flower Power
von rls

Differenziertes Zeitmanagement bei Konzerten ist bisweilen sehr von Nutzen und erlaubt es dem Rezensenten an ein und demselben Abend ohne Probleme, zunächst die Finalrunde des Lortzing-Wettbewerbes zu erleben, dann einen Dienstweg zu erledigen und schließlich noch ein Metalkonzert zu besuchen, ohne irgendeinen Teil der musikalischen Darbietung einzubüßen oder sich auf den Wegstrecken sonderlich beeilen zu müssen. Kurz nachdem er das Flower Power betritt, beginnen Teach Me 2 Whisper mit ihrem Set, wobei dazugesagt werden muß, daß es sich beim Veranstaltungsort um eine winzige Kneipe handelt, deren Bühne ungefähr der ihrer Schwester in der Chemnitzer Arche entspricht - mit "drangvolle Enge" ist die logistische Situation also noch milde beschrieben, zumal die Bühne unmittelbar rechts neben dem Haupteingang liegt, so daß sich das ankommende bzw. abgehende Volk praktisch zwischen der ersten Publikumsreihe und der Band durchquetschen muß. Teach Me 2 Whisper machen aus der Not eine Tugend, indem sich Sänger Danny kurzerhand links neben dem Haupteingang auf einen Tisch stellt, wonach freilich sein Haupt schon wieder unmittelbar unter der Decke zu finden ist. Das Publikum freilich läßt sich die Stimmung nicht vermiesen, zumal auch der anfangs noch ziemlich üble Sound (außer Schlagzeug und Gesang ist mehr oder weniger nur ein Dauergeräusch aus den drei Saiteninstrumenten zu vernehmen) nach zwei, drei Songs etwas klarer zu werden beginnt und man somit auch Feinheiten in der Gitarrenarbeit erahnen oder gar erkennen kann. Und davon gibt es in der Metalcore/Melodeath-Mischung durchaus einige, wenngleich ein endgültiges Urteil einem weiteren Konzertbesuch mit richtig klarem Sound vorbehalten bleiben muß. Kurioserweise macht Danny beim Intonieren von "Happy Birthday" für einen gewissen Charlie eine stimmlich mehr als unglückliche Figur, indem er mit fast jeder Zeile einen Halb- bis Ganzton nach unten rutscht, aber die Cleangesänge in den Songs selbst bekommt er ohne Probleme hin und verleiht mancher Passage gar eine Art Hymnenfaktor; auch die restlichen, deutlich extremeren Artikulationen überzeugen durchaus. "Walk The Line" stellt offenbar so eine Art Mini-Hit des Quintetts dar, so daß der Sänger immer mal einzelne Anwesende bestimmte Zeilen ins Mikro brüllen läßt, und daß die Truppe auch Humor hat, beweist die Ansage, daß der Song "Will I Am" nach einem berühmten englischen Dichter benannt worden sei. Das gut gelaunte Publikum läßt die Truppe letztlich nicht ohne eine Zugabe ziehen, aber da offensichtlich keine weiteren Songs eingeprobt worden sind, muß "Walk The Line" nochmal wiederholt werden - keine schlechte Wahl freilich.
Setlist Teach Me 2 Whisper:
Intro
Ego
Passage
TM2W
Will I Am
Walk The Line
Fright
Soul Killer
---
Walk The Line

Vor einem analogen räumlichen Problem stehen selbstredend Mental Defect, und das hätte bei voller Bandbesetzung durchaus noch größer ausfallen können. Aber einen Bassisten hat die Truppe momentan nicht, und die Keyboards und Samples kommen auch vom Band, so daß nur fünf Leute untergebracht werden müssen. Lösung hier: Das gemischtgeschlechtliche Sangesduo und der Schlagzeuger bevölkern die Bühne, die beiden Gitarristen stellen sich vor dieselbe. Auch das Soundproblem ist hier deutlich vernehmbar, erst gegen Setmitte stellt sich eine brauchbare Pegelvariante ein, so daß man nicht nur die Schreie von Sänger Sanny dauerhaft deutlich hört, sondern auch die vielschichtigen Vocals seiner Partnerin Clodi, die von der heavenly voice bis zur zupackenden Rauhigkeit ein breites Spektrum kompetent abzudecken imstande ist und zudem im Alleingang für die Ansagen sorgt. Schwierig wird's bei der musikalischen Beschreibung, denn was anfangs bisweilen nach technischem Death Metal klingt, entwickelt während des Sets und mit zunehmender soundlicher Klarheit eher einen Eindruck, der in Richtung Gothic Metal, allerdings der härteren und flotteren Sorte, weist, was aber auch balladeske Elemente und selbst Scooter-Anleihen, für die man als Metaller bekanntlich eine Portion Humor braucht (selbst wenn Venom-Mantas dort mittlerweile Gitarre spielt), keineswegs ausschließt. Feinheiten in der Gitarrenarbeit beginnen sich auch im Set von Mental Defect (die übrigens in einheitlicher Oberbekleidung antreten, nämlich im Rotkreuz-Shirt) erst nach und nach hörbar herauszukristallisieren, und so bleibt auch die Tatsache, ob der offensichtliche Migrationshintergrund von Gitarrist/Bandkopf Tien musikalische Spuren im Schaffen der Band hinterlassen hat, einer späteren Analyse vorbehalten. Komischerweise können diverse der Die Hard-Anhänger von Teach Me 2 Whisper offensichtlich mit Mental Defect wenig anfangen, obwohl die Stilistika nun nicht so sehr weit voneinander entfernt liegen (und unter diesen Soundbedingungen schon gar nicht, zumal bei Mental Defect noch das Kuriosum hinzukommt, daß man als Hörer nicht so richtig feststellen kann, ob ein häufiges Grunddröhnen eine ungewollte Rückkopplung oder aber die Baßeinspielung vom Band darstellt), so daß sich der Raum direkt vor der Band etwas leert, auch das Applausometer nicht so weit ausschlägt wie beim Support und letztlich keine Zugabe eingefordert wird. Der Rezensent freilich hat sich bei beiden Bands gleichermaßen gut unterhalten gefühlt und nimmt sich vor, sie bei Gelegenheit nochmal unter anderen Soundbedingungen zu sehen.
Setlist Mental Defect:
Intro
Imhotep
Behind My Pride
Sad Curiosity
Age Of Ashes
May The Force ...
Won't Growing Up
Feel It
Wasted Love



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