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Finalrunde des 10. Lortzing-Wettbewerbes   27.01.2011   Leipzig, Hochschule für Musik und Theater
von rls

Die gute Idee eines Lortzing-Gesangswettbewerbes, die der Leipziger Zweig des Lions Clubs anno 2001, im Jahr des 200. Geburtstages Albert Lortzings, geboren hatte, hat sich als stabil erwiesen, so daß anno 2011 bereits die 10. Folge des Wettbewerbs über die Bühne gehen kann, diesmal allerdings mit dem Novum, daß als Wettbewerbsteilnehmer nicht nur Studenten der Leipziger Musikhochschule zugelassen sind, sondern auch welche der beiden anderen mitteldeutschen Musikhochschulen in Dresden und Weimar. So kämpfen am Vortag insgesamt elf Kandidaten mit je einem Lortzing- und einem Mendelssohn-Stück um den Einzug ins Finale, den die vier Besten schaffen. Selbiges Finale ist im Gegensatz zur Vorrunde (und der dieser vorgeschalteten Vorauswahl) öffentlich und findet im durchaus gut besuchten Großen Saal der Hochschule statt; jeder Sänger samt Klavierbegleiter hat hier ein Stück von Bach und eines von Mozart zu singen.
Die Moderation hat Evelyn Fischer übernommen; leider verzichtet man auf ihre tontechnische Verstärkung, so daß sie in der hinteren Hälfte der Zuschauerränge nur zu verstehen ist, wenn es im Saal mucksmäuschenstill ist, was die bisweilen etwas weitschweifigen Ausführungen über die Karrieren der neun bisherigen Wettbewerbsgewinner etwas ermüdend macht. Statt dessen wären ein paar Hintergrundinformationen über die Finalisten nützlich gewesen, etwa die, von welcher der drei teilnehmenden Hochschulen die Sänger denn im einzelnen kommen. Dann aber geht es endlich los, und zwar mit Carla Luise Frick, die man sich beim angestrengten Belauschen des Fischer-Vorwortes übrigens hinter der Bühne schon warmsingen gehört hat. Geholfen hat das offensichtlich nur bedingt, denn die in ein cremefarbenes Kleid gehüllte Sopranistin steigt in Bachs Arie "Jauchzet Gott in allen Landen" viel zu hektisch ein, und obwohl sie im Verlaufe des Stückes durchaus mehr Ruhe reinbringt, ist der Grundeindruck damit erstmal gestört, was übrigens nicht am durchaus flotten Tempo liegt. Gestaltungswille ist offensichtlich durchaus vorhanden, teils sogar in immensem Maße, aber die richtige Dosierung findet die Sängerin noch nicht durchgängig, obwohl sie mit einigen schönen, völlig ansatzlosen Übergängen und dem vom Rezensenten bekanntermaßen geliebten weichen Höhen durchaus punkten kann. Diesen Trumpf spielt sie dann auch in Mozarts Arie der Servilia "S'altro che lacrime" aus "La clemenzia di Tito" aus, singt dort nicht ganz so linienhaft wie manche Kollegin (über die Qualität der italienischen Aussprache schweigt der Rezensent, da er die nicht beurteilen kann), hat generell etwas mehr Ruhe drin als im Bach-Stück, aber hier hätte sie an mancher Stelle wiederum etwas mehr aus sich herausgehen dürfen. So kommt letztlich nicht mehr als freundlicher Applaus des Publikums heraus.
Der Bariton Sebastian Wartig steigt mit Bachs Arie des Fama "Kron und Preis gekrönter Damen" aus der Kantate "Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!", aus der bekanntlich etliche Elemente eine Zweitverwertung im Weihnachtsoratorium gefunden haben, ein. Er formuliert die Silben sehr exakt, läßt genau diese Exaktheit in der Tontreffsicherheit aber zugunsten einer gewissen Breitflächigkeit bisweilen vermissen, was er mit immenser Stimmpower und viel Pathos wettzumachen versucht. Leicht angestrengt wirkt er in den Höhen, während ihm die Tiefen deutlich leichter zu fallen scheinen. Mit der Figaro-Arie "Tutto é disposto: Aprite un po'quegli occhi" hat er als zweites Stück allerdings einen dankbaren Publikumsreißer auf dem Plan, den er in sehr zupackender Weise interpretiert, förmlich alles niederringen wollend und nur gelegentliche Anflüge zurückhaltender Emotionalität zulassend. Gepaart mit auch spielerischem Gestaltungswillen z.B. in den Jekyll-Hyde-Dialogszenen ergibt sich somit ein großer Showauftritt, den Mi Na Parks flockiges Klavierspiel noch wirkungsvoll unterstützt und der entsprechend in lauten Bravorufen, viel Applaus und einem Vorhang mündet.
Diana Kuznetsova hat die gleiche Bach-Arie wie Carla Luise Frick im Programm, nimmt das Tempo ähnlich flott, bringt aber insgesamt deutlich mehr Ruhe und Fluß in das Stück, obwohl ihre etwas gedeckte Stimme bei oberflächlicher Betrachtung nicht ganz so jauchzend ausfällt wie die Fricks. Knackpunkt sowohl des Bach-Stückes als auch Mozarts Arie der Konstanze "Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele" aus "Die Entführung aus dem Serail" sind allerdings die deutlichen Ausspracheschwierigkeiten der Sängerin im Deutschen - da tut sich also noch ein weites Arbeitsfeld auf. Die Inszenierung von Eindringlichkeit gelingt trotz mäßigen Tempos im Mozart-Stück anfangs nur bedingt, steigert sich mit zunehmender Spielzeit aber, die Laut-Leise-Dynamik überzeugt, auch die Höhen lassen, vom Spitzenton abgesehen, relativ wenig Wünsche offen, und gegen Ende hin entfaltet die in ein fleischrosa Kleid gehüllte Sopranistin fast Tränentreiberqualitäten. So erntet auch sie einige Bravi, recht intensiven Applaus und einen Vorhang.
Als letzter wirft Karsten Müller den Hut in den Ring, und er tut das zunächst mit einer ohne Wenn und Aber überzeugenden Interpretation von Mozarts Sarastro-Arie "O Isis und Osiris" aus der "Zauberflöte", für die einem an allererster Stelle das Wort "würdevoll" einfällt. Fast choralartig malt der Baß mythologische Bilder, artikuliert extrem deutlich, offenbart seine Möglichkeiten im Powerbereich und läßt lediglich mit der ultratiefen Schlußsilbe "auf" erkennen, daß sein Stimmvolumen vielleicht noch nicht endgültig seine volle Ausdehnung entfaltet hat. Danach wechselt sein Tastenbegleiter Christian Nolte als einziger ans Cembalo, um Bachs Arie "Ich freue mich auf meinen Tod" aus der Kantate "Ich habe genug" zu interpretieren. Hier wiederum läßt Müller eine paradoxe Art von Düsterfreude aufkommen, nimmt die schnellen Passagen flüssig, aber nicht hektisch, überzeugt so wiederum mit einem stimmigen Gesamtbild und hat eben nur den Nachteil, daß er im Gegensatz zu seinen beiden direkten Vorgängern eben kein klassisches Showstück am Start hatte und somit zwar ebenfalls lauten Applaus und einen Vorhang, aber keine Bravi bekommt.
Trotzdem ist Müller in der Gesamtbetrachtung der vier Finalisten der erste Anwärter des Rezensenten auf den Sieg. Während die aus Thomaskantor Georg Christoph Biller, Sonja Epping vom Gewandhaus, Franziska Severin von der Oper Leipzig, Peter Korfmacher von der LVZ und Barbara Hoene von der Staatsoper Dresden bestehende Jury berät, hätte eigentlich Daniel Ochoa, einer der früheren Wettbewerbssieger, als Überraschungsgast auftreten sollen, aber er fällt kurzfristig krankheitsbedingt aus. Zwei Grußworte später (Hanns Martin Schreiber, einer der Väter des Wettbewerbes an der Hochschule, ist der einzige, dessen Worte man klar und deutlich versteht) ist dann der spannende Moment gekommen: Den Sonderpreis für die beste Klavierbegleitung erhält Diana Kuznetsovas Partnerin Ayako Tanaka, die vor lauter Bescheidenheit gar nicht weiß, wo auf der Bühne sie sich verstecken soll, und den eigentlichen Hauptpreis bekommt nicht Karsten Müller, sondern Sebastian Wartig - eine interessante Entscheidung, wenngleich keine ganz unlogische. Der Sieger darf daraufhin noch einmal seine Stärken ausspielen, denn auch die Lortzing-Arie "Wie freundlich strahlt die helle Morgensonne - Heiterkeit und Fröhlichkeit" aus dem "Wildschütz", die er schon in der Vorrunde zu singen hatte, ist ein dankbares Showstück, das seinem Gestaltungsnaturell und seiner stimmlichen Prägung durchaus entgegenkommt und abschließend für gute Laune im Publikum sorgt.



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