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Audiolith Betriebsweihnachtsfeier: Frittenbude, Egotronic, Saalschutz   18.12.2010   Leipzig, Felsenkeller
von kk

Ein größeres Geschenk hätte das deutsche Label Audiolith Leipziger Elektro-Punk-Fans kurz vorm Fest wohl nicht machen können: Saalschutz, Egotronic und Frittenbude spielen im Felsenkeller ein Weihnachtskonzert. Die Deklarierung als "Betriebsweihnachtsfeier" hat scheinbar eine Vielzahl der Konzertbesucher veranlasst, etwas straffer vorzutrinken und so ist schon recht früh am Abend der kleine Schneehaufen vor dem Einlass festlich mit Bierflaschen geschmückt. Ein "Allee, Allee, ... eine Straße, viele Bäume, ja das ist eine Allee!" hier, ein "Hey, was geht ab?" da - die Anwesenden sind schon gut dabei. Jemand, der gerade am Felsenkeller vorbeigeht und rätselt, wer denn heute spielt, hält Bands wie Frauenarzt oder Pitbull vermutlich für gar nicht so unwahrscheinlich.
Textliche Parallelen zu den Genannten zeigen sich bei der ersten Bands des Abends, Saalschutz: "Jeder Körper tanzt jetzt / wie wenn's kein morgen gäbe." Inhaltlich noch Fragen? Zugegebenermaßen schwingt in den Texten der Züricher MT Dancefloor und DJ Flumroc auch etwas Ironie, Witz und Trash mit, deren Hauptzweck (Erheiterung) Saalschutz jedoch mit Bravour verfehlen. Versucht der Kopf sich nun flüchtend auf die Musik zu konzentrieren, wird er auch bei ihr enttäuscht. Denn zum einen sind die zwei Schweizer mit ihrer Dreifachdissonanz zwischen Gesang, Gesang und Melodie der Realität gewordene Albtraum des schlechtesten Karaoke aller Zeiten. Zum anderen sind die Techno/Electro/Punk-Songs des Duos nichts Halbes und nichts Ganzes. "Headliner der Herzen" versucht sich an Elektrogeballer, ist aber wegen einfallsloser Sounds drucklos, "Der Widerspruch" deutet Trance-Elemente an, bleibt aber inkonsequent. Warum die Züricher dennoch vom Publikum gefeiert werden, ist angesichts des präsentierten Niveaus unbegreiflich. Vermutlich sind Saalschutz der kleinste gemeinsame Nenner.
Mit Egotronic zieht mehr Musikalität und Aussage in den Felsenkeller ein. Das Berliner Trio eröffnet mit "Toleranz" und "Kotzen". "Ein freies Land, in dem wir leben / es muss doch solche und solche geben / musst tolerant sein, dann und wann / doch eure Toleranz kotzt mich an!". Das Publikum kennt die antifaschistischen und antideutschen Texte so gut, dass Sänger Torsun und seine zwei Kollegen schnell eine besondere Beziehung zwischen den Leipzigern und Egotronic feststellen. Es folgen eine Menge Publikumsspielchen: nicht ernst gemeinte "Nie, nie, nie wieder Saalschutz"-Chöre (in Anlehnung an die "Nie, nie, nie wieder Deutschland"-Rufe bei Egotronic-Konzerten), Arme nach oben und winken, Mittelfinger in die Luft und so weiter. Das Spektakel erhält sehr schnell einen bitteren Beigeschmack, denn so unreflektiert, wie das Publikum das wiederholt oder macht, was Torsun vorspricht oder erbittet, erwartet man sich bei all der zelebrierten Uniformität von einer so linken Band noch einen Nachsatz, der aber nicht kommt. Wer das als Showausrutscher abtun kann und sich generell politisch mit der Band identifiziert, hat am restlichen Konzert auf jeden Fall Freude: dicke Beats, grölbare Phrasen, das Superpunk-Cover "Die Bismarck", unzählige Zugaben und Egotronic in Höchstform.

Frittenbude
Mit "Hallo Leipzig, wir sind die drei kleinen Schweinchen!" betreten Frittenbude als letzte Band des Abends die Bühne und präsentieren dem mittlerweile vollen Felsenkeller letztendlich Elektropunk mit angenehm starker Neigung zum Techno. Es wabert, sirrt, dröhnt und knallt - kompromisslos, direkt und eindeutig. Songs wie "Hildegard" und "Fetter als gelb" sind druckvoller als alles von den Vorbands Gehörte und auch der Frittenbude-Remix von "Raven gegen Deutschland" macht deutlich mehr her als das Original von Egotronic. Auf die zusätzliche Textzeile "Wir haben euch was mitgebracht / Bass, Bass, Bass! / Für's Nazi- und Faschistenpack: / Hass! Hass! Hass!" haben sich die Anwesenden scheinbar besonders gefreut, denn die Inbrunst, mit der das Publikum unisono das dreifache "Hass" brüllt, ist beeindruckend und beängstigend zugleich. Man kommt nicht umhin, den Abend als Massenveranstaltung in dieser Hinsicht etwas sonderbar zu finden. Viele der Konzertbesucher scheinen die Aufforderungen von Frittenbude-Frontmann Johannes Rögner gar nicht mehr zu hinterfragen. Sein "Jetzt macht mal jeder für sich Lärm!" gerät auch zum Schuss in den Ofen, da das Publikum erneut einheitlich schreit. Man wird den Eindruck nicht los, dass Rögner die Anwesenden gerade zu Extremerem bewegen könnte. Insgesamt behält man auch die Musik nicht besonders positiv in Erinnerung: Ein Konzert dreier Bands mit größtenteils melodielosem Sprechgesang in meist unveränderter Stimmlage sägt an den Nerven. Nie, nie, nie wieder drei Audiolith-Bands live am Stück.

Links:
http://www.audiolith.net/
http://www.myspace.com/saalschutz
http://www.saalschutz.com/
http://www.myspace.com/egotronics
http://www.egotronic.net/
http://frittenbude.blogspot.de/



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