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The Dillinger Escape Plan, Cancer Bats, The Ocean   05.10.2010   Leipzig, Conne Island
von kk

Unter Berücksichtigung des Bekanntheitsgrads der Vorbands mag es vermutlich Sinn ergeben haben, erst The Ocean und dann die Cancer Bats spielen zu lassen. Unter musikalischen Gesichtspunkten jedoch nicht. Nun ja. Das Berliner Metal-Kollektiv The Ocean hat die gar nicht mal so unehrenvolle Aufgabe, den Abend zu eröffnen, denn das Conne Island ist beachtlich gefüllt. Mit den ersten Tönen verfliegen auch eventuelle Zweifel, dass das Konzeptalbum Anlass zum Fremdschämen gibt. Schließlich zitiert Sänger Loïc Rossetti da besonders langsam und deutlich Zeilen wie "And God said, let there be light" oder "Let there be a firmament in the midst of the waters" aus der Bibel, was zwar konzeptdienlich aber auch etwas befremdlich ist. Besagte Zweifel sind jedoch wie weggeblasen, wenn Rossetti wütend seine Stimme erhebt und so klingt, als könne er - wie der Wolf aus "Die drei Schweinchen" - Häuser aus Stein wegschreien. In langen instrumentalen Passagen verlegt sich dann der Fokus auf die Präzision der restlichen Bandmitglieder: Bei den Gitarren scheint keine einzige Klangfarbe dem Zufall überlassen, beim Drummer sitzt jeder einzelne Schlag. The Ocean funktionieren präzise wie ein Uhrwerk, äh, Sonnensystem.
Das könnte man auch von den darauf folgenden Cancer Bats sagen, jedoch kippt bei denen Präzision in Berechenbarkeit. Was sich bei den Kanadiern schon auf Platte als Schwäche erweist - Unverändertheit im Sound und kompositorische Monotonie -, ist live unerträglich. Der Sound im Conne Island verschwimmt, lässt alles noch viel indefiniter erscheinen und auf lange Strecken nervt Liam Cormiers Immer-am-Limit-Gesang einfach. Der Begriff "Dynamik" existiert in seinem Wortschatz nicht. Es gibt nur "laut", ohne Zugeständnisse. Musikalisch begeistert bei den Cancer Bats folglich nur wenig und auch die Performance wirkt steif und routiniert.

The Dillinger Escape Plan
Alles andere als das sind, wie erwartet, The Dillinger Escape Plan. Bereits im Opener "Farewell, Mona Lisa" rastet die Band aus. Sänger Greg Puciato schnappt im Publikum nach Händen, klettert Boxen hoch, springt wie wild zwischen seinen Bandkollegen herum und hängt sich später kopfüber an Metallstreben über der Bühne. Ohne auch nur irgendetwas von seinem Gesang bzw. Geschrei dadurch in den Hintergrund zu stellen. So wie er sich es von anderen Bands wünscht, klingt er "wie ein Wahnsinniger, der vermutlich gerade seine Stimme verliert". Am anderen Bühnenrand lebt parallel Gitarrist Ben Weinman sein Genie aus und spielt auch Läufe oder Soli, die so nicht auf Platte zu hören sind und sich komplexitätsbedingt auch nicht unbedingt immer erschließen. Zusammen mit Schlagzeuger Billy Reimer ergibt das Wahnsinn, mal Genie, mal pure Gewalt. Mit einer gut aus "Option Paralysis", "Ire Works" und "Miss Machine" gemischten Setlist ist die Show fast perfekt. Fehlt nur, dass der ganze Club ausrastet. Doch dafür stehen noch zu viele paralysiert da.



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