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No Silent Backlands   31.07.2010   Weißenfels, Schloßhof
von js

Die "No Silent Backlands" fanden am 31. Juli 2010 erneut in Weißenfels statt - ein Festival der Superlative. Dieses Jahr steht es jedoch nicht im Zusammenhang mit Begeisterung. Die Veranstaltung richtet sich vorwiegend gegen rechte Gewalt, daher könnte man annehmen, dass es vor allem junge Leute, die sich in der tendenziell linksorientierten Musikszene befinden, dort hin zieht. Falsch gedacht. Durch mangelnden Einsatz des Bürgermeisters und fehlende Sponsorengelder konnten die Veranstalter der Jugendinitiative Weißenfels von Glück reden, dass das Festival noch stattgefunden hat. Für nächstes Jahr geht der Trend weiter bergab. Wenn man es von den letzten Jahren anders kennt, war es dieses Mal etwas dürftig.
Wo sich sonst die Nutzung des Geländes auf dem gesamten Schlosshof bezog, wurde dieses Jahr nur eine kleine Fläche eingegrenzt und war für ca. 250 Menschen ausgelegt, von denen nur ca. 100 anwesend waren. Zahlreiche Negativäußerungen richteten sich gegen den Einlassbereich. Man durfte Eintritt in Höhe von 5 Euro bezahlen, was immer noch als human zu kommentieren ist. Jedoch konnte man bis zum Ende der Veranstaltung das Gelände nicht verlassen, da man sonst ohne erhaltenen Stempel oder erhaltenes Bändchen erneut den Eintritt bezahlen musste.
Daher ist es fraglich, ob die "No Silent Backlands" den Titel eines "Festivals" augenblicklich verdient haben, da Samstag der eigentliche Höhepunkt war und Donnerstag und Freitag wohl kaum Festivalstimmung aufgekommen sein dürfte. Die Bands haben auf ihre Gage verzichtet, damit für die Veranstalter keine zu hohen Kosten anfallen. Auch wenn Nesaia und Aliens Eat My Girlfriend die Hauptattraktionen waren, sind die Jahre zuvor auch andere Bands noch in Erinnerung geblieben, vor allem da man hier überragende Größen wie Caliban, Heaven Shall Burn, Neaera und Born From Pain gewöhnt ist.
Folgende Bands traten dieses Jahr auf:
1. Giants Never Tiptoe (Screamo)
2. Coldburn (Hardcore)
3. Dr. Fuzz (Garage Rock)
4. Nesaia (Metalcore)
5. Aliens Eat My Girlfriend (Breakcore / Hardcore)

Giants Never Tiptoe
20.00 - 20.30 Uhr
Die aus Thüringen stammende Band war bereits ein erstes kleines Highlight, denn der DIY-Gedanke kam in dem Fall in einer speziellen Art zum Vorschein. Der Sänger schwankte leicht eigenartig über die Bühne. Er versuchte eine Bühnenperformance aufzubauen, was ihm meiner Meinung nach nicht ganz gelang. Er wirkte recht unbeholfen. Die Gitarristen sowie der Bassist waren zu stark auf ihre Instrumente statt auf das Publikum fixiert. Dabei sei es dahin gestellt, ob es an mangelnder Erfahrung liegt oder an der Überzeugung unnahbar wirken zu wollen. Jedoch ist nichts gegen die Auswahl der Titel einzuwenden, da sie ein abwechslungsreiches Ganzes ergaben. Demzufolge ist an der musikalischen Umsetzung nichts auszusetzen. Teilweise waren Tendenzen vom Hardcore zu spüren, obwohl der Sänger nicht unbedingt deutlichen Gebrauch von Sprechgesangelementen zeigte. Nachteilig war allerdings, dass sich das Publikum nicht zum Mitmachen animieren ließ, was zugegebenermaßen nicht in der Absicht des Sängers lag. Denn jede Band, die als erstes bei einer solchen Art Veranstaltung spielt, bei der mehrere Bands auftreten, kann den Zeitnachteil zu spüren bekommen. Aber alles in allem sind Giants Never Tiptoe authentische Newcomer in der Screamo-Szene.

Coldburn
20.45 - 21.15 Uhr
Einen Fan mehr vor die Bühne zu bekommen, war ein großer Fortschritt für die 5 Jungs aus Leipzig. Der typische Metaleinfluss sowie unrhythmische Parts in Kombination mit einer ausgereiften Bühnenbewegung zeugten von einem in sich stimmigen Auftritt. Definitiv haben sie mehr mit dem Publikum agiert und konnten daher auch höheren Applaus erzielen. Mit einem klaren Statement in Form eines gezeigten Mittelfingers hat der Sänger seine Meinung gegen rechte Gewalt und zu den allgemeinen Themen, die sie in ihren Texten behandeln, zum Ausdruck gebracht. Aber etwas mehr Abwechslungsreichtum bei den Songs wäre wünschenswert.

Dr. Fuzz
21.30 - 22.15 Uhr
Trotz der längeren Spielzeit war diese Band aus Leipzig ein ziemlicher Break zu den anderen Bands, da ihr Garage Rock einen ziemlichen Schnitt zu der bisherigen Stimmung darstellte. Mit eher monotonen Songs, einer lahmen Motivation und wenig Interaktion mit dem Publikum war der Auftritt nicht halb so erwähnenswert wie die der anderen Bands. Der Sänger brachte seine einheitlichen Akkorde über die Bühne und der Schlagzeuger war immerhin von seinem eigenen Spiel begeistert, so dass Selbstüberzeugung kein Fremdwort für ihn sein dürfte. Jedoch war auch eindeutig ein gewisser Punkeinfluss zu spüren. Durch die karge Abwechslung innerhalb der Songs beschäftigten sich die Leute eher mit Konversationen und ihren eigenen Interessen statt dem Geschehen weiterhin zu folgen, was damit endete, dass man der Band halb den Rücken kehrte. Nachdem sie ihr Pflichtprogramm über die Bühne gebracht hatten, gab es zum Abschied einen Anstandsapplaus.

Nesaia
22.30 - 23.15 Uhr
Als die Naumburg-Metalcorer Nesaia auf die Bühne traten, war der Bann gebrochen. Der schmächtige Sänger hat sich die Seele buchstäblich von der kleinsten Zehe herausgebrüllt, dass einem das Himmelstaunen nicht mehr aus dem Kopf geht und man sich fragt, wo die Stimme eigentlich herkommt. Absolute Eigenheit der Band ist, dass der Sänger vor allem die Spoken Words und der Drummer den Part von Cleangesang übernimmt. Sie haben reine Suchtmelodien geschaffen und mit ihren experimentellen Strukturen durchdringen sie selbst das Zwerchfell auf das Mindeste, was vor allem bei den Keyboardelementen zu erkennen war, weil sie fast ins geniale "Kranke" abdrifteten. Es wäre sinnvoller gewesen, diese Band zum Headliner durchzuboxen. Die Leadgitarrensolis waren derart rausgeschmettert, dass sie einem Tage danach noch im Gedächtnis blieben, und man erlebte die typischen Gitarrenriffs, die man erwartete. Der Sänger hat dazu den anderen zwischendurch den Vortritt gelassen, was die Einnahme der Bühnenfläche immer weiter förderte. Zugleich waren sie die ersten des Abends, von denen man sagen kann, sie hätten das Image der Veranstaltung vollkommen getroffen. Der nahtlose Übergang hat diese Dreiviertelstunde mit Überziehung wie zehn Minuten erscheinen lassen. Uneingeschränkte Krönung war der Coversong von *NSYNC mit "Tearing Up My Heart", welches derart verändert gestaltet wurde, dass von dem ursprünglichen Song nichts mehr zu erkennen war.

Den Abschluss des Abends bildeten Aliens Eat My Girlfriend. Mit leichter Verspätung konnten sie ihren Auftritt ab 23:45 Uhr sogar mit deutlicher Überziehung der Zeit umsetzten. Motto: Lauter, Schneller, Härter. Diese Band hat ordentlich Chili im Blut. In mehr Worten kann man die Band eigentlich nicht beschreiben. Beide Sänger haben sich ein Battle aus hohem und tiefem Geschrei geliefert, dass selbst der letzte mit zum Pogen animiert wurde. Sänger Mitja ist für Scream, Growl und Cleangesang verantwortlich, wobei Sänger Chris den Cleangesang gerne durch Schweine-Quieken ersetzt. Jedoch lassen sich in diesem Hardcoregemetzel kaum Parts von Breakcore erkennen. Eher im Gegenteil, das Höchste der Gefühle sind schwache Tendenzen zum Deathcore. Der grandiose Auftritt war zu den anderen nicht zu toppen. Die Schmäckerchen hat man sich bis zum Schluss bewahrt, wie es sich gehört. Die Band mosht auf jeden Fall und wer sich das entgehen lässt, ist selbst schuld.



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