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Euphoryon   26.02.2010   Klaffenbach, Wasserschloß
von rls

Der Kombinationen aus Klassik und Rockmusik sind ja mittlerweile recht viele, aber Euphoryon haben doch noch eine nicht gerade übervölkerte Nische gefunden: Sie musizieren in der Basisbesetzung mit Cello und Gitarre (in einer erweiterten Besetzung kommt noch ein Schlagzeuger hinzu) und setzen mit diesen Instrumenten als Rock gedachte Kompositionen um. Die Basisbesetzung steht bzw. sitzt an diesem Abend im ausgebauten Dachgeschoß des Wasserschlosses Klaffenbach, einer auch überregional bedeutenden Sehenswürdigkeit am Südrand von Chemnitz, und ein geschätztes halbes Hundert Menschen will sich die Gelegenheit eines doch recht außergewöhnlichen Konzertes nicht entgehen lassen.
Euphoryon haben gerade ihre selbstbetitelte Debüt-CD herausgebracht, und die spielen sie mit Ausnahme von "Elchtest" und einem Schlagzeugintro auch komplett durch, ergänzt durch jeweils drei Solonummern eines der beiden Musiker und einen unkonservierten Titel namens "No More Bond" gleich an zweiter Setposition, der titelgemäß mit dem Bond-Thema spielt und in ein furioses Finale mündet. (Zumindest glaubt man so lange an diese Konstruktion, bis man die CD gehört hat - dort stellt man nämlich fest, daß der live als "No More Bond" angesagte Song auf der CD als "Elchtest" firmiert ...) Bis dahin hat man den Opener "Bibap" schon hinter sich und den Grundsatz der Ensemblearbeit begriffen. Beide spielen über Verstärker, beide teilen sich die Moderation (mit teils staubtrockenem Humor), beide verstehen sich förmlich blind, und beide loten spieltechnisch fast alles aus, was ihnen das Cello und die Akustikgitarre so für Möglichkeiten bieten (wenn kein Schlagzeuger da ist, müssen die Instrumente bisweilen auch für Perkussionseffekte herhalten). Als unsichtbaren Mitmusiker benutzt das Duo allerdings noch eine Loopstation, die offensichtlich auch eine ganze Menge an Funktionen beinhaltet, wie man an der plötzlichen Verdopplung der Loopabspielgeschwindigkeit im Cello-Solostück "Hinter den Liedern" oder an der variablen Zuschaltung mehrerer Parallelloops bemerkt. Von den Einflüssen her verarbeiten Malte (g) und Matthias (vc) offensichtlich alles, was um sie herum so an Musik durch die Lüfte schwirrt. Da ersetzen sie in "Heavy Country" eben mal die countrytypische Fiedel durchs Cello, bringen in diesem Stück aber auch noch ein Mozart-Zitat unter. "Das Lied vom friedlichen Ritter" wiederum greift titelgemäß auf Mittelaltereinflüsse zurück und hätte durchaus auch einem Ritchie Blackmore einfallen können. Und damit sind gerade mal erst die ersten vier Songs der Setlist genannt! ("Hinter den Liedern" kommt erst später.) Nach Lied 4 verschwindet Matthias von der Bühne, und Malte spielt drei Sologitarrenstücke: die stark stimmungswechselnde "Ballade des Nordens", in der er förmlich in sein Instrument hineinkriecht, das die Loopstation nutzende "Rising" mit A-B-A-Schema (A eher strukturiert, B recht wild) und schließlich "Evelyn", dessen einleitende Melodik einem irgendwie bekannt vorkommt. Nach Matthias' Rückkehr erklingt "Präambel", der CD-Opener, der mit seinem dramatischen Intro-Gesäge den Hörer anspringt, aber dann von Generalpausen förmlich zerhackt wird und eine geschickte Beschleunigung im Schlußpart erfährt. "Rondo", von Matthias auch "Rammel-Rondo" getauft, wechselt hernach geschickt zwischen noch wilderem Gesäge und episch-klebrigen Passagen, quasi die akustische Entsprechung des Ausraubens eines Bienenstockes, wobei Matthias in den wilden Passagen fleißig seinen Kopf schüttelt, was frisurbedingt (ein angedeuteter Iro) allerdings nicht so viel an optischen Effekten zeitigt, als wenn er eine klassische Langhaarfrisur besäße ...
Damit ist Teil 1 des Konzertes vorbei, Teil 2 wird mit Matthias' Soloblock eröffnet, in dem er vom klassischen Cello bisweilen zu einem E-Cello wechselt, das aussieht wie ein klassisches Cello mit Bulimie und in den Höhenlagen erstaunliche klangliche Parallelen zu einer E-Gitarre offenbart. Das bereits erwähnte "Hinter den Liedern" entwickelt sich über einem schweren Beat und beinhaltet leichte orientalische Anklänge in der Melodik, während die erste Hälfte von "Cool Jewel" mit dem E-Cello und der Loopstation bestritten wird, in der Mitte dann die Loopstation allein weiterspielt, während Matthias zum klassischen Cello wechselt und mit diesem ein Thema entwickelt, das verdächtige Ähnlichkeit mit Kiss' "I Was Made For Loving You" aufweist. Auch das Introthema von "Aufbruch" kommt einem irgendwie bekannt vor, ohne daß man es aber konkret einordnen könnte; für dieses Stück ist die Loopstation besonders wichtig, da sich nach hinten heraus immer mehr Loops überlagern und ein großes lautes Inferno auslösen. Danach kommt Malte zurück, und es geht mit "Krieger des Lichts" weiter, einer akustischen Reiseumsetzung im Stile eines Motivs von Paulo Coelho, oft düster, aber auch mit viel Hoffnungsparts, im Intro einen erstaunlich halligen Klang des E-Cellos nutzend und später auch noch Spaceeffekte auf dieses legend, so daß man sich an beste Monster Magnet-Zeiten erinnert fühlt. Das sich langsam aufbauende, harmonisch teils etwas schräge, aber immer lockere "Lichter der Stadt" ist laut Ansage kein Silbermond-Cover, obwohl es musikalisch durchaus eins sein könnte. Den Vogel des Programms schießt der "Froschtanz" ab, in dem das E-Cello einen ganzen quakenden und Paarungsaktivitäten vollziehenden Froschteich imitiert, inclusive Unterwassergeblubber und mimisch-gestische Untermalungen des Hauptsolos. Den regulären Set beendet "Es war einmal ... und dann", das Schaffen des Duos quasi noch einmal zusammenfassend mit seinem Wechsel aus Idylle und wildem Gesäge, das von einem friedvollen Schlußakkord beendet wird. Natürlich will das Publikum die Dresdner ohne Zugabe nicht gehen lassen, und so packen diese noch die einzige richtige Coverversion des Abends aus: "Popcorn" von Hot Butter, einen Song, dessen siebentöniges Hauptthema jeder kennt, der nicht gerade die letzten 35 Jahre in Isolationshaft verbracht hat, von dem aber kaum jemand den Titel oder gar den Originalkomponisten weiß. Das Thema wird vom Cello mal in Zupf-, mal in Streichtechnik umgesetzt und in mannigfachen Variationen verarbeitet, und nach reichlich anderthalb Stunden Bruttospielzeit endet ein Abend mit einer gekonnten Mixtur aus Unterhaltung und Anspruch, der nicht nur Freunden des rockmusikalischen Einbaus von Celli Marke Apocalyptica oder Cotu Cotu zum gelegentlichen Selber-Antesten empfohlen sei. www.euphoryon.de hält den Interessenten auf dem laufenden.



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