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Dear Reader, Ramona Falls   03.10.2009   Leipzig, Schaubühne Lindenfels
von kk

Es gibt Bands, bei denen ist noch nicht einmal der letzte Ton erklungen und der Saal erstickt im Applaus. Und es gibt Bands wie Dear Reader, bei denen sich dieser Moment bis zum Zerreißen zieht, weil man sich aus Ehrfurcht gar nicht sicher ist, ob man überhaupt klatschen darf. Bei den Südafrikanern wird diese Unsicherheit von dem Gefühl begleitet, die Band in ihren Live-Fähigkeiten unsäglich unterschätzt zu haben. Um Sängerin Cheryl MacNeil gesellen sich auf der Bühne der Schaubühne Lindenfels Bass, Schlagzeug, Violine und Gitarre, die niemand weniger als Brent Knopf von Menomena spielt. Der ist auch der Mastermind der Support-Band von Dear Reader, nämlich Ramona Falls, die im Prinzip Dear Reader selbst ist, lediglich mit vertauschten Rollen. Nicht Cheryl singt jetzt. Sie hält sich an der Gitarre im Hintergrund, während Brent die gesangliche Führung der Songs übernimmt. So entsteht fast ein männliches Negativbild von Dear Reader, mit dem Unterschied, dass Brents Songs von Taktwechseln und abrupten Brüchen geprägt sind. Nicht selten enden seine Kompositionen in ihrem Höhepunkt. Dem Gefühl, einer männlichen Version von Dear Reader mit etwas experimentellerem Einschlag zuzuhören, tut das keinen Abbruch.
Dear Reader als Main Act des Abends haben nun natürlich den Vorteil, sich bereits indirekt in die Herzen der Anwesenden gespielt zu haben. Die weibliche Gesangsstimme tritt jetzt in den Vordergrund und sofort stellt sich das wohlige Gefühl ein, das man beim Hören des Albums "Replace Why With Funny" verspürt. Die Lieder wirken live noch besser arrangiert als daheim, wobei das ausgeklügelte Songwriting auf der Bühne durch die sichtliche Spielfreude der Bandmitglieder verstärkt wird. Hinzu kommt außerdem, dass Cheryl ihre Songs nicht wie andere Sängerinnen einfach herunterspult sondern wirklich singt. Das fühlt man, auch bei "Heavy", dem einzigen neuen Song, der dem Publikum der Schaubühne heute gegönnt ist. Wenn das hoffentlich bald kommende Album dem neuen Material gerecht wird, werden Dear Reader Schwierigkeiten haben, ihre Konzerte derart gemütlich zu halten. Schon jetzt ist der nicht gerade kleine Saal gut gefüllt und die Stimmung bricht nicht ab. Die zwölf Songs verfliegen, der Abend wirkt wie auf eine halbe Stunde gestaucht.
Dear Reader
Mit "Great White Bear" verabschieden sich Cheryl und ihre Freunde, nicht ohne den Song kurz zu erklärt zu haben: Eisbären seien bei Infrarot-Licht nicht sichtbar. Für diejenigen, die sich vor der Polizei verstecken müssten, sei der Bauch eines Eisbären also praktisch, erklärt Cheryl. Nach dem musikalischen Höhepunkt des Abends will die Schaubühne die liebgewonnene Band nicht so recht gehen lassen. Erst die Hintergrundmusik im Saal würgt den Applaus ab. Kaum zu glauben, dass Dear Reader vor kurzem als Band noch Support-Status hatten. Lange dürfte man jedoch nicht warten müssen, um die Band wiederzusehen: Wenn sich Dear Reader nicht noch einmal umentscheiden, ziehen sie nämlich demnächst von Südafrika nach Berlin und dürften die gefühlsgierigen Leipziger sicher noch öfter beehren.

Setlist Dear Reader:
Never (Never Goes)
Dear (Dearheart)
Bend
What We Wanted
Way Of The World
The Same
Everything = Caving (Everything Is Caving)
Out³ (Out Out Out)
Heavy
Release Me
Better Than This
Fart Loudly
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Great White Bear

Links:
http://www.myspace.com/ramonafalls
http://www.myspace.com/menomena
http://www.dearreadermusic.com/
http://greatwhitebear.tv/



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