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Karma   30.05.2009   Eschefeld, Gaststätte Stiehl
von rls

Der Sportverein Eschefeld hatte bei den Feierlichkeiten zu seinem 50jährigen Bestehen Glück und Pech gleichermaßen: Zwar herrschte trübes Wetter, aber der Regen setzte erst am späten Nachmittag in etwas stärkerem Maße ein, so daß die Fußballspiele noch fast im Trockenen ausgetragen werden konnten (gelegentlicher Sprühregen allerdings machte das Geläuf schon früher tückisch). Im kulturellen Abendprogramm waren zunächst die Guggemusiker De Gwärschläschor als Open Air-Act vorgesehen, während der Gig von Karma in der benachbarten Gaststätte Stiehl stattfinden sollte. In einer milden und lauen Frühlingsnacht hätte man es sicherlich schwer gehabt, die Leute nach der Guggemusik noch einmal in die Gaststätte zu locken - aber hier half der Regen strukturell, denn der Gig der Guggemusiker wurde ebenfalls in die Gaststätte verlagert, und witterungsbedingt versammelten sich dort mit der Zeit eh alle Beteiligten des Festes, was in solchen Fällen "das halbe Dorf" bedeutet. Künstler und Zielgruppe fanden also problemlos zueinander, und das etwas durcheinandergewürfelte Zeitmanagement störte angesichts des offenen Endes auch nicht. Als der Rezensent wenige Minuten vor dem geplanten Anstoß Karmas in der Gaststätte eintraf, waren die Guggemusiker jedenfalls erst kurz vorm Ende ihres regulären Sets und hobelten in ohrenbetäubender Lautstärke mit Trompeten, Posaunen und allerlei Schlagwerk Liedgut der Marke "Dänen lügen nicht", äh, "Tränen lügen nicht" herunter - melodisch und harmonisch einfach, aber durchaus mit nicht zu verkennender rhythmischer Variabilität, allerdings schwankender musikantischer Treffsicherheit. Der Saal in der Gaststätte tobte trotzdem oder gerade deshalb, und so packten die Guggemusiker noch eine Zugabe nach der anderen aus, beispielsweise "Skandal um Rosi", bevor dann doch noch alles ein Ende hatte.
Man konnte um Karma nun eine gewisse Angst entwickeln, ob sie da stimmungsmäßig mithalten konnten - Antwort auf diese Frage: Sie konnten, wenn auch nicht bei allen Anwesenden. Das war rein stilbedingt, denn wer nichts mit Siebziger-(Hard-)Rock und dessen Sechziger-Frühformen anfangen konnte, der stand bei Karma von vornherein auf verlorenem Posten; einige Menschen verließen zudem den Saal mit der Äußerung, das sei ihnen zu laut, obwohl die Guggemusiker zuvor deutlich mehr Dezibel durch den Raum gejagt hatten. Nun fanden sich aber doch neben einigen Die Hard-Fans der im benachbarten Frohburg residierenden Band auch zahlreiche Eschefelder und sonstige Festgäste, die scheinbar in den in der DDR noch lange existierenden klassischen Rockdiscos (so etwas gab es hierzulande noch, als es in sich selbst als fortschrittlich ansehenden westlichen Musikzentren schon längst als uncool galt, handgemachte Rockmusik traditioneller Bauart zu hören) musikalisch sozialisiert worden waren, aber heutzutage nicht (mehr) zu den typischen Konzertgängern gehören und sich daher einen Ast freuten, von einer kompetenten und spielfreudigen jungen Band einen Strauß bunter musikalischer Blüten von damals überreicht zu bekommen. Karma spielten einen reinen Coverset mit Schwerpunkt in den Siebzigern und gelegentlichen Rückgriffen in die Sechziger; ein Vorgriff in die Achtziger unterblieb. Das Quintett legte mit "Jumpin' Jack Flash" los (ein geschickter Schachzug, denn das Durchschnittsalter der Besucher schien höher zu liegen) und füllte damit die Tanzfläche schon ordentlich, testete danach "Paranoid", stellte fest, daß sich auch dadurch die Fläche nicht leerte, und konnte sich dadurch einige Freiheiten in härterer Richtung erlauben, die ein durchschnittlich fünf bis zehn Jahre älteres Publikum vielleicht nicht mehr goutiert hätte. So erfreute sich die Zuhörerschaft an "Locomotive Breath" (ohne Liveflöte, sondern lediglich mit flötenartigen Keyboards, aber das störte niemanden ernstlich), "Whole Lotta Love", "Gypsy", "All Right Now", "Long Live Rock'n'Roll", "Radar Love" oder "Highway Star", übte sich auch im Mitshouten einiger markanter Passagen und erfreute sich generell bester Laune. Spieltechnisch ging nur das etwas zu holprige "Paint It Black" etwas in die Hose (hier hätte eine zweite Gitarre möglicherweise strukturell geholfen, aber der fünfte Mann Karmas steht am Keyboard, nicht an der Gitarre, wobei er genregemäß am Keyboard auch dringend gebraucht wird und dort sehr gute Arbeit verrichtete), von "Doctor Doctor" bleibt die MSG-Livefassung von 1981 weiterhin die ultimative, und das Riff von "Paranoid" hat man auch schon mal flüssiger gehört, wenngleich im Hinblick auf die Zielgruppe die Gitarre nicht ganz so drückend abgemischt war, wie man das in einem anderen Kontext vielleicht getan hätte. Im zweiten Set brachen dann bei "Smoke On The Water" alle Dämme, und auch der Rezensent konnte nicht mehr umhin, das Tanzbein zu schwingen und das Haupthaar zu schütteln; mit letztgenannter Aktivität war er eine von exakt vier Personen im Raum. Die zweite stand auf der Bühne am Frontmikro, die dritte und vierte waren weiblichen Geschlechtes, dunkelhaarig und ausgesprochen hübsch (und zudem mit musikalischem Fachwissen ausgestattet - welche Frau zwischen 20 und 30 kann schon "Child In Time" struktursicher mitkreischen?). Apropos "Child In Time": Dieses Stück setzten Karma als Zugabe an - das muß man sich auch erstmal trauen, denn bekanntlich ist es gesanglich äußerst anspruchsvoll. Aber Sänger Erdmann, erst vor nicht allzulanger Zeit zur Band gestoßen, jedoch souverän die Frontmann- und Publikumsanimateurrolle ausfüllend und geschmackvoll in ein altes Dream Theater-Shirt gehüllt, bewies sein gesangliches Können und gab sich in diesem Song keine Blöße. Wer große Variationen der Vorlagensongs erwartete, wurde freilich enttäuscht, auch von ausufernden Improvisationen hielten sich die Jungs fern, und Ausgrabungen irgendwelcher obskurer Songs fehlten ebenfalls - aber dafür war an diesem Abend auch nicht die Zielgruppe anwesend, und das, was man in den etwas über anderthalb Stunden hörte, machte Spaß. Punkt und Ziel erreicht.



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