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Oslo Gospel Choir   22.01.2009   Chemnitz, Stadthalle
von rls

Im Frühjahr 1988 suchte Tore W. Aas in einer Osloer Tageszeitung per Annonce Interessenten, die in einem neu zu gründenden Gospelchor mitsingen wollen. Er wurde vom Interesse förmlich überrollt, denn 300 Menschen meldeten sich auf diesen Aufruf, und eine Handvoll Auserlesener bildete die Gründungsbesetzung des Oslo Gospel Choir, der schnell eine derartige Qualität erlangte, daß er 1994 bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer den Olympiasong beisteuern durfte. Trotz mannigfacher Besetzungswechsel konnte diese Qualität bis heute gehalten werden (auch ein größerer Stapel CDs legt Zeugnis vom Können der Truppe ab), und so stand einer großen Jubiläumstour anno 2008/09 anläßlich des 20jährigen Bestehens nichts im Wege.
Allerdings wollte der Chor nicht alleine feiern - was lag also näher als die Einbindung der am jeweiligen Tourort aktiven Sängerinnen und Sänger? Ergo bestritt auch in Chemnitz ein 220köpfiger Projektchor samt Projektband den Auftakt des Konzertes, und dirigiert von Thomas Wagler, wirkte dieser Projektchor keineswegs wie ein zusammengewürfelter Haufen (die Kleiderordnung unterstrich den Charakter als operativ zusammengebasteltes, aber zusammengehöriges Ensemble perfekt: einheitlich schwarze Beinkleider, aber verschiedenfarbige Oberteile), sondern bekam etwa in "Father" hervorragende kanonartige Wirkungen hin. Auch die Projektband machte ihre Sache gut, und so war der Grundstein für ein gutes Konzert gelegt.
Der Oslo Gospel Choir selbst trat dann mit leicht reduzierter Besetzung an - von den 17 im Programmheft angekündigten Sängern fehlten zwei, aber das tat dem Gesamtklang keinen Abbruch. Auch hier war wieder eine "integrative" Herangehensweise gefragt, die für Vielfalt sorgte und zugleich andere Stärken der Mitglieder zum Tragen brachte: Ingelin Reigstad Norheim kann Akustikgitarre spielen? Okay - dann darf sie das in einem der Songs. Ingelin und ihre Zwillingsschwester Hildegunn Garnes Reigstad bilden ein Singer-/Songwriterduo namens Garness? Okay - dann dürfen sie gleich mit vier Songs den zweiten Block des Konzertes nach der Pause eröffnen. Und besonders diese vier Songs erwiesen sich als Entdeckung - nicht nur daß die beiden stimmlich perfekt harmonierten, auch das Songwriting selbst überzeugte zumindest in der Liveumsetzung, die von den vier Instrumentalisten der Begleitband kompetent unterstützt wurde. Am höchsten zu punkten wußte dabei das fragile "In A Little While", das quasi die Garness-Version von HammerFalls "Glory To The Brave" bildet und den Schluß des Viererblocks darstellte, bevor der Chor mit "Oh Happy Day" wieder ins Geschehen eingriff, damit nur scheinbar einen Kontrapunkt zu "In A Little While" setzend. Unter dem bei Chören generell verbreiteten Herrenmangel litten die Osloer übrigens nicht, und von den 15 Mitgliedern nahm knapp die Hälfte auch solistische Aufgaben wahr, wobei sich der Tenorsolist von "Oh Happy Day" als verkappter Entertainer entpuppte, der wie weiland Prince über die Bühne stolzierte, allerdings sich trotzdem jederzeit dem Gesamtziel, also dem Gotteslob, unterordnete. Wer in den Texten sowohl der Eigenkompositionen als auch der eingestreuten Traditionals tiefgründige theologische Auseinandersetzungen suchte, wurde nicht fündig, aber das ist für das Genre des Black Gospel ja typisch und in dessen Entstehungsgeschichte begründet. Apropos "Black": "Schwarze" Stimmen, die man ja auch unter dem Teil der Bevölkerung ohne negroide Vorfahren immer mal findet, hatten die Osloer nicht dabei, und sie setzten selbst an die expressiveren Momente (und die waren schon nicht reichlich gesät) eine kontrollierte Dynamik an, die für Black-Gospel-Verhältnisse schon fast als Sterilität anzusprechen war, wenngleich Ausfälle wie der vom sächsischen Landesjugendcamp 1999, als Egil Fossum einen Chor leitete, der so grell klang, als ob man mit einer Eisenstange auf einen Haufen Aludachrinnen einprügeln würde, hier dankenswerterweise ausblieben. Und obwohl der Chor mit professionellem Anspruch musiziert und diesen generell auch rechtfertigte (selbst wenn Tore W. Aas sein Dirigat auf Mindestmaß-Gesten beschränkte oder ganz einstellte, verließen die Sänger die vorgegebene Linie nicht, unterstützt natürlich auch von der wie eine Eins spielenden Band), fand sich doch auch hier mal der eine oder andere kleine Problemfall in Form von ausfasernden Schlußtönen oder (scheinbar ein typisches Problem für diesen Chor, nimmt man seine Häufigkeit als Maßstab) kleinen Unexaktheiten bei den Schlußwirkung assoziierenden Tempoverlangsamungen - diese Fälle hatten allerdings den angenehmen Nebeneffekt, den im Bereich des Möglichen liegenden Eindruck der Sterilität etwas zu relativieren. Äußerst lebendig agierte jedenfalls die vierköpfige Band, deren Mitglieder in "Grace" auch breiten Raum für solistische Darbietungen eingeräumt bekamen. Für die letzten beiden Songs kam dann noch einmal der Projektchor auf die Bühne, diesmal mit den Osloern gemeinsam. "Glory To God Almighty" hielt das Tempo noch einmal hoch (man hatte den Set generell recht schnell begonnen, später das Tempo aber arg heruntergeschaltet, so daß speziell der Schlußteil des ersten Sets sich etwas wie Kaugummi hinzuziehen begann), "Shine Your Light" senkte es wieder und bildete mit seinem hymnenhaften Charakter und mantraartig wiederholten Refrain die akustische Auszugskulisse zunächst für die Norweger und dann für die Deutschen, so daß ein paradoxes Szenario entstand: Nachdem der letzte Ton der letzten ausmarschierten deutschen Sänger in der Halle verklungen war (der Projektchor war allerdings so enthusiasmiert, daß er backstage noch minutenlang weitersang), war niemand mehr auf der Bühne, dem das Publikum seinen Schlußapplaus hätte spenden können, und da keine Zugabe eingeplant war, kam auch niemand mehr auf die Bühne. Irgendwie eigenartig, aber den generell lohnenden Charakter des Konzertes nicht trübend. Im Februar 2009 stehen noch drei Zusatztermine an - wer sich das Erlebnis also noch gönnen will, findet auf www.gospel.de alle relevanten Informationen.

Songpool der Jubiläumstour (an jedem Abend variiert):
Got Me Some Angels
Sweet Jesus
In The Name Of Jesus
He Loves Me
I Call On Your Name
Worthy Of All Praise
We Lift Our Hands
Born Again
His Name Will Shine
Celebrate
Your Love
Get Together
I'm Willing To Go
My Tribute
Never Gonna Lose My Way
This Is The Lords Doing
Glory To God Almighty
The New Millennium
Grace
Kyrie
Bridge Over Troubled Water
God So Loved The World
Oh Happy Day

+ Garness
+ Projektchorset
+ Glory To God Almighty und Shine Your Light gemeinsam mit Projektchor



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