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35 Jahre Adora   05.09.2008   Burgstädt, Stadtkirche
von rls

Wenn eine Band anno 2003 ihr 30jähriges Gründungsjubiläum begeht, steht folglich anno 2008 das 35jährige an, sofern nicht Widrigkeiten wie eine Auflösung dazwischenkommen. Adora gibt's zum Glück noch, wenngleich in gelegentlich wechselnder Besetzung vor allem seitens des Chores, was eine konsequente Arbeit nicht gerade erleichtert, aber wohl das Schicksal aller größerer Formationen im strukturschwächeren Teil Deutschlands sein dürfte. Adora hatten es jedenfalls geschafft, die Lücken zu füllen, setzen nach wie vor in gewissen Abständen neue Großprojekte im rockoratorischen Bereich auf die Agenda, deren neuestes auf den Namen "Jedermann" hört, hatten für den Gig zum 35jährigen Bandbestehen aber ein anderes Konzept gewählt, nämlich eine Reise durch die Geschichte der Band, die immerhin mehr als 150 eigene Songs umfaßt und dazu auch noch einen Stapel Coverversionen. Das hatte freilich zur Folge, daß die Songs aus den Oratorien alleinstehend funktionieren mußten, ohne in einen großen Rahmen gestellt zu werden - aber diesbezüglich hatte die Setlistauswahlkommission ein durchaus glückliches Händchen bewiesen. Immerhin erklang mit 19 Nummern im Hauptset (plus eine instrumentale Introduktion plus eine Zugabe namens "Everybody Everywhere", "damit man sieht, daß wir auch Fremdsprachen beherrschen", so die launige Anmoderation von Ute Ihle) mehr als ein Zehntel des Adora-eigenen Schaffens, das allerdings entgegen der Ankündigung nicht aus mehr als 30 Jahren Bandgeschichte stammte, sondern "nur" aus knapp 25. Zum einen hatte man das aktuelle "Jedermann"-Oratorium komplett außen vor gelassen, zum anderen datieren die ersten eigenen Songs der damals noch unter dem "Arbeitstitel" Burgstädter Kirchenband laufenden Truppe erst aus den Endsiebzigern (aus der Feder des einen Hauptkomponisten Jörg Börner, der mittlerweile nicht mehr mit dabei ist, während der andere Hauptkomponist Andreas Munke heute als zentrale Figur von Band und Chor Adora wirkt), während man sich in der Zeit von der Gründung 1973 bis hin zu eben diesen ersten eigenen Kreationen auf das Interpretieren fremden Liedgutes konzentrierte. Was freilich die Band schon damals draufhatte, zeigten einige dieser uralten Songs, z.B. das gleich an Setposition 2 nach dem Intro stehende "Christus ist mein Leben", das für die christliche Frühachtziger-Szene, noch dazu in der DDR, knüppelharten Rock darstellte, der seinerzeit noch keineswegs salonfähig war, aber gerade bei der Jugend einen sehr großen Stellenwert besaß. Aber auch bei stilistisch entgegengesetzten Nummern wie dem reinen Chorstück Song 5, dirigiert von Martin Munke, konnten Adora überzeugen, wenngleich in einigen anderen Songs zwei Dinge auffielen: Einesteils hinterließ die geringe Probenanzahl im Vorfeld (die üblichen Zeitprobleme) angehörs des für viele der Sänger quasi Neuland darstellenden Materials, das teils Jahrzehnte nicht mehr gespielt worden war und partiell eine Dekade älter war als die jüngsten Chormitglieder wie beispielsweise Cornelia Munke, einige Verbesserungsmöglichkeiten in der Gesangsleistung, und zum anderen bemerkte man genau dieses Problem im solistischen Bereich deutlich stärker als im insgesamt guten Chorklang - solistisch konnte noch nicht jeder Beteiligte hundertprozentig überzeugen (die in "Rose der Nacht" ans Klavier und Mikrofon wechselnde etatmäßige Schlagzeugerin Kerstin Arnold etwa wirkte in diesem Song zwar emotional sehr überzeugend, aber vielleicht sogar ein wenig übermotiviert), manche wurden auch vom Chor oder Duettpartner ein wenig zu sehr zugedeckt, und bis man sich an die schwierigen, wenngleich keineswegs schlechten Soundverhältnisse gewöhnt und sein Ohr richtig "geschult" hatte, um die Nuancen herauszuhören, vergingen auch einige Songs. Eine sehr gute Leistung boten die Instrumentalisten, soweit man sie hören konnte (einige Gitarren und Keyboards verschluckte der Sound leider, aber die meiste Zeit konnte man zweifellos zufrieden sein), und gerade Andreas Munkes zumeist einen sehr kantablen Gestus aufweisende Gitarrenleads machten einen nicht unbeträchtlichen Reiz des Materials aus, das sich generell durch eine große refrainseitige Eingängigkeit auszeichnet, aber nie ins Platte abgleitet, selbst wenn man Songs bisweilen sehr kompakt inszeniert - "Die Flut" wiederum stellte auch in der gespielten gekürzten Fassung (das Original dauert mehr als acht Minuten und stammt logischerweise aus dem Noah-Oratorium der Band) erstklassigen Artrock dar, so daß man Kollege Thomas' vor einigen Jahren geäußertes Verdikt, das Erbe diverser DDR-Artrock-Legenden sei bei Sunrise in guten Händen, auch auf Sunrises Ortsnachbarn Adora übertragen darf. Zudem präsentieren sich Adora einesteils als konsequente Rocktraditionalisten (Uriah Heep, Queen, Jethro Tull - sie alle hört man gelegentlich durchschimmern), aber auch als mit einem glücklichen Händchen für einzelne stilfremde Elemente ausgestattet, wie der geschickt eingeflochtene Strophenrap in "Einzug der Tiere" bewies (der vom Vocalflow her freilich noch ein wenig flüssiger hätte kommen dürfen). Wie es sich zu einem runden Bandgeburtstag gehört, waren auch etliche Ex-Mitglieder anwesend, die zumindest für einen Song noch auf die Bühne gebeten wurden und ohrenhörlich nichts verlernt hatten (der Song scheint eine Art lokaler Mini-Hit in Burgstädt zu sein, denn auch das leider nicht in unübersehbaren Scharen die Kirche bevölkernde Publikum sang partiell fleißig mit), zumal für den mit überdurchschnittlicher Sehkraft gesegneten Besucher links auf einer Leinwand auch noch die Texte eingeblendet wurden. Wie es sich für einen ordentlichen Livegig gehört, ging auch mal was schief (etwa als Moderatorin Ute als nächsten Song "Halleluja" ankündigte, das aber erst zwei Nummern später an der Reihe gewesen wäre - sie überspielte den Patzer im Nachgang aber gekonnt, wenngleich generell in vielen Ansagen noch ein wenig mehr Lockerheit anstelle einer "Feierliche-Rede-Atmosphäre" hätte herrschen dürfen; zumindest der Informativitätsgrad mit Hintergrundgeschichten und Herkunftsangaben der Songs stimmte aber), was das Publikum aber nicht vom Spenden reichlichen Applauses abhielt, und der eine oder andere nutzte nach dem leicht angedüsterten, aber feierlichen Closer "Was mir bleibt, bist du" (=Christus, wer sonst?) und der erwähnten Zugabe auch die Gelegenheit, gleich noch die brandfrische "Jedermann"-DVD, die erst am Konzertmorgen aus dem Preßwerk gekommen war, zu erwerben. Hernach versammelte sich der fast komplette Bandtroß samt Assoziierten (wie dem Rezensenten) noch im Gemeindehaus, um in fröhlicher gemeinschaftlicher Runde die DVD anzuschauen; wer dies bei sich zu Hause ebenfalls tun oder einen der noch anstehenden "Jedermann"-Gigs besuchen möchte, hole sich auf www.adora-band.de nähere Informationen. Und was gibt's dann 2013 zum 40. Geburtstag?



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