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Feel Alive, Heaven Falls Down, Cirdan, Breaking Clarity   08.02.2008   Chemnitz, Heilse
von rls

Die Heilse ist der gemeinsam betriebene Stützpunkt der Chemnitzer Heilsarmee und der ortsansässigen Jesus Freaks. In dem Komplex proben verschiedene Bands, und es gibt auch einen kleinen Veranstaltungskeller. "Klein" ist dabei in mehrerlei Hinsicht wörtlich zu nehmen, einesteils von der Grundfläche her (bei 100 Besuchern dürfte da schon drangvollste Enge herrschen), zum zweiten in puncto Bühnengröße (eine großartige Bühnenshow kann man sich, wenn man nicht gerade Alleinunterhalter ist, von vornherein abschminken) und zum dritten, was die Höhe der Lokalität angeht (hätte der Rezensent einen Iro, könnte er selbst an den höchsten Stellen des Tonnengewölbes beinahe die Decke kehren, und an Stagediven wäre von vornherein nicht zu denken, weil man zwischen den Köpfen der Besucher und der Gewölbedecke steckenbleiben würde). Nichtsdestotrotz machten sich an diesem Abend vier Nachwuchsbands auf, um die Räumlichkeit zu beschallen, und eine ansehnliche Besucherzahl, in welcher der Rezensent, wäre da nicht vermutlich noch das eine oder andere Bandmitgliederelternteil anwesend gewesen, mit Abstand den Alterspräsidenten gestellt hätte, fand sich im Keller ein.
Breaking Clarity starteten mit nur wenigen Minuten Verspätung und überraschten, indem der erste Song nach dem Intro nach gerade mal einer Minute schon wieder zu Ende war - ob geplant oder nicht, muß offenbleiben. Das Quintett spielte seinen ersten Gig überhaupt und präsentierte - jawohl, richtig geraten, Metalcore, und zwar solchen der völlig unoriginellen, aber wenigstens unterhaltsamen Sorte. Leider hatten die jungen Chemnitzer unter einigen technischen Problemen zu leiden (beim nächsten Mal werden sie sicherlich von vornherein ihre Bassdrum so befestigen, daß sie nicht nach vorn hin abzuhauen beginnt), und auch der Sound steigerte sich zwar nach recht matschigem Beginn noch auf ein halbwegs annehmbares Level, ließ aber doch noch den einen oder anderen Wunsch offen. Wenigstens hörte man die bisweilen recht schneidenden Leadgitarren durch, wobei das Zusammenspiel noch nicht die ultimative Qualität erreicht hatte und manche Passagen vermutlich eher ungeplant etwas schräg klangen; ob dagegen die aberwitzigen Rhythmusverschiebungen im Intro des zweiten und im Hauptbreak des vierten Songs Spielfehler oder aber originelle Einwürfe darstellten, muß an dieser Stelle ungeklärt bleiben. Der Sänger markierte im Rahmen des wenigen Platzes den Aktivposten auf der Bühne und wechselte kompetent zwischen herbem Gekreisch und mäßig aggressivem Gebrüll; an der Melodiehaltefähigkeit in den wenigen gebremsten Passagen muß er noch feilen, offenbarte dort aber eine interessante angerauhte Stimme, die vom Anrauhfaktor her (natürlich nicht von der Stimmlage ...) ein wenig mit Sina von Orphan Hate vergleichbar ist. Generell siedelten Breaking Clarity näher am Metal als am Core und packten an dritter Stelle sogar eine Halbballade aus, die im zweiten Teil astreines Thrashriffing transportierte. Das Cover an vorletzter Setposition hat der Rezensent spontan nicht erkannt (irgendwas mit "Victim" laut Ansage), und der beste eigene Song des Sets war der erwähnte vierte, der sich thematisch übrigens um den Besuch des Schahs von Persien in Berlin 1967 dreht, in klassischer A-B-A-C-A-Form aufgebaut ist und, da diverse Enthusiasten eine Zugabe einforderten, die Band aber ihr Repertoire ausgeschöpft hatte, noch ein zweites Mal erklang.
Cirdan waren aus Olbernhau angerückt und spielten - jawohl, richtig geraten, Metalcore, der es immer dann, wenn man zu gähnen beginnen drohte, weil alles nach Stangenware klang, schaffte, kurz mit einem halbwegs originellen Einfall das Interesse wieder zu wecken. Zu diesem Zweck dienten beispielsweise einige völlig aus dem Nichts anrückende, aber keineswegs nach Fremdkörpern tönende Akustikbreaks. Allerdings hatte auch dieses Quintett etwas unter den Soundverhältnissen zu leiden, und zwar noch stärker als ihre Vorgänger. Der Bassist stand nicht nur physisch im Mittelpunkt, sondern gemeinschaftlich mit dem Schlagzeuger (welchselbiger übrigens recht große Fähigkeiten aufzuweisen schien) auch akustisch, dazu kam der Sänger, während von den Gitarristen viel zu wenig zu hören war. Das war schade, denn die erwähnten Breaks machten deutlich, daß auch sie nicht erst seit gestern spielen, und im kurz-knackigen "The Bitterness" versuchte sich der linke Gitarrist sogar an einem noch nicht sonderlich komplizierten, aber hübschen Tappingsolo. Der eindeutige Schwachpunkt der Band stand allerdings am Mikrofon, denn der Sänger konzentrierte sich auf extrem monotones und daher schnell langweilendes hardcoriges Gebell ohne jegliche Variation; schaltete er doch mal auf Cleangesang um, wünschte man sich, er würde schnell wieder zum Gebell zurückkehren, so sehr lag er neben den melodischen Spuren. Da ist also noch einiges an Arbeit vonnöten, auch was die generelle Professionalität des Auftritts angeht. Wenn man immer so extrem lange Pausen zwischen den Songs macht, muß man sich nicht wundern, wenn der Soundmensch plötzlich die Umbaupausenmusik einschaltet, obwohl der Set eigentlich noch gar nicht zu Ende zu sein schien; auch als der letzte Song nach den ersten Strophen abgebrochen wurde, wiederholte sich das Spiel, weil keiner wußte, daß auch das eigentlich noch nicht als Ende geplant war (was es dann aber doch darstellte, weil das Publikum einfach ging).
Heaven Falls Down bestritten den Gig mit einer interessanten Besetzung von viereinhalb Menschen - der zweite Gitarrist war neu in der Band und hatte erst vier Proben mit absolviert, also noch nicht das komplette Programm intus. Die viereinhalb Menschen spielten - jawohl, richtig geraten, Metalcore, allerdings solchen mit starker Death Metal-Schlagseite, wobei man sich nicht so richtig entscheiden konnte, welche Sorte Death Metal man denn ins Gemisch einbauen wollte. So geriet der erste Song fast zu reinrassigem Doom Death, später versuchte man sich eher an schwedischem Death Metal zu orientieren, wußte aber auch nicht so richtig, ob lieber an der melodischen Göteborg- oder der klassischen Stockholm-Schiene. Vielleicht hätte ein besseres Soundgewand die Einordnung leichter gemacht, denn auch hier waren die Drums viel zu dominierend, und speziell die vom ersten Gitarristen allein bestrittenen Stücke klangen durch die fehlende Rhythmusgitarre zu dünn. Mit dem Bassisten stand der einzige Langhaarige des Abends auf der Bühne, und der nutzte die Gelegenheit zum Dauerbangen, während der Sänger mit extrem tiefen Death Metal-Vocals begann, diese Tiefe aber nur über zwei oder drei Songs halten konnte und danach unten deutlich zu kraftlos klang, an der Stimmpowertransportierung also noch üben muß (die Kreischparts hingegen gelangen ihm recht gut). Die eigentümliche Mixtur der Band wußte anfangs durchaus zu gefallen, wurde mit der Zeit aber langweilig, was mit einer stärkeren Profilierung (am reizvollsten sicherlich gen Doom Death) und der vollen Integrierung des zweiten Gitarristen vielleicht behoben werden kann.
Feel Alive reduzierten das Bühnenpersonal weiter, denn sie traten als Quartett an, und der zweite Gitarrist, der auch die Backingshouts übernahm, gehörte noch nicht mal zur regulären Mannschaft, sondern half nur aus, was man als mit dem Material bisher nicht vertrauter Hörer allerdings kaum bemerkte (allenfalls mal an zwei oder drei Stellen, wo er scheinbar seinen Gesangseinsatz versäumte). Die Band spielte - nein, nicht richtig geraten, keinen Metalcore, sondern Emo, und auch sie lief nicht in Gefahr, dem Genre irgendeine neue Zutat zu verpassen, tat das, was sie tat, aber durchaus solide. Vor allem das Riffing offenbarte etliche gute Ideen, wohingegen das Solospiel noch Verbesserungsmöglichkeiten offenbarte. Der Sänger (der auch Leadgitarre spielte) entpuppte sich als derjenige des Abends, der das beste Melodiehaltevermögen besaß, wobei das freilich in Relationalität zu sehen ist, also auch hier noch die eine oder andere Steigerung drin ist. Nichtsdestotrotz war der Band auch Selbstironie nicht fremd, wie die augenzwinkernd-selbsternannte "Emohymne" (die in der Tat eine solche darstellte - und keine schlechte!) verdeutlichte; der interessanteste Moment des Gigs war freilich das ausgedehnte Intro zu "Live Your Life" an zweiter Setposition, das die drei Saiteninstrumente ohne Drums mit gekonnt gesetzter Melodieführung bestritten. Apropos Drums: Der Drummer war winzig klein (keine Ahnung, ob noch altersbedingtes Wachstum ansteht oder nicht), spielte aber einen äußerst soliden Part. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit hatte sich der Keller während des Sets etwas geleert, was einige Figuren im letzten Song noch dazu nutzten, einen Moshpit anzuzetteln, der mit seinem kampfsportähnlichen Charakter wieder einmal unter Beweis stellte, daß es mit der Rücksichtnahme auch in der christlichen Ecke der Szene nicht weit her ist. Der Rezensent malt sich nicht aus, was hätte passieren können, wenn das in der engen Räumlichkeit noch eher losgegangen wäre - aber Moralpredigten helfen in diesem Kontext ja schon lange nicht mehr weiter. Schade - sowas versaut den rückblickenden Eindruck nämlich stärker als nötig, denn musikalisch war's selbstredend keine Offenbarung, aber auch nicht schlecht.



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