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Saga, The Urge   22.11.2007   Mannheim, Maimarktclub
von gl

Der Maimarktclub in Mannheim, in direkter Nachbarschaft zur neuen SAP-Arena, wurde aus der Not geboren, eine Auftrittsmöglichkeit zu schaffen, die größer als Capitol und Alte Feuerwache, jedoch kleiner als der Rosengarten ist. In dieser Größenordnung gab's nämlich in der Kurpfalzmetropole jahrelang nichts, und in der Ludwigshafener Eberthalle finden ja seit Ewigkeiten (2002, Manowar ... seitdem?) auch keine Rockkonzerte mehr statt, die miserable Akustik hat sich wohl endgültig herumgesprochen ...
Somit sind die heute knapp 2000 erschienenen Fans eine weitere Bestätigung meiner Theorie (siehe letzte STATUS QUO-Konzertbesprechung), dass klassische Rock-Bands heute mehr Leute ziehen als noch bei ihren letzten Auftritten und der geplante Auftritt von Fury in The Slaughterhouse an gleicher Stelle spricht auch dafür; wie SAGA spielten diese nämlich ihre beiden letzten Konzerte im zwar feineren aber eben kleineren Capitol (Fassungsvermögen ca. 1200 Personen). Und trotzdem kommen heute nicht alle, die möchten, in den Genuss, denn das Konzert ist ausverkauft.
Dass die Location den Charme einer Fabrikhalle hat, ist sicher den meisten egal, denn heute Abend gibt es das letzte SAGA-Konzert in der Gegend, Sänger Michael Sadler hat seinen Abschied bei den Kanadiern verkündet, und das will keiner der Fans (besonders hier in der Pfalz gibt's etliche treue Anhänger, Fanclub in Speyer z.B.) verpassen. Zuvor gab's noch die letzte, wiederum großartige Platte "10 000 Days", so dass bereits vor der Show eine freudige lockere Erwartungshaltung vorherrschte.

Sänger und Gitarrist Jonathan Boyle  Der Mann an der Gitarre: John Miles jr, Sohn des berühmten John Miles

THE URGE-Bass: Neil Harland  Drummer Simon Ferry von - siehe Drumkit
Und die wurde von den Engländern THE URGE optimal genutzt, ihren erdigen Rock'n'Roll zu verkünden. Hier hat eine Vorgruppe den ihr zustehenden Raum in optimaler Weise genutzt, ein Publikum, das sie sicherlich zu 99% (inkl. des Rezensenten) nicht kannte, für sich zu gewinnen, jedenfalls soweit, dass ein Mitklatschen nicht nur in den ersten Reihen erreicht wurde. Dies mit einer durchgehend sympathischen Vorstellung und klasse Songs des Debutalbums "Lunch At The Lady Garden". Im Gegensatz zu den kürzlich gesehenen THE TREWS haben THE URGE das gewisse Etwas und Charisma, ein neutrales bis zum Großteil mitunter desinteressiertes Publikum an sich zu binden und für sich zu gewinnen, so dass man nicht einmal (wie geplant) zum Bierstand geht, sondern sich den packenden Auftritt bis zum Schluss ansieht. Zwischendrin möchte Sänger und Gitarrist Jonny Boyle noch einen Kleiderbügel, den ihn Michael Sadler am Auftrittstag großzügiger Weise geliehen hat, versteigern. Und auf die Tatsache, dass sich mit John Miles jr. der Sohn des berühmten gleichnamigen Vaters in der Band befindet, wird bewusst NICHT hingewiesen; aber auch so laufen mehrere Anwesende nachher nach hinten zum Merch-Stand gegenüber vom Würstchengrill und lassen sich dort die CD der Engländer unterschreiben, bevor sie sie kaufen. Klasse Auftritt und vielversprechender neuer Act. (Einmal mehr könnte man einen Klagegesang aufführen, was für musikalische Bankrotterklärungen aus England, siehe z.B. The Klaxons, Art Brut oder die unterirdisch miesen Babyshambles, den Kids vorgegaukelt werden und dann steht dort oben so eine tolle Band, von der noch nie jemand gehört hat, und man wundert sich, warum DIE nie in den einschlägigen Printmedien erwähnt wurden ...)

Äußerst charismatischer Frontmann: Michael Sadler  'Noone can stop me now, tonight I'm on the loose!'

Jim Crichton bei der Arbeit  Jim Crichton singt wie immer 'Scratching The Surface'

Jim und Michael in der 'Keyboard-Burg'  Bewegende 'Abschieds-Rede' von Michael Sadler
SAGA-Konzerte sind per se Happenings der guten Laune, der Begeisterung und des perfekten Entertainments, speziell bei uns in Deutschland - seit jeher der bedeutendste Markt der Kanadier. Werden die Nachbarländer nur gestreift, oder mit einem Konzert abgespeist, gibt's bei uns jedes Mal an die 20 Shows. Seit Jahren pilgern die Leute auf SAGA-Konzerte, weil sie wissen, was sie daran haben, und seit "Full Circle" (1999) ist die Band auch was Tonträger anbelangt wieder richtig in der Spur, während die zwei Alben zuvor etwas zwiespältig aufgenommen wurden. Lassen wir solche Kleinigkeiten beiseite, die Bühne ist angerichtet und ein verstohlener Blick auf die Setlist zeigt schon mal, was uns heute erwartet:

Die Setlist
Michael Sadler, der passabel Deutsch spricht (er hat mehrere Jahre im Saarland gelebt), macht viele Ansagen auf Deutsch und wirkt grundsympathisch und natürlich. Die Positionen sind seit jeher gleich verteilt, hinten links thront Keyboarder Jim Gilmour hinter einer Burg von Synthesizern und erhält gelegentlich dort Besuch vom Sänger oder Basser. Vorne links steht jener (Jim Crichton) und hat auch 'n kleines Keyboard bei sich, so werden manche Songs ohne Bass (dafür mit 3 Keyboards!) gespielt. Am Schlagzeug sitzt (gemerkt hat's wohl kaum jemand ... wie einigen Rezensionen zu entnehmen war) Chris Sutherland, der Brian Doerner vertritt, der im Oktober eine Herzattacke hatte. Chris macht seine Sache trotz der extrem kurzen Einarbeitungszeit sehr gut, solide und zuverlässig. Eigentlich haben augenscheinlich alle gute Laune, außer natürlich einem:

Guckt meistens miesepetrig: Gitarrist Ian Crichton
Dauergriesgram Ian Crichton, der nach wie vor aussieht wie die personifizierte schlechte Laune. (Fast hätte er mir vor 2 Jahren den Spaß an der Show verdorben mit seiner stets hingezogenen missmutigen Miene, wenn nicht das Konzert damals so super gewesen wäre!) Doch heute im Verlauf des Konzertes passiert ein kleines Wunder: DER MANN KANN TATSÄCHLICH LÄCHELN!!! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Aber worauf es wirklich ankommt, das gefühlvolle akzentuierte Gitarrenspiel, darin ist er ein Großmeister, ob alte, neue, bekannte oder eher unbekannte Songs, alles hat einen wunderbaren Fluss heute Abend. Michael hält eine kleine Rede, die vielleicht ein klein wenig pathetisch war, aber diesem letzten (?) Konzert angemessen war, oder kann sich jemand von Euch diese Band mit einem anderen Sänger vorstellen?!? Also, ich nicht!
Mit dem Titelstück des neuen Albums, "10.000 Days" (das sind in etwa 30 Jahre, so lange existiert die Band) (ein bissel Geschichtsfälschung: 10000 Tage sind "nur" etwas mehr als 27 Jahre, womit wir erst im Jahr 1980 wären, als schon Saga-Album Nr. 3 auf den Markt kam - Anm. des rechenkundigen rls) wird noch einmal die SAGA-Fan-Familie hier in Deutschland beschworen und nach dem furiosen Finale ("Wind Him Up", "Humble Stance" und "Don't Be Late") ist dann endgültig nach über 2 Stunden Schluss, die Leute strömen glücklich nach draußen ...

Wurde schon beim letzten Mal 2005, nachdem das Licht bereits an und nur noch die Hälfte der Zuschauer im Saal war, die Band im Capitol regelrecht zurück geschrieen, glaubt man heute nicht dran, denn das Schlagzeug wird bereits abgebaut und die Mikros abgeschraubt, doch ca. 300-400 Anwesende bleiben eisern ... da kommt doch tatsächlich ca. 5 Minuten später (viele sitzen vermutlich schon im Auto ...) Michael Sadler noch einmal zurück und singt alleine "The Security Of Illusion". Jetzt kommt leider der größte Idiot des Jahres 2007 und ruft ihm in dieser Stille und in diesem ultimativ letzten Auftritt unter dem SAGA-Banner doch tatsächlich "Shut up" entgegen (und noch etwas, das dann später als "... and play guitar" berichtet wurde). Michael stoppt und wiederholt "'Shut up?!?' Thanks - bye!" - und verlässt schnell die Bühne. Wegen solcher Schwachmaten sind auf Konzerten schon Verwüstungen und Massenschlägereien ausgebrochen, ganz davon abgesehen, welche Anzahl von Musikern bei solch einem Statement ins Publikum gesprungen wären. Unglaublich, dieses Arschloch (sorry, aber das musste jetzt sein) wäre bei anders gelagerten Zuschauergruppen als den friedvollen, gelassenen SAGA-Anhängern von der Menge wohl nicht nur verprügelt worden!

Ich habe große Hochachtung vor Michael Sadler und der ganzen Band, dass sie sich hinter der Bühne besannen (nach dem Motto "Wieso sollten wir den treuen Leuten wegen diesem EINEN Depp so einen bitteren Abschlussgeschmack hinterlassen"?) und trotzdem noch einmal, nach wieder hergestelltem Instrumentenpark, heraus kamen und "What's It Gonna Be" in Komplettbesetzung spielten. Einzigartiger Abend, sagenhaft und grandios: DANKE, SAGA für die letzten 30 Jahre, We'll Meet Again!!!

Setlist:
1. Intro: Theme from "Always There"
2. Interview
3. That's As Far As I'll Go
4. You're Not Alone
5. I'm Okay
6. Can't You See Me Now
7. Book Of Lies
8. The Perfectionist
9. Drum Solo
10. The Flyer
11. Entr'acte/Mind Over Matter
12. Time's Up
13. Voilà snippet/Keyboard Solo/Scratching The Surface
14. We've Been Here Before
15. On The Air
16. On The Loose
17. Careful Where You Step
18. 10.000 Days
19. Wind Him Up
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20. Humble Stance
21. Don't Be Late
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22. The Security Of Illusion (a cappella)
23. What's It Gonna Be

Fotos: gl






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