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Standing On A Rock III   22.09.2007   Frohburg, Schülerfreizeitzentrum
von rls und ta

Doppelte strukturelle Veränderung beim Standing On A Rock-Festival: Erstens war die Veranstaltung diesmal nicht selbständig, sondern fungierte als Abschluß des Landkreisjugendtages Leipziger Land, und zweitens präsentierte CrossOver das Festival diesmal nicht nur, sondern deklarierte es gleich noch zur Feierlichkeit aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens unser aller Lieblingslektüre (hüstel). Zweitgenannter Fakt fand sein öffentlichkeitswirksames Echo darin, daß Gründervater Thomas und der hier tippende Chefredakteur in den Umbaupausen auf der Bühne standen, gesprächsweise Details aus der CrossOver-Arbeit offenlegten, CDs verlosten und beim immer noch "Holy Tone"-Sprechchöre intonierenden Publikum "applausum meritirten", indem bekanntgegeben wurde, daß man auf der CrossOver-Homepage selbstverständlich auch CD- und Livereviews von Holy Tone nachlesen kann.

Big Spender: Thomas Feist  Der Chefredakteur gibt die Richtung vor
Dazu kam auf einer Leinwand neben der Bühne eine durchlaufende Bildergalerie mit Covers der in den letzten 10 Jahren rezensierten CDs (an dieser Stelle ein Dank an Danny Härtling für Programmierung und Betreuung!), bei der sich selbst der Chefredakteur an manche nicht mehr erinnern konnte - bei über 4000 CD-Reviews aber auch kein Wunder.

Holy Tone  Robert und Claudi
Musikalisch hatte es im Laufe des Landkreisjugendtages schon die eine oder andere Banddarbietung auf der Bühne gegeben, und nachdem die mehr oder weniger grazilen Teilnehmerinnen des Tanzworkshops die Bretter, die die Welt (und für manchen auch einen Holzweg) bedeuten, verlassen hatten, machten sich die Dresdner Holy Tone daran, ihren letzten Gig mit Sängerin Claudi zu spielen, die berufsbedingt nach Ehrwald am Südfuß der Zugspitze zieht, wobei der dreiköpfige Bandrest allerdings bereits Ersatz (bzw. Ersätzin) gefunden hat, die nur drei Tage später in Oschatz auch schon mit auf der Bühne stand. Ob die Neue Claudi kompetent ersetzen kann, bleibt abzuwarten - jedenfalls sind die Fußstapfen nicht gerade klein, auch wenn Claudi an diesem Abend einige Anfangsschwierigkeiten zeigte und in puncto Treffsicherheit der Töne erst im Verlaufe des Sets ihre gewohnten Qualitäten zu offenbaren begann. Auch die Duettpassagen mit Gitarrist Robert saßen dementsprechend anfangs noch nicht so ganz paßgenau, wurden aber mit der Zeit ebenfalls sauberer. Die dreiköpfige Instrumentalfraktion erzeugte in bewährter Weise einen zumeist recht kraftvollen Rocksound, der genau zwischen dem alt- und neuschuligen Stuhl saß und zwischen Halbballaden und Powerrockern treibenden Tempos pendelte; daß man sich in der Setlist auf das aktuelle Album "The Road Ahead" konzentrierte, stellte für die Kenner der Band keine Überraschung dar. An einigen Stellen drohte der Set zu gleichförmig zu werden, aber irgendwie schaffte es die Band, immer noch rechtzeitig gegenzusteuern, und mit der abschließenden Powerhymne "Start To Fly", dem härtesten Track des Sets, der für Holy Tone-Verhältnisse geradezu brachiales Drumming enthielt und fast als Metal hätte durchgehen können, setzte die Truppe ihrer scheidenden Sängerin ein schönes Denkmal. (rls)

Die sich freudig äußernden Sänger von Projevy Radosti  Festivalchefdenker Andreas Bergmann
Projevy Radosti sind ein ziemlich schräger Haufen. Übersetzt bedeutet der Bandname "Die Äußerungen der Freude", die Tschechen singen aber lieber darüber, dass Leben, Liebe und Gott schrecklich kompliziert seien, ein Thesenarsenal, das Matej Páral in verschiedenen Variationen vor nahezu jeden Song setzt. Der schlaksige Mann schwankt vom Charisma her irgendwo zwischen predigendem Psychopath und psychopathischem Prediger, las gerade noch in gebückter Haltung und in wunderhübsch anzuhörrrrendem Deutsch einen neutestamentarischen Text vor und rollt schon wieder über die Bühne, einen eigenartigen Mix aus Sprechgesang, hohem Fiepen und gnadenlosem Kreischen mit seinen Stimmbändern produzierend. Neben ihm stapft Radek Belovsky lässig herum und spricht, fiept, schreit mit. Die Songs kommen selten über zweieinhalb Minuten hinaus und bieten vor allem eins: Riffs, Riffs, Riffs. Martin Kopecky zaubert das fetteste Brett zwischen Frohburg Nord und Frohburg West aus seinen Boxen, mäßig abwechslungsreich und technisch sicher nicht der Rede wert, aber kraftvoll as fuck. Ein paar kleine Mädels vor der Bühne merken's und beginnen, ihre schätzungsweise zehnjährigen Matten wild zu schwingen. Hat man auch selten.
Noch was zu den Songs? Psycoremetal mag man das Gebräu in hoffnungsvoller Annäherung nennen, Tracks wie "Normativní Texty" oder "Zase Jednou" bewegen sich im gepflegten Midtempoareal und bieten einen fetten Groove, den Drummer Jonatan Kaleta tight zusammenhält. Die Texte sind, soweit vorhanden, recht kurz und werden der Merkbarkeit oder Ökonomie halber ein paar Mal wiederholt, was dem geneigten Fan hier und jetzt natürlich gerade dort auffällt, wo nicht in Tschechisch, sondern in Deutsch gesungen wird - Zitat aus "Ich bin so jung": "Ich bin so jung, so schrecklich jung; ich bin so jung, so schrecklich jung. Wann kommt der natürliche Tod? Wann kommt der natürliche Tod?" Und ich kapituliere. Ein rotzfrech runtergeknüppelter Highspeedler namens "Málo" beendet den wahnwitzigen Auftritt und der Rezensent gehört anschließend zu den Glücklichen, die es schaffen, am Whirlwind-Stand für 4 Euronen eine der Handvoll CDs zu ergattern, welche die Tschechen mitgebracht hatten. (ta)

Die Roten Noten  Die Damen der Roten Noten
Die Roten Noten hatten schon 2006 auf dem Festival gespielt und waren mit ihrem angefolkten Punkrock beim Publikum sehr gut angekommen. Für die immer weiter zunehmende Abendkühle waren sie auch 2007 die richtige Band, die es schaffte, das Publikum vor die Bühne zu holen und zu diversen Bewegungsabläufen zu animieren. Dazu präsentierte sich die Truppe nicht nur in um einen zweiten Gitarristen aufgestockter Besetzung, sondern auch musikalisch ein gutes Stück verbessert. Die generelle Mischung war ja schon 2006 als recht originell zu erkennen gewesen, und Die Roten Noten hatten einige Verfeinerungen vorgenommen, beispielsweise einige Gitarrensoli und auch eine deutlich bessere Abstimmung zwischen den Violinenparts und dem Rest des musikalischen Unterbaus, welcher zumeist aus größtenteils recht flottem, aber auch recht breaklstig gespieltem und daher die Abwechslung nie missenden Punkrock bestand. Leider stand Sängerin/Violinistin Maxi soundlich einen Tick zu weit im Hintergrund, so daß sich ihr Können nicht voll entfalten konnte und man auch die Texte wie schon 2006 nur eingeschränkt verstand, obwohl sie offenbar weiterhin im deutschen Idiom gehalten sind. Entwicklungstechnisch dürfte für die noch junge Combo sicherlich das Ende der Fahnenstange noch keineswegs erreicht sein, aber wenn sie sich in Jahresschritten weiter so verbessern, wächst hier hinter den sieben Bergen des Erzgebirges etwas zweifellos auch in größerem räumlichem Maßstab Konkurrenzfähiges heran, das mit den gängigen irischen Branchenführern nur das Genre an sich gemeinsam hat, ansonsten aber recht eigenständige Wege beschreitet. Damit endete ein Festival, das sich trotz anderer Rahmenbedingungen würdig in die "Standing On A Rock"-Serie eingruppierte, allerdings auch das Dilemma der sich aus soziologischen Gründen eher verkleinernden Zielgruppe offenbarte, dem man in den Folgejahren wohl noch stärker ins Auge blicken muß. (rls)

Fotos: Danny Härtling



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