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Tony Carey   25.04.2007   Zwickau, Manufaktur
von rls

Tony Carey? Tony Carey! Genau der Mann, der im Geburtsjahr des Rezensenten bei Ritchie Blackmore's Rainbow spielte und mit dem Dream Team Dio/Blackmore/Bain bzw. Daisley/Powell die unsterblichen Klassiker "Rainbow Rising" (Studioalbum, in "A Light In The Black" die Mutter aller speedigen Exzelsiorduelle zwischen Gitarre und Keyboard enthaltend) und "On Stage" (Livealbum, später in einer erweiterten Fassung als "Live In Germany '76" wiederveröffentlicht) erzeugte, dann aber dem Blackmoreschen Wechselfieber zum Opfer fiel und auf dem 1977er Studioalbum "Long Live Rock'n'Roll" (auch dieses ein Jahrhundertklassiker) bereits durch David Stone ersetzt worden war. Auf der faulen Haut gelegen und sich auf diesen Meriten ausgeruht hat Tony in den seither vergangenen drei Dekaden natürlich nicht; er zog nach Deutschland, brachte Soloplatten unter dem eigenen Namen sowie unter der Bezeichnung Planet P Project heraus und arbeitete längere Zeit mit Peter Maffay zusammen. In der letzten Zeit wurde es etwas stiller um ihn, zumindest was die breite öffentliche Wahrnehmung angeht, aber er schreibt nach wie vor fleißig Songs (nach dem Gig sprach er von etwa 800 bisher), bringt Alben heraus und geht auch auf Tour. Die diesmalige Tour nun war eine Solotour im wahrsten Sinne des Wortes, denn Tony Carey hatte keine Band mitgebracht, sondern agierte allein auf der Bühne hinter dem Mikro, die instrumentale Komponente entweder aus einer Akustikgitarre oder aus einem Keyboard holend (in "Blue Highway" zur Begeisterung des ca. 120köpfigen Publikums phasenweise sogar beide Instrumente gleichzeitig bedienend). Der Rezensent kam 10 Minuten zu spät und verpaßte daher etwaige einleitende Erklärungen für die Hintergründe der Wahl einer derartigen "Stripped Down"-Darbietungsweise - aber eins wurde schnell deutlich: Die meisten Songs funktionierten in dieser basischen Variante prinzipiell nicht schlechter als in der vollen Rockbesetzung, einige gewannen gar neue Qualitäten hinzu, und generell konnte man anhand der reichlich anderthalb Stunden Gig (der setseitig zweigeteilt war mit ca. 15 Minuten Pause zwischendrin) die alte Theorie, daß ein guter Song eben ein guter Song bleibt, egal in welcher Besetzung er dargeboten wird, durchaus anhand des praktischen Beispiels verifizieren (was natürlich Grenzen haben sollte - auf laut dieser Theorie keineswegs undenkbare Drum'n'Bass- oder HipHop-Versionen von "A Light In The Black" kann sicher nicht nur der Rezensent für die nächsten Jahrhunderte verzichten). Tony sang mit einer ganz leicht angerauhten, recht flächigen und in meist mittleren Tonlagen angesiedelten Stimme, die er nicht sonderlich weit, aber doch dem Charakter des jeweiligen Songs angemessen variierte (bisweilen leicht an Greg Lake erinnernd); bei den Gitarrenparts hielt er sich zumeist an reine Begleitfunktionen mit gelegentlichen Melodieriffadaptionen, ohne groß zu solieren, während er am Keyboard in einigen seltenen Momenten auch die alte Virtuosität durchblitzen ließ - er kann's also immer noch, setzte es aber an dem Abend nur sparsam ein, weil übermäßige Speedsoloorgien nur selten zum Charakter der Akustikversionen gepaßt hätten. Dafür variierte er lautstärke- und intensitätsseitig so stark, daß sich 95% der üblichen Betroffenheitsliedermacher ein bis mehrere Scheiben davon abschneiden und lernen können, wie man selbst mit begrenzten musikalischen Mitteln das Publikum bei Laune hält.
Songseitig gab es einen Querschnitt hauptsächlich durch Tonys Achtziger-Schaffen, etwa mit Material vom Planet P Project, von seinen Soloalben "Some Tough City" und "Bedtime Stories" und natürlich auch von den Maffay-Kooperationen, speziell vom Soundtrack zum Film "The Joker", dessen Beiträge vom Auditorium besonders gefeiert wurden. Auch "Room With A View", der Titeltrack eines Weihnachtsdreiteilers aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehschaffen, der überraschend ein Hit geworden war, fehlte selbstredend nicht (wobei sich hier Differenzen mit der Literatur ergaben - diese behauptet nämlich, der Song sei extra für den Film geschaffen worden, während Tony erzählte, er habe den Song aus der Schublade geholt, als Dieter Wedel ihn fragte, ob er etwas Passendes auf Lager habe). Auffällig war, daß Tony für die Tour eine Liste von 38 Songs vorbereitet hatte, aus denen er dann am Auftrittstag seine Setlist für den jeweiligen Gig entwarf (mit einigen Konstanten selbstverständlich - "Bedtime Story" etwa beendet seit 20 Jahren seine Gigs), die dann aber live auch nochmal verändert wurde - die untenstehende Setlist ist also die, die er ursprünglich für Zwickau entworfen hatte, aber letztlich auch nochmal variierte, teils nur in der Reihenfolge ("Dust" etwa kam deutlich früher, "Burning Bridges" deutlich später), teils aber auch mit der Hinzunahme von Songs aus dem Gesamtprogramm, die er im Entwurf noch nicht berücksichtigt hatte; so durfte sich Zwickau als erste Zugabe über "Saw The Satellites" freuen, das Tony mit einer Geschichte aus seiner Jugend einleitete, als ihm sein Vater den ersten um die Erde kreisenden Sputnik zeigte und dem Sohn so klarmachte, daß es von nun an keinen unbeobachteten Platz auf der Erde mehr geben würde, was sich Jahrzehnte später ja sogar für die Allgemeinheit sichtbar mit GoogleEarth bewahrheitet hat. Überhaupt waren Tony die Texte seiner Songs sehr wichtig - im auf einem Buch von John Steinbeck beruhenden "Dust" reichte das so weit, daß er den Songfluß mehrmals unterbrach und bestimmte Textpassagen für das Publikum übersetzte. Trotzdem verfiel er nicht in Pseudobelehrungen, sondern bettete selbst engagierte Songs in ein nicht selten humorig angesagtes Korsett, das er zudem in einer Art der deutschen Sprache gestaltete, der man die grammatikalische Herkunft aus dem Englischen noch deutlich und liebenswürdig anhörte (und aus dem Nähkästchen zu plaudern hatte er einiges, etwa Storys über die Maffay-Konzerte 1986 in der DDR). Mit dem durch Chuck Berry popularisierten "Route 66" und dem nicht in der Schriftform der Setlist stehenden Beatles-Cover "Let It Be" zollte Tony außerdem seinen musikalischen Formungspionieren Tribut (zudem jammte er auch mal eben locker das Riff zu "Smoke On The Water" auf dem Keyboard ein), und wenn er mit seiner flächigen, leicht angerauhten Stimme über einen klassischen verschleppten Pianosound sang, glaubte man, wenn man die Augen schloß, (Ex-?)Savatage-Ikone Jon Oliva vor sich zu haben. So ergab sich ein durch einen schönen klaren und nicht überlauten Sound geziertes Konzert in angenehmer, fast großfamilienhafter Atmosphäre (die Entscheidung des Veranstalters, des Alter Gasometer e.V., das Konzert vom eigentlich geplanten Gasometer in die Manufaktur zu verlegen, kann nur begrüßt werden), die noch dadurch unterstrichen wurde, daß Tony sich auch nach dem Gig keineswegs abkapselte, sondern am Merchandisestand noch lange Zeit für Fotos zur Verfügung stand und die von einigen Sammlern mitgebrachten historischen LPs und Vinylsingles signierte. Ein sehr schönes Konzerterlebnis, das nur zwei Wünsche offenließ: Beim nächsten oder übernächsten Mal dann bitte wieder mit Rockbandbesetzung und mit zumindest "Stargazer" und "A Light In The Black" in der Setlist. Danke.

Setlist (Entwurf):
Cold War Kids
The Deal
Burning Bridges
Some Tough City
Sweet Home Chicago
Dust
I Feel Good
No Man's Land
Room With A View

Fine Fine Day
Take You Out Tonight
For You
Texas
Route 66
Boystown
Why Me
Friends
Trampoline
Its Your Parts
Storyville

Be Free
Long Road
Blue Highway
Bedtime Story



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