www.Crossover-agm.de Place Of Skulls, End Of Level Boss, Weed In The Head   16.09.2006   Altenburg, Kanonenhaus
von rls

Als Doom-Metropole ist das beschauliche Altenburg eher weniger bekannt, aber es gibt in dem Verein, der das Kanonenhaus betreibt, offensichtlich Menschen, denen dieses eingenischte urwüchsige Heavy Metal-Subgenre am Herzen liegt. So waren in dem alten Klinkerbau in der Vergangenheit u.a. bereits die Saint Vitus-Nachfolger Debris Inc. zu Gast gewesen, und an diesem Abend hatte man mit Victor Griffin und seiner Band Place Of Skulls eine andere Legende am Start. Nun ist das mit Legenden so eine Sache - jeder gibt vor, sie zu lieben, aber wenn sie dann tatsächlich in erreichbarer Nähe spielen, ist fast keiner da. Ganz so schlimm war's in diesem Falle zwar nicht, aber das Package hätte durchaus mehr Zuschauer verdient gehabt als die ungefähre Hundertschaft, die das Gebäude letztlich bevölkerte, bei den eröffnenden Weed In The Head allerdings noch gehörigen Sicherheitsabstand von der Bühne hielt. Zu Unrecht, denn das, was die Zschopauer da fabrizierten, machte über weite Strecken richtig Spaß, vor allem dann, wenn sie die eher psychedelischen Spielereien etwas im Rahmen hielten und gradlinig vor sich hin doomten, wobei sie auch die höchsten Langsamkeitsgrade des Abends erreichten. Das Quartett erinnerte in solchen Passagen natürlich an Saint Vitus, aber auch andere Bestandteile des Hellhound-Labelrosters schienen durchaus ihre Spuren hinterlassen zu haben, mal zum Vorteil, mal auch geringfügig zum Nachteil, wenn die Zerfaserung der Songs mit Effekten zu hohe Werte anzunehmen drohte. Vitus-kompatibel war allerdings die Klangwand, die da von der Bühne dröhnte und dafür sorgte, daß das Auseinanderhalten von Gitarren und Bässen zur angestrengten Lauschaufgabe mutierte, wobei Weed In The Head ihr Songmaterial so angelegt hatten, daß dieses Auseinanderhalten auch nicht durchgängig notwendig war. Wenn man nach den Ansagen geht und die danach gespielten Stücke vergleicht, erschien es so, daß der Bassist die psychotischeren geschrieben hatte, die er dann auch noch selbst sang, während der Leadgitarrist seine Gesangslinien möglichst weit von der Songvorgabe entfernt plazierte und das so konsequent durchzog, daß man es wohl als Absicht interpretieren muß. Der eine Vokuhiau-Frisur ausbildende Rhythmusgitarrist wiederum müßte, wenn die Bandmitglieder an diesem Abend nach Bewegungsleistung bezahlt worden wären, am wenigsten Geld bekommen haben, machte seine spielerische Sache aber ebenso gut wie der Rest der Band. Textlicherseits wurden u.a. Freundinnen und Söhne besungen - Familienmetal sozusagen, wenngleich zumindest nicht durchgängig familienkompatibel, aber über weite Strecken schon sehr unterhaltsam. Einzelne Enthusiasten bestanden zudem auf einer Zugabe, die auch gewährt wurde.
"We're gonna play some riffs!", rief der Sänger/Gitarrist von End Of Level Boss ins Mikro - und der Gig strafte ihn zumindest ansatzweise Lügen, denn die Briten waren die Band mit der niedrigsten Riffdominanz des Abends, was allerdings auch am Sound gelegen haben mag, denn die beiden Gitarren waren doch recht unterschiedlich stark abgemischt, und so übertönte die metallischere fast permanent die eher stonerige. Die Bassistin tat nichts dazu, um diesen Soundbrei zu strukturieren, eher im Gegenteil, aber sie bildete mit ihrem wilden Stageacting zweifellos einen Blickfang und entschädigte damit für die Tatsache, daß zumindest der unbedarfte Teil der Hörerschaft (sprich: derjenige, der die Songs vorher nicht von der Konserve her kannte) keine Chance hatte, das Material in der Livesituation richtig nachzuvollziehen. Dafür war das Gebräu aus diversen Doom-Subsubspielarten, Voivod-Lärm, Hawkwind-Raummusik und vielleicht noch einem Tick pseudopathologischer Psychoschlagseite, wie man sie in voller Ausführung aus dem Relapse-Stall kennt, definitiv zu unverdaulich, zu undurchsichtig und selbst bei näherer Betrachtung, zumindest soweit es der Sound zuließ, auch zu unlogisch. Daß End Of Level Boss richtig klar strukturiert musizieren können, wenn sie denn wollen, zeigten sie mit dem schönen Akustikintro zu "Freakwaves" - aber in 98% der Spielzeit wollten sie eben offensichtlich nicht, und da fiel auch nicht mehr ins Gewicht, daß der Sänger, wenn er halbhoch shoutete, exakt so klang wie Dream Theaters James LaBrie (!). Spezialisten für psychotischen Metal wie Kollege Tobias hätten aus dem Gebotenen vielleicht noch irgendwas rausgeholt, der Rezensent beschränkte sich noch auf die Feststellung, daß der Drummer ein "Polizei"-Shirt trug (wohlgemerkt: wir sprechen von einer Band aus England), und stellte fest, daß ihm spätestens im dritten Song langweilig wurde. Der Publikumsindikator zeigte für End Of Level Boss zwar einen geringeren Bühnenabstand und lauteren Zwischenapplaus, aber eine Zugabe wollte am Ende diesmal niemand. Hat auch so gereicht.
Place Of Skulls hätten sich auch Golgatha taufen können, aber da gibt's ja schon ein paar ähnlich spiritualisierte Bands dieses Namens. Nach dem Ausstieg von Scott "Wino" Weinrich ist mit Victor Griffin nur noch ein altes Kultbandmitglied dabei - er agierte bekanntlich bei den Amis Pentagram, verschwand in den Neunzigern vorübergehend in der Versenkung und ist seit 2002 eben nun mit Place Of Skulls am Start, die es bisher auf drei Alben und eine EP gebracht haben. Das Trio hatte von vornherein ein Instrument weniger abzumischen und damit gute Voraussetzungen für den besten Sound des Abends, aber auch hier gab's Probleme, indem der Baß etwas zu stark dröhnte und daher die Gitarrenriffs nicht in ihrer vollen Pracht erblühen konnten. Das war schade, denn für den Tony Iommi-Gedächtnispreis fanden sich im Set gleich mehrere Kandidaten, die man gerne noch klarer unter die Lupe genommen hätte. Aber auch so machte der Gig über weiteste Strecken richtig Spaß. Place Of Skulls vermieden konsequent jedweden Einfluß, der auf Zeiten nach den Siebzigern hingewiesen hätte, mit Ausnahme des einen oder anderen Gitarrensolos, das auch manche Achtziger-Metalband noch mit Kußhand entgegengenommen hätte. Das Tempo lag für Doom-Verhältnisse recht hoch (wobei man sich vergegenwärtigen muß, daß auch Black Sabbath selbst damals keinswegs dauerhaft vor sich hin schlichen - die Zahl ihrer Kriechparts ist sogar überraschend gering), die Songlänge daher bisweilen erstaunlich niedrig, und so kam trotz nur 80 Minuten Spielzeit doch eine recht lange Setlist zusammen, die eine Handvoll Songs des aktuellen Albums "The Black Is Never Far" ebenso beinhaltete wie diverse Rückgriffe auf die Vergangenheit (bevor jemand fragt: Ja, es gibt auf "The Black Is Never Far" einen Song namens "Relentless" ...), wobei die Wahl des markantesten Fremdmaterials dann doch auf doomferne Genres fiel, nämlich in Form des uralten Animals-Heulers "(Don't Let Me Be) Misunderstood", von Victor wie der Rest des Sets souverän gesungen, was man seiner Publikumsinteraktion nicht unbedingt attestieren kann, denn nur alle paar Songs richtete er mal einige Worte ans Volk, und die dann meist auch noch so vernuschelt, daß man kaum etwas verstand. Das Publikum ließ sich davon nicht beirren und feierte ordentlich, so daß auch Place Of Skulls nicht um eine Zugabe herumkamen und einen unterhaltsamen, wenngleich nicht durchgängig beglückenden Konzertabend beschlossen, dem genreimmanente Fortsetzungen unbedingt zu wünschen sind - dann vielleicht auch mal vor etwas größerem Publikum. Wie viele gute und engagierte Initiativen sind schon den Bach runtergegangen, weil sie nicht auf Resonanz stießen? Ein Schicksal, das den aktiven Kanonenhäuslern hoffentlich so bald nicht droht.

Setlist Place Of Skulls:
Masters Of Jest
Dead
All Your Sins
Darkest Hour
Lost
Silver Cord
The Monster
Dread/Sinister
The Fall
Prisoner's Creed
Sense Of Divinity
With Vision
Relentless
Misunderstood
Last Hit
Lookin' For A Reason



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