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Der Gelegenheiten, die polnischen Prog-Shooting Stars Riverside auch mal auf deutschem Boden livehaftig zu begutachten, waren bisher nicht eben viele, und auch auf der kleinen Mitteleuropatour im April 2006 standen lediglich zwei Deutschland-Dates an. Deren erstes fand im in Progkreisen Kultstatus besitzenden Bergkeller im vogtländischen Reichenbach statt, der damit ein weiteres Mosaiksteinchen zu meiner vor zwei Jahren im Toxic Smile-Livereview geäußerten Theorie, bis 2007 werde außer Yes, Dream Theater und Fates Warning jede international renommierte lebende Progband mal im Keller gespielt haben, hinzufügte. Am Dienstagabend nach Ostern ruhte sich allerdings ein Teil der potentiellen Zielgruppe offenbar noch von den Strapazen der Osterfeiertage aus, und so war der Keller diesmal nur zu etwa drei Vierteln gefüllt. Die nicht Dagewesenen verpaßten allerdings einen sehr starken Gig, der pünktlich begann, so daß der unpünktliche Rezensent einige Minuten des Openers versäumte, aber trotzdem noch rechtzeitig zum ersten Gesangston von Mariusz Duda zur Stelle war (bekanntlich haben Riverside einen gewissen Hang zu ausufernden Instrumentalpassagen zumeist recht atmosphärischer Natur, die dank eines nur selten zerschnippelten Spannungsbogens dennoch nicht zum Gähnen animieren). Schnell fiel auf, daß die vier Polen einen für die akustisch nicht ganz einfachen Kellerverhältnisse einen sehr guten Sound auffahren konnten, lediglich die Keyboards standen manchmal einen Tick zu weit im akustischen Abseits, und ein ganz klein wenig lauter hätte auch der Gesang noch durchkommen können. Positiverweise hatte man das Schlagzeug (das in solchen vergleichsweise kleinen Räumlichkeiten immer einen soundlichen Risikofaktor darstellt) nicht übermäßig laut gedreht, so daß Piotr selbst in den heftigeren oder wild verbreakten Passagen keine Gelegenheit hatte, alle anderen akustisch zuzudecken. Statt dessen war Mariusz' Baßarbeit sehr gut vernehmbar (bei einer viel mit dunklen Stimmungen arbeitenden Band ein wichtiger Faktor), und der andere Piotr, nämlich der an der Gitarre, zauberte sowohl im vollverstromten als auch im halbverstärkten Bereich traumhafte Klangflächen in den Raum, die das an manchen Stellen wie erwähnt schwer wahrnehmbare Keyboard gar nicht so deutlich vermissen ließen (an den diversen "Völlig unabdingbar"-Stellen war Michal allerdings zum Glück deutlich zu hören - etwa in der akkordmotivischen Arbeit im Eröffnungsteil von "Before"). Naja, und dann noch Mariusz' Gesang obendrauf, in Songs wie "Volte-Face" auch mal herzhaft brüllend, über weite Strecken aber eher klar klagend bis entrückt - zweifellos ein Meister seines Fachs, der sich nicht so sehr oft zu Wort meldet, aber dann, wenn er's tut, das Sahnehäubchen auf den Songs markiert. Ansageseitig merkte man ihm anfangs noch ein wenig Unsicherheit an (es war der erste Gig der Tour, und so sehr oft sind Riverside außerhalb des polnischen Sprachgebietes generell noch nicht aufgetreten), aber der freundliche bis frenetische Applaus, den das Auditorium spendete, führte nach drei bis vier Songs zu einer Lockerung der Anspannung. Von der Setlist her kann man bei einem zu füllenden Zweistundenset, für das zwei Alben und noch etwas Extramaterial zur Verfügung stehen, natürlich nicht so sehr viel falsch machen, da man ja nicht so viel für einige scheinbar Unverzichtbares zum Weglassen hat; Riverside konzentrierten sich erwartungsgemäß auf ihre neue Scheibe "Second Life Syndrome" und ergänzten das Programm noch um einige der Sahneschnittchen des Debütalbums "Out Of Myself". So richtig enttäuscht hätte allenfalls derjenige sein können, der auf eine Performance aller drei "Reality Dream"-Instrumentals am Stück gehofft hatte, denn diesen Gefallen tat die Band den Frickelfanatikern dann doch nicht. Aber überlange Perlen wie der Titeltrack von "Second Life Syndrome" (was für großes Kino in der Zweidrittelzone seiner Spielzeit!) oder "Dance With The Shadow" machten mit großen Spannungsbögen dieses winzige Manko, wenn es denn wirklich für jemanden eins war, locker wieder wett und täuschten auch gekonnt über die Tatsache hinweg, daß Riverside bei genauerem Hinschauen beinahe so ökonomisch arbeiten wie Pink Floyd, was die intensive Ausbeutung der musikalischen Einfälle angeht - man findet bei ihnen zwar keine minutenlangen Minimalvariationen einzelner musikalischer Themen, aber auch sie schlachten eine Idee gerne über eine gewisse Spielzeit hinweg aus und eine andere Idee dann nochmal auf die gleiche Weise. Das kann auf Album 5 oder 8 dazu führen, daß die Band ziemlich ausrechenbar wird, stellt aber gegenwärtig noch keine richtige Gefahr dar, weder auf den beiden regulären Studioalben noch in der Livesituation. Ohne Zugaben kam das Quartett (das von Kellermeister Uwe zwischendurch auch gleich mal noch zu einem Schnäpschen verdonnert worden war) dementsprechend an diesem Abend auch nicht davon, und als erste derselben fuhr man den absoluten Übersong des bisherigen Bandschaffens auf: "The Same River", den Opener des Debütalbums. Was in dessen erster instrumentaler Hälfte spannungstechnisch passiert, ist mit Worten nach wie vor kaum zu beschreiben, und obwohl die Atmosphäre der Konservenversion nicht ganz hundertprozentig repliziert werden konnte, blieb das Traumpotential immer noch auf einem extraordinär hohen Niveau, das nicht alle Minuten des Sets erreichten. Trotzdem bleibt in der Gesamtbetrachtung ein sehr starker Gig einer sehr starken Band, die in einer gerechten Welt riesige Hallen füllen würde und die man am 15.7.2006 noch ein weiteres Mal in Reichenbach begutachten kann - dann im Rahmen des von CrossOver mitpräsentierten 1. Bergkeller Art Rock Festivals. Als Freund begeisternden Düsterprogs (kein Oxymoron!) sollte man sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, zumal mit The Watch, RPWL sowie Ray Wilson & Band noch weitere Hochkaräter im Billing zu finden sind.
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