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Sapid Steel   27.08.2005   Chemnitz, Café Henrie
von rls

Nach dem Undignified-Gig beim Stadtfest wollte ich mich eigentlich schon wieder gen Heimat begeben. Da ich im Zentrum keinen Parkplatz mehr bekommen hatte, hatte ich mein Auto etwas abseits im Villenviertel auf dem Kaßberg abgestellt. Dort angekommen, drangen auf einmal aus unmittelbarer Nähe als metallisch zu identifizierende Klänge an mein Ohr. Diesen nachspürend, gelangte ich nach nicht einmal 100 Metern ans Umweltzentrum Chemnitz, in dessen Erdgeschoß sich das mir bisher nur vom Namen nach - und keinesfalls als Metalhochburg - bekannte Café Henrie befindet. Die Klänge hatten sich mittlerweile zu Motörheads "Born To Raise Hell" verdichtet, und es stellte sich heraus, daß in ebenjener Lokalität eine junge Chemnitzer Band namens Sapid Steel ihren ersten "richtigen" Gig spielte (man hatte vorher lediglich einen Kurzauftritt mit einem Ersatzsänger absolviert). Der dreigeteilte Set bestand ausschließlich aus Coverversionen, man plant nach Bekunden von Rhythmusgitarrist Mighty in Zukunft allerdings auch den Einbau eigener Kompositionen. Geschmack bewies das Quintett mit seiner Auswahl jedenfalls schon mal, und zwar einen komplett rückwärtsgewandten: Außer dem erwähnten aus den 90ern stammenden "Born To Raise Hell" und dem gar erst 2003 entstandenen "I Want It All" von Krokus standen fast ausschließlich 70er-Songs mit ganz geringen Ausflügen in die Frühachtziger auf dem Programm. Ein späterer Blick auf die Setlist belehrte mich, daß ich die größte Skurrilität des Sets bereits verpaßt hatte, nämlich "Rocka Rolla" vom gleichnamigen Judas Priest-Debütalbum, das heutzutage kaum noch jemand kennt - außer diversen Überzeugungstätern natürlich, und von denen standen da vier bis fünf auf der winzigen Bühne. Die zahlenseitige Aufteilung bezieht sich auf den Fakt, daß der etatmäßige Sänger Hebbe für die Motörhead-Covers (und von denen gab es gleich vier im Set) zur Seite trat und dem Bassisten Rudi das Mikro überließ, der auch einen zu 95% authentischen Lemmy hinbekam, während Hebbe die vom restlichen Programm geforderten Umsetzungen von Rob Halford, Ozzy Osbourne und Bon Scott noch in wechselnder Qualität darbot. Kreischende bis quiekende Laute und appellierendes Klagen bekam er ebensogut hin wie powervolles Shouten, aber das Gequieke nicht auf einem Ton zu halten, sondern dort Melodiefolgen einzubauen muß er noch ein wenig üben. Paradoxerweise steigerte er sich im Verlaufe des Sets immer mehr (nachdem beispielsweise "Breaking The Law" im ersten Versuch noch reichlich gewöhnungsbedürftig geklungen haben soll - das hatte ich verpaßt -, war der Gesang im als Zugabe gespielten zweiten Versuch durchaus als gutklassig zu bezeichnen). Ein wenig zu feilen wäre auch noch an den Backings, die bisweilen mehr den Eindruck von Gangshouts erweckten, wohingegen die Instrumentalisten in ihren Stammfächern durch die Bank weg hervorragende Arbeit leisteten (die fehlende Rhythmusgitarre in manchen Passagen von "Paranoid" dürfte soundbedingt gewesen sein), sich zumeist aufs originalgetreue Nachschaffen konzentrierten, aber auch kleine Veränderungen einbauten, in "Breaking The Law" beispielsweise einen schönen Gitarrendoppellauf deutlich herausarbeiteten. Das blockweise Zusammensetzen der Setlist fiel auf (so bestand der siebensongige zweite Gigteil aus zweimal Priest, dreimal AC/DC und dann noch zweimal Priest), so daß die 21 gespielten Songs unterm Strich gerade mal von fünf Bands stammten (unter der Annahme, daß der Opener "Live Wire" derjenige von AC/DC war und nicht der gleichnamige beispielsweise von Mötley Crüe - neben den Genannten kamen noch Black Sabbath und als singuläre Erscheinung wie erwähnt Krokus vor). Sieht man von dem Krokus-Track, dem erwähnten Ausflug zum Judas Priest-Debüt und den ebenfalls nicht gerade zu den "dicken Dingern" im Werkkatalog von Priest gehörenden "United" und "Desert Plains" ab, ging die altersseitig scheinbar etwas inhomogen kombinierte Band (die Summe der Lebensjahre des Sängers und der beiden Gitarristen dürfte schätzungsweise der Summe der Lebensjahre der Rhythmusgruppe entsprechen) zwar relativ stark auf Nummer sicher, aber in diesem frühen Stadium ihrer Existenz sollte man ihr das nicht zum Vorwurf machen, zumal dann nicht, wenn die Umsetzung über weiteste Strecken stimmt und der Gig summa summarum jede Menge Spaß macht, zu dem auch Hebbe mit diversen flockigen Sprüchen, die auch ein alter Hase auf einer großen Open Air-Bühne hätte bringen können, beitrug. Sitcomartig die Szene, als der Sänger vor "Sin City" schelmisch "Is this a sin city?" ins Publikum fragte und von dort jemand in breitem Sächsisch antwortete: "Nee, eesch'ntlich nich." Entsprechend gut gelaunt zeigte sich das mächtige Häuflein des Publikums, das nach der regulär eingeplanten Zugabe "Shoot To Thrill" noch eine Wiederholung von "Breaking The Law", "Ace Of Spades" und "Sin City" einforderte. Die weitere Entwicklung von Sapid Steel sollte man im Auge behalten - gerade in einer im traditionsmetallischen Sinne mittlerweile erstaunlich und erschreckend strukturschwachen Region wie der hiesigen.

Setlist:
Live Wire
I Want It All
Rocka Rolla
Breaking The Law
War Pigs
Born To Raise Hell
Bomber
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Metal Gods
United
Sin City
High Voltage
Whole Lotta Rosie
Desert Plains
Living After Midnight
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TNT
We Are The Roadcrew
Ace Of Spades
Iron Man
Paranoid
Highway To Hell
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Shoot To Thrill
Breaking The Law
Ace Of Spades
Sin City



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