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The Art Of Voices   25.12.2004   Frohburg, Schützenhaus
von rls

Hatte ich ja unlängst die "Live 2002"-CD von The Art Of Voices reviewt und diese in mir durchaus Appetit auf ein neuerliches livehaftiges Vergnügen mit den Herren hervorgerufen, so nahm ich die sich bietende Gelegenheit eines Gigs nur ein paar Kilometer von der eigenen Haustür entfernt natürlich gern wahr, und eine ordentliche Anzahl Menschen hatte offensichtlich ähnlich gedacht. Nun tat sich da ein strukturelles Problem auf: Der Saal des Schützenhauses war betischt und bestuhlt - und zwar hauptsächlich in Querrichtung; vor der Bühne war lediglich eine gewisse (und gut genutzte) Tanzfläche freigeblieben. Die Ausrichtung der Tische führte dazu, daß ein guter Teil des Publikums mit dem Rücken zur Bühne saß, und der Teil dieses guten Teils, der sich nicht dazu entschied, die Bestuhlung herumzudrehen, schaute dann permanent nach hinten, wo es sich diverse Gestalten in Barnähe und im Eingangsbereich gemütlich gemacht hatten, die sich dadurch irgendwie etwas beobachtet vorkamen. Allerdings hatte man da hinten vermutlich auch den besten und angenehmsten Sound des ganzen Saals, obwohl der Soundmensch von vornherein darauf verzichtet hatte, die Lautstärke dem Durchschnittsalter des Publikums anzupassen. An dem hätte man übrigens schöne soziologische Querschnittsstudien vornehmen können, denn außer den Altersschichten "Unter 14" und "Über 75" dürfte so ziemlich alles vertreten gewesen sein, wobei eine gewisse Häufung in solchen Altersgruppen auffällig war, in denen Frauen sich üblicherweise als "junggeblieben" zu vermarkten beginnen und dies mit verzweifelten Stylingversuchen mehr oder weniger deutlicher Provenienz zu untermalen suchen. Auch hier hätte ein Soziologe wieder ein dankbares Beschäftigungsfeld vorgefunden.
Nach so vielen einleitenden Worten nun aber endlich zur Musik. The Art Of Voices sind bekanntlich eine Coverband, und zwar eine mit erlesenem Geschmack, die sich quer durchs Poprockige spielt, was die 70er und 80er zu bieten hatten - kleine Ausflüge sowohl zeitlicher als auch stilistischer Art inclusive. Meinereiner kam etwas zu spät und verpaßte daher den Opener "My Hometown" von Bruce "The Boss" Springsteen, bei dem mich durchaus interessiert hätte, wie die Band es zu schaffen versuchte, diesen doch eher besinnlich-nachdenklichen Song als Auftakt für ein Partyfeuerwerk umzumodeln. Diese Erkenntnis muß ich also bei anderweitiger Gelegenheit mal nachzuholen versuchen. Man hatte, um das Publikum und sich selbst nicht zu überfordern, das Programm (immerhin 35 Songs plus zwei Zugabetracks, was bei einer geschätzten Nettospielzeit von weit über drei Stunden rauskam) gevierteilt und jeweils ein paar Minuten Pause zwischendrin eingelegt, was der Gesamtstimmung aber erstaunlicherweise keinen Abbruch tat - sofort nach Erklingen der ersten Takte des neuen "Viertelsopeners" bevölkerten schon wieder etliche Pärchen (Singles waren vergleichsweise selten zu sehen) das Tanzareal.
Die aktuelle Besetzung bildete für mich Neuland (die Livescheibe ist ebenfalls noch in der alten aufgenommen worden), aber sie stellte sich schnell als sehr stark heraus. Vor allem Uli entpuppte sich als enorm wertvolle Verstärkung, spielt der Mann doch nicht nur Keyboards, sondern auch noch Geige. Und was er mit der in diversen Soloparts anstellte, war schlicht und einfach Spitzenklasse. Seine Fähigkeiten führten auch dazu, daß The Art Of Voices ihren Set um einen ganz besonderen Klassiker erweitern konnten: Citys "Am Fenster" ist zumindest hier im Osten eine absolut sichere Bank, und auch an diesem Abend erntete der Kulthit den allerstärksten Applaus des gesamten Programms. Auch Leadgitarrist Kayode mußte sich mit phantasievoller Soloarbeit nicht verstecken (das in "Stairway To Heaven" eingestreute getappte Solo ließ dem eher nicht zu den regelmäßigen Rock- oder Metalkonzertgängern zählenden Publikum reihenweise den Mund offenstehen), der gemeinsam mit dem bekannterweise sehr fähigen Trommler Torsten einen tighten Rhythmusteppich ausrollende Bassist Jan bleibe auch nicht unerwähnt, und daß Sänger/Akustikgitarrist Andy kein Schlechter seines Fachs ist, weiß der Bandkenner ja noch aus der alten Besetzung, wenngleich der Sangesbarde wie schon auf der Livescheibe an manchen Stellen mit den Originalvorlagen doch so seine Probleme hatte bzw. seine Neuinterpretationen nicht in jedem Fall ins Schwarze trafen. Besonders auffällig war dies in "Nothing Else Matters", dessen uneinheitliche, teils sehr derbe Strophenphrasierung mir überhaupt nicht gefiel und dem zerbrechlichen Charakter der daruntergelegten Musik ganz und gar nicht gerecht wurde. Aber solche Problemfälle blieben dankenswerterweise in der Minderzahl (daß da ein zweiter Robert Plant oder Jon Bon Jovi auf der Bühne steht, erwartet man ja nicht zwingend). Im ersten Viertel wußten besonders das schon lange im Set befindliche "Friends In Low Places" und das forsche "The Road To Hell" zu begeistern, das zweite Viertel hielt zumindest für den Geschmack des Rezensenten die höchste Kompatibilitätsrate bereit (mit Ausschlägen nach oben in einer bärenstarken Version von "Another Brick In The Wall" und einer genauso bärenstarken von "Beds Are Burning", welche die unlängst in den Charts eingeflogene Variante als die Luftnummer outete, die sie ist - abgesehen von dem erwähnten Sangesproblem war auch "Nothing Else Matters" klasse, und nur das irgendwie nicht auf den Punkt kommende "I Will Remember" fiel entscheidend ab), das dritte Viertel verblaßte (trotz beispielsweise einer starken Version vom Boss-Song "Dancing In The Dark", welche die auf der Live-CD verewigte Version in puncto Energie deutlich abhängte) völlig hinter dem bereits gelobten "Am Fenster", und das letzte Viertel setzte gleich mit "Stairway To Heaven" einen Leuchtturm, an den bis auf "Go Your Own Way" danach nichts mehr herankam. Natürlich ließ das Publikum die Band ohne Zugaben nicht gehen, und wie schon auf der Live-CD setzte man dabei auf eher kontemplative Tracks: "Landslide" fiel zunächst nicht weiter auf, aber danach zündete die Band die letzte Weihnachtsbaumkerze in Gestalt von "Bed Of Roses" an, beim Rezensenten damit mal wieder puren Eskapismus auslösend. Fein! Um den kompletten Set zu mögen, mußte man zwar entweder Die Hard-TAOV-Fan oder aber Musikperioden-Junkie sein (mit beidem kann der Rezensent nicht dienen), aber ein unterhaltsamer Weihnachtsabend (dessen weihnachtliche Bezüge sich übrigens nicht in der Tracklist wiederfanden - nur Uli jammte am Keyboard mal kurz "Kling, Glöckchen, klingeling" in einen Solopart ein) war das auf jeden Fall.

Setlist:
My Hometown
Boys Of Summer
The Thunder Rolls
Part Of You, Part Of Me
Friends In Low Places
Achy Breaky Heart
Standing Outside
The Road To Hell
Tears In Heaven
---------------------
Another Brick In The Wall
The Rising
Heavy Fuel
Beds Are Burning
Summer Of 69
I Can't Stop Loving You
Loosing My Religion
I Will Remember
Nothing Else Matters
---------------------
Childs Anthem
I've Got Mine
It's My Life
Dancing In The Dark
Whiskey In The Jar
Money For Nothing
Holyanna
Am Fenster
Heaven
---------------------
Stairway To Heaven
Human Touch
Calling Elvis
That's Freedom
Go Your Own Way
Afraid Of Love
Chain Reaction
Brilliant Disguise
---------------------
Landslide
Bed Of Roses



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