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Gothic Christ III mit Illuminandi, Patrik Thiele, Andy Lang & Friends   27.05.2004   Leipzig, Peterskirche
von rls

Strukturelle Probleme beim Gothic Christ: Aufgrund von Bauarbeiten im Jugendzentrum Rabet mußte man in die Peterskirche umziehen - das aber wuchs sich atmosphärisch eher zum Vorteil aus, welcher die erhöhten Fixkosten, welche sich auch in einer Eintrittspreiserhöhung niederschlugen, definitiv wettmachte. Nächstes Problem: Langsam gehen den Jungs & Mädels die Bands aus, die man auf dieser Veranstaltung spielen lassen könnte - falls nächstes Jahr noch die Schweizer Eluveitie antreten sollten (die auf'm WGT sowieso gut aufgehoben wären), ist das Ende der Fahnenstange schon fast erreicht. Schon dieses Jahr fehlte eine richtige Zugnummer, und somit hielt sich auch der Besuch in sehr überschaubaren Grenzen. Aber auch hier tat die Kirche wieder was Linderndes: In deren Akustik klingt das Klatschen einer einzelnen Person locker so, als ob im Rabet 10 Leute applaudieren.

Andy Lang & Friends
Das ultimative atmosphärische Erlebnis stand gleich am Anfang: Die übers Mikro abgenommene solistische Tin Whistle von Andy Langs Mitstreiterin Cordula ließ einen förmlich die Engel singen hören. Der fränkische Barde nahm aber bald das Zepter selbst in die Hand und bot eine Zeitreise zurück in Zeiten, als es noch keine Modeerscheinung darstelle, keltisch beeinflußt zu sein, sondern das speziell auf den britischen Inseln völlig normal erschien. Neben alten englischen (Volks-) Liedern wie "Scarborough Fair" oder "Greensleeves" (letztgenanntes vom Gründer der anglikanischen Kirche, Heinrich VIII., stammend) kamen auch Eigenkompositionen neueren Datums im Set vor, so "The Blessings According To St. Matthew", auf Christi Seligpreisungen aus dem Matthäusevangelium beruhend. Andy selbst übernahm die Leadvocals (leichte Schwächen in den ultratiefen Lagen einer ansonsten sehr flächigen und voluminösen Stimme nicht ganz überdecken könnend), streckenweise unterstützt noch durch Cordula (für sich betrachtet ebenfalls mit einer starken Stimme, aber nicht durchgängig mit der Andys harmonierend), die ansonsten neben der Tin Whistle auch noch genauso gekonnt die Querflöte bediente. Andys Erscheinung dagegen war von seiner Harfe geprägt, auf der er zumeist recht sanfte, aber eindringliche Begleitungen intonierte. Dritter im Bunde war Cellist Bartimäus (im Gegensatz zu seinem biblischen Vorbild des Sehens offenbar mächtig), der in zwei Songs auch an ein völlig apocryphes Instrument wechselte: ein Monochord, dessen tatsächlich noch einsaitigen Vorläufer schon der alte Pythagoras kannte, dessen vielsaitigere Nachfahren (das an diesem Abend gespielte soll 21 Saiten besessen haben) aber allgemein diesen Namen beibehielten, obwohl man streckenweise auch Polychord dazu sagt (was im Wortsinne natürlich richtiger wäre). Jedenfalls erzeugte Bartimäus mit dem Monopolychord (schöner Name :-)) einen eigenartig schwebenden Ton, der etwas an ein Spinett erinnerte, wenn man es durchgehend nur auf einem Intervall spielen würde. Und was ergab das Zusammenwirken dieses Trios nun? "Celtic Spirit & Songs" stand als Motto über dem (vom Publikum sehr gut aufgenommenen) Gig. Nuff said.
Patrik Thiele war, wenn ich mich recht erinnere, eigentlich als Lyriker angekündigt, aber der junge Mann las dann doch Prosa oder aber Lyrik ohne als solches äußerlich erkennbares Reimschema und Versmaß. Nun bin ich alles andere als ein großer Literaturfreund (sowohl was Lyrik als auch was Prosadichtung angeht), deshalb kann und will ich diesbezüglich weder mit Vergleichen um mich werfen noch eine detaillierte Wertung vornehmen. Ich diagnostizierte etliche gelungene sprachliche Bilder, Texte, in denen religiöse Thematiken nicht nur am Rande vorkamen, und das über weite Strecken schon gelungene Einbauen von Laut-Leise-Dynamics beim Lesen, zog mich dann aber doch in den hinteren Teil der Kirche zurück und gönnte meinem Organismus etwas Ruhe. Das Einbinden eines solchen Programmpunktes zeugt von Experimentierfreudigkeit seitens der Jesus Freaks Leipzig, und im Gegensatz zum letzten Jahr, als das Experiment der Pseudos von Dead Turns Alive scheiterte, darf dieser Versuch als durchaus gelungen angesehen werden. Patrik wurde jedenfalls immer noch lautstark beklatscht, als er nach seinem Bühnenabgang auf diese zurückkehrte, um eigentlich nur seinen Tisch wegzuräumen.

Illuminandi
Bedingt durch das Fehlen einer richtigen Zugnummer kamen Illuminandi (die außer diversen Demos noch nicht einmal einen offiziellen Tonträger auf dem Markt haben) bei ihrem wohl ersten Deutschlandgig etwas überraschend gleich zur Headlinerposition, aber die verdienten sie sich mit ihrer musikalischen Leistung auch. Die Polen intonierten sehr abwechslungsreichen Gothic Metal, und auch wenn soundbedingt (in einer neogotischen Hallenkirche eine Metalband sauber abzumischen gehört wohl zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt, die man einem Soundmann stellen kann - Jonas löste diese Aufgabe nichtsdestotrotz noch recht annehmbar) einige Details und vor allem Harmonien fehlten bzw. untergingen, so hinterließ die Band doch einen sehr guten Eindruck, bedingt durch verschiedene konzeptuelle Faktoren. Illuminandi verzichten auf Keyboards, haben statt dessen eine Violinistin und eine Cellistin an Bord - Antonina am letztgenannten Instrument konnte sich zwar nur in ruhigeren Passagen akustisch durchsetzen, aber Patrycjas Violine schnitt förmlich durch die Luft, evozierte erstklassige Leads und sorgte auch dafür, daß manche Passagen einen ganz leicht folkigen Anstrich bekamen. Singen kann die Violinistin übrigens auch noch, wie "Alleluja" unter Beweis stellte, dessen Refrain auch das Publikum nach einmaligem Hören hinbekam, ohne deshalb fließend polnisch zu sprechen. Die Lyrics wechselten zwischen Polnisch und Englisch hin und her (von diversen Songs gibt es beide Sprachvarianten), und Bandkopf/Gitarrist/Sänger Jan unterließ es auch nicht, zu jedem Song ausführliche Inhaltsangaben zu machen (was bei "40sta Dobra" auch nötig war, denn dieser Song befaßt sich mit religiösen Zweifeln und hat auch einen Refrain, in welchem jegliche Jenseitshoffnung als nichtig erklärt wird - ohne Ansage kann's da durchaus zu Mißinterpretationen kommen). Die Band überzeugte also auf ganzer Linie, erntete den intensivsten Applaus des Abends und intonierte folgerichtig noch zwei Zugaben, wobei man das sehr starke "Kielich" aka "The Rider" als endgültigen Rausschmeißer gleich noch ein zweites Mal spielte, "weil wir den Song so mögen" (O-Ton Jan). Danke, Jan & Illuminandi - wir im Publikum auch!

Danke an Marco Fuhrmann für die Fotos!



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