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Penance, Orodruin, Versus The Stillborn Minded, Fraktur   31.03.2004   Schmölln, Stak
von rls

"In Schmölln kannste auch die Stones rankarren, da kommt auch keiner." Ganz so schwarzseherisch wie einer der Besucher mußte man nun auch wieder nicht an die Sache rangehen, aber da es an der überregionalen Promo etwas gehapert haben mag und Konzerte unter der Woche in ostdeutschen Nichtballungsgebieten sowieso risikobehaftet sind, konnte man mit den etwa 80 Anwesenden fast noch zufrieden sein. Und ein Massenprogramm war Doom Metal noch nie, insofern bestand das Publikum zu 48% aus Freaks und zu 47% Hälfte aus Stammpublikum, das sowieso ins Stak kommt, egal wer da spielt. Die restlichen 5% ließen sich keiner der Kategorien eindeutig zuordnen (das ausgesprochen hübsche dunkelhaarige weibliche Wesen, welches sich anfangs in der Nähe des ovalen Tisches aufhielt, sich danach zur Bar begab, um dann während Versus The Stillborn Minded leider schon wieder zu verschwinden und nicht wiederzukehren, gehörte offenbar dazu).
Die aus der Schmöllner Region stammenden Fraktur waren wohl ungeplant noch mit ins Billing des Gigs gerutscht, der zu einer Tour gehörte, die rings ums Doom Shall Rise-Festival am ersten Aprilwochenende in BaWue gebucht worden war. Fraktur stiegen folglich mit ihrem doomigsten Song ein, wurden aber im Verlaufe des Sets immer schneller und paßten damit stilistisch nicht so richtig in die Umgebung. Kategorisieren konnte man sie auch nicht eindeutig, Nu Metal, Thrash, Death und etwas Doom sorgten für eine zwar nicht schlechte, aber auf den ersten Hör nur selten nachvollziehbare Mixtur. Der glatzköpfige Gitarrist verzichtete auf Soli und unterbrach sein Riffing nur selten mal für den einen oder anderen WahWah-Effekt. Merkwürdig distanziert wirkte besonders der Sänger, der in den Songpausen wie apathisch vor seinem Mikrofon stand, auf Ansagen nahezu komplett verzichtete (auch wenn Gitarrist oder Bassist das Instrument wechseln mußten und dadurch eine längere Pause entstand) und nicht mal den Namen der Band nannte (es dürfte etliche Menschen im Publikum gegeben haben, die die Truppe vorher nicht kannten). In seinem Gesang überzeugten besonders die eindringlichen cleanen Passagen, während das Gebrüll noch Steigerungsmöglichkeiten offenbarte. Letztgenannter Halbsatz darf auf den kompletten Fraktur-Gig ausgedehnt werden.
Die eigentlich angekündigten Well Of Souls mußten große Teile der Tour absagen, da sie immer noch keinen festen neuen Drummer haben und der Aushilfsschlagzeuger nur zu wenigen Terminen konnte. So sprangen Versus The Stillborn Minded ein, die schon während des Soundchecks klarmachten, was man von ihnen erwarten konnte: Die Gitarren klangen in etwa so wie eine Mischung aus einem Didgeridoo und mongolischem Untertonsingen, und der Baß setzte diesem noch eine Portion tiefes Knarren hinzu, wie man es in einem mit zahlreichen uralten Bäumen bestückten Wald bei Wind manchmal hören kann. Der Schlagzeuger schaffte es in manchen Passagen, das Tempo bis auf 12 bpm (wenn man in die Rechnung sowohl die Bassdrum als auch die Snare einbezieht) zu senken, die beiden kurzhaarigen Gitarristen und der Bassist sorgten für gewaltige Soundwälle, und der stilecht ein Cathedral-Shirt tragende Sänger setzte recht psychotisches Gebrüll obenauf (was mir persönlich nicht so zusagte - im Doombereich mag ich pathetische halbklare Gesänge Marke Messiah Marcolin oder aber Gegrunze wie auf den alten Anathema-Platten lieber). Versus The Stillborn Minded brachten trotz aller Langsamkeit das Kunststück fertig, das Tempo so weit zu variieren, daß das Auditorium am Einschlafen gehindert wurde, indem man einen der ultralangsamen Parts zwischendurch eben mal bis zum Midtempo beschleunigte. Ganz zum Schluß spielte sich die fünfköpfige Band gar noch in eine Art Rausch und rockte in bester Siebziger-Manier alles in Grund und Boden. Schwer verdauliche Kost, die dem Publikum da aus Nürnberg entgegenschlug (und manchen der Hörer vergraulte) - aber mit Charme. Würde ich gerne mal auf Konserve hören.
Dann kamen die Amis Orodruin, und - Sapperlot - auch die hatten kurzhaarige Gitarristen, von denen einer auf der Bandpage übrigens das gnadenlos intelligente Pseudo Prof. Mengele zur Schau stellt. Billige Schockeffekte Marke Slayer haben Orodruin eigentlich gar nicht nötig, denn ihre Musik fesselt vom ersten Ton an, sowohl auf Konserve als auch live. Stilistisch lagen sie irgendwo in der Nähe von Trouble oder auch Solitude Aeturnus, und Sänger/Bassist Mike nutzte seine Fähigkeiten im halbhohen Stimmfach solide aus, wenngleich bis zu sagen wir mal Rob Lowe doch noch ein Stück Weges zurückzulegen ist. Orodruin mischten Songs ihres 2003er Debüts "Epicurean Mass" mit Material des neuen Albums "Claw Tower" (wobei "neu" nicht so ganz stimmt, denn hier sind auch die alten Demos der Band aus den Endneunzigern erhalten, teilweise in Originalform, teilweise als neu eingespielte Songs), und auch ihr Beitrag zum Split-Vinyl mit The Reverend Bizarre (wie hieß er gleich noch?) erklang. Orodruin waren die erste Band des Abends, die gesteigerten Wert auf Leadgitarren legte, überzeugten mit doomiger Spielfreude und hatten sich den lauten Jubel des mächtigen Häufleins im Publikum redlich verdient. Daß ihr die Tour als Merchandiser mitfahrender Labelchef Mark Hegedus kurzerhand Merchandisestand Merchandisestand sein ließ und sich in der ersten Reihe tummelte, spricht eindeutig für ihn und die Band. Aus Zeitgründen blieb allerdings keine Gelegenheit für die geforderte Zugabe.
Penance können mittlerweile auf eine sehr bewegte Vergangenheit zurückblicken (sie existieren schon seit den Mittachtzigern, damals noch unter dem Namen Dream Death; nach dem noch nicht lange zurückliegenden Ausstieg von Gitarrist Terry Weston ist Drummer Mike Smail das einzige noch verbliebene Urmitglied) und straften in ihrem Set all diejenigen Reviewer Lügen, die auf den neueren Alben Stonerrock diagnostiziert haben wollen (oder sie spielten diese Songs kurzerhand nicht ...). Im Klartext: Das war reinrassiger Doom der alten Black Sabbath-Schule, im Gegensatz zu diesen aber mit zwei Gitarren intoniert und die sich dadurch ergebenden Möglichkeiten konsequent ausnutzend (die beiden Gitarristen Dave Roman und Matt Tuite - endlich doch mal Langhaarige auf dieser Position! - bauten gelegentlich sogar diese Solo-Dialoge ein, wie sie beispielsweise auch Ritchie Blackmore und Jon Lord bei Deep Purple führten, dort allerdings zwischen Gitarre und Keyboards). Das durchschnittlich sehr langsame "The Unseen" war mein Favorit des Sets, der aus einer bunten Mischung der Schaffensperioden der Amerikaner bestand (das zweitälteste Bandmitglied, Sänger Brian Balich, ist immerhin erst seit ungefähr 1998 an Bord), erstklassig vokalisiert (da fehlte bei Brian nur noch wenig zu Rob Lowes Level!) und vom Publikum zu Recht bejubelt. Auch Penance (die mit Mary Bielich übrigens eine Frau am Baß stehen haben) spielten angesichts der vorangeschrittenen Stunde keine Zugabe mehr, was schade war. Trotzdem bildeten sie das Sahnehäubchen auf einem Gig, der über weite Strecken dieses ganz besondere Etwas besaß und der einen reichlicheren Besuch also zweifellos verdient gehabt hätte.



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