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Lortzing-Wettbewerb 2004 (Endrunde)   05.02.2004   Leipzig, Hochschule für Musik und Theater
von rls

Der Leipziger Lortzing-Wettbewerb wurde anno 2001 vom ortsansässigen Lions Club ins Leben gerufen, um hoffnungsvolle Nachwuchstalente des Gesangsfaches, die an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" studieren, zu fördern. Anno 2004 startete der Wettbewerb in seine dritte Auflage. 15 BewerberInnen traten am 4. Februar zum Vorausscheid an (hier war u.a. auch Material vom kompositorischen Namensgeber Albert Lortzing zu singen), und die vier Punktbesten dieser Vorrunde zogen ins Finale ein. Die Jury bestand aus honorigen Persönlichkeiten des Leipziger Musiklebens: Gunther Berger leitet den MDR-Kinderchor, Georg Christoph Biller ist Thomaskantor, Gunhild Brandt vertrat als Prorektorin die Hochschulfarben, Henri Maier wirkt als Opernintendant in Leipzig und Andreas Schulz auf der anderen Seite des Augustusplatzes als Gewandhausdirektor.
Im Finale stand vor den vier Qualifizierten die Aufgabe, je ein Stück von Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart zu interpretieren, unterstützt jeweils durch eine Klavierbegleitung. Den Anfang machte Sopranistin Pei-Ying Lee mit einer prinzipiell sehr guten Leistung sowohl in "Ich folge dir gleichfalls" aus der "Johannespassion" als auch in "Batti, Batti" aus "Don Giovanni". Aber sie hatte nicht ihren allerbesten Tag erwischt - zwei Sprungpassagen im Schlußdrittel von "Batti, Batti" wackelten etwas, und man vermißte auch etwas ihre fast spielerisch anmutende Lockerheit, die erst unlängst ihr "Freischütz"-Ännchen zu einem absoluten Erlebnis gemacht hatte. Ein sehr hohes Niveau unterschritt sie natürlich nicht, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, da wäre noch mehr drin gewesen.
Mit Julia Kirchner kam die erste Mezzosopranistin auf die Bühne. Die Wahl von "Erbarme dich" aus der "Matthäuspassion" erwies sich als wohlüberlegt: Die Passagen, die richtig klasse gelangen, waren die leidenden, verzweifelten, wohingegen einige der schnellen Läufe besonders in "Non só più cosa son" aus "Die Hochzeit des Figaro" (eigentlich eine "Hosenrolle") etwas zu sehr zu Stückwerk gerieten und auch die appellierenden Passagen mitunter zuviel Pathos, auch zu abgehackte Übergänge in andere Stilistika beinhalteten. Dröhnende Lautstärke allein ist noch nicht der Weisheit letzter Schluß. Insgesamt eine ausbaufähige Leistung.
Im gleichen Stimmspektrum war Inga Lampert zu Hause. Deren "Laudamus te" aus der "h-Moll-Messe" erweckte anfangs den Eindruck, als sei man nicht bei einem Gesangs-, sondern bei einem Klavierwettbewerb (Su-Min Choi war denn auch die erste der Pianistinnen, die eine Wenderin brauchte). Generell entpuppte sich Ingas Stimme als weicher, runder als die ihrer Vorgängerin, was die erwähnten Übergangsprobleme fast von vornherein ausschloß. Zudem hatte sie die wohl effektvollsten Stücke des Abends am Start (neben "Laudamus te", das, als es dann doch endlich mal Gesang gibt, gleich mit einem alles andere als einfachen Lauf startet, also keine Möglichkeit des "unauffälligen Warmsingens" beinhaltet, stand noch "Smanie implacabili" aus "Cosi fan tutte" im Set); speziell das Mozart-Stück lebt im Prinzip nur von virtuosen Einfällen und weniger von der Grundsubstanz. In einer Pausengeflüsterrunde war hinterher zu hören, Inga sei der einzige Finalist gewesen, der über Ausstrahlung verfügt habe. Falsch: Bühnenpräsenz und Bewegung ja - aber das ist keineswegs automatisch mit Ausstrahlung gleichzusetzen. Der sehr guten technischen Leistung tat so etwas aber keinen Abbruch. Nicht wenige werden hiernach schon vermutet haben, die Siegerin gesehen zu haben.
Aber da war noch Daniel Blumenschein vor. Der Bariton ist der einzige der Finalisten, der sich bereits im Aufbaustudium befindet; zudem hatte er mit Christiane Neumann die optisch attraktivste Pianistin am Start. Auch diese benötigte eine Wenderin, speziell für "Mache dich, mein Herze, rein" aus der "Matthäuspassion". Das Stück (Rezitativ und Arie gekoppelt) ist für einen Wettbewerb eigentlich viel zu lang, aber natürlich bietet es dem Sänger die Möglichkeit einer vielseitigen Präsentation. Und die nutzte der kleine Mann mit der großen Stimme konsequent aus. Er wirkte auch in "Tutto è disposto ..." aus "Die Hochzeit des Figaro" gefaßter und sicherer als unlängst im "Freischütz", und er sang ohne Fehl und Tadel. Neben Pei-Ying Lee war er auch der einzige, bei dem der Applaus nach dem Wiedererscheinen auf der Bühne nochmal bis zur Bühnentür reichte. Bewegung auf der Bühne brauchte es bei ihm nicht - er war ganz einfach da, das genügte. Der Jury, die nach einer Beratungspause ihr Urteil verkündete, genügte das allein natürlich nicht, aber aus seinem ganzen Auftritt kamen genug Punkte zusammen, die ihn einstimmig zum Sieger kürten (die anderen Plätze werden bei diesem Wettbewerb grundsätzlich nicht vergeben) und erneut einen weiblichen Sieg verhinderten. Die beiden Preisträger der ersten Wettbewerbe waren nämlich auch schon Herren. Ein verdienter Sieger, ohne Zweifel, und seine abschließende Lortzing-Zugabe brachte ob des pseudopathetischen Textes das komplette Auditorium zum Schmunzeln.



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