www.Crossover-agm.de
Cox-o-t-Estate    19.04.2002    Dresden, Gorbitzer Kapelle
von rls

Die livehaftige Begutachtung dieser Formation hatte mir der Gorbitzer Kirchenmusiker Reinhard John nachdrücklich empfohlen, und in der Nachbetrachtung stellte sich sein Rat als weise heraus. Irgendwie paßte der Veranstaltungsort auch perfekt zur Band: Auf den ersten Blick etwas sperrig (die Band) bzw. unnahbar (der klotzartige, offenbar gründerzeitliche, beengte und von alten Bäumen umstandene Bau der Gorbitzer Kapelle, dessen zur Uthmannstraße gewandte Rückseite mich etwas an die der Loschwitzer Kapelle erinnerte) wirkend, offenbarte sich beim genaueren Begutachten ein liebenswürdiger Kern in der melodischen Gestaltung (die Band) bzw. im fast kubischen gemütlichen Kirchenraum. Hatte ich mich unterwegs extra beeilt, stellte sich wieder mal heraus, daß das alte Klischee, Rockkonzerte müßten stets verspätet beginnen, auch hier zutraf, und bis zum Beginn wurde man noch mit abwechslungsreichen Retortenklängen zwischen "The Final Countdown", Bad Religion (!) und irgendwelchen Rhythm & Blues-Liveaufnahmen, die mindestens 50 Jahre in einem feuchten Keller gelegen haben müssen, unterhalten. Letztlich waren ca. 60 Leute anwesend, und diese bekamen einen genausoviele Minuten dauernden Gig von Cox-o-t-Estate vorgesetzt. War ich mir nach den ersten beiden Songs "Band On The Wall" und "In My Rockery" noch sicher, hier Dresdens Antwort auf Morning Before vor mir zu haben, verwässerte dieses Bild im Verlaufe der weiteren 10 Tracks zunehmend. Phasenweise gebärdeten sich Cox-o-t-Estate genauso kryptisch und sperrig, wie ihre Bandnamenwahl schon suggeriert (was auch immer der Name zu bedeuten hat), andererseits hatten sie aber auch eingängige Refrains gebunkert und blieben stilistisch auch nicht im puren Indierock stecken, sondern holten auch mal einen kurzen Hardcoreknüppel aus dem Sack oder verfielen in leise, balladeske Töne. Die fünf Bandmitglieder fielen größtenteils durch beherztes Engagement auf, lediglich die Keyboarderin und zweite Sängerin wirkte irgendwie etwas verloren, und man frage mich nicht, wozu sie ihren linken Arm überhaupt brauchte - jedenfalls nicht zum Keyboardspielen. Auch ihre Gesangsparts ließen mitunter melodische Treffsicherheit vermissen. Dafür riß ihre Kollegin am Hauptmikro aber die Kastanien aus dem Feuer, einesteils mit einer erstklassigen Gesangsleistung kreuz und quer durch alle Lagen, zweitens mit einem ans Wahnsinnige grenzenden Bewegungsdrang (das gipfelte dann schon mal darin, daß sie sich während eines langen instrumentalen Intros quer durch den Altarraum wälzte) und drittens mit einer an Schizophrenie grenzenden Diskrepanz zwischen diesem furienhaften Benehmen und den fast schüchtern ins Mikro gehauchten Ansagen. Diese nebenbei auch noch gutaussehende Frau ist definitiv der Haupttrumpf von Cox-o-t-Estate - ein weiterer hört auf den Namen "No-One Cares" und stellt so eine Art Mini-Hit der Combo dar, der, wäre er von den Guano Apes, längst millionenfach in deutschen Haushalten stände. Was für ein losmarschierender Refrain (im Kontrast zur zurückhaltenderen Strophe)! Einige Anwesende schienen den Track zu kennen und begannen mit mehr oder weniger intensiven Tanzbemühungen, und auch ansonsten stießen Cox-o-t-Estate auf eine positive Resonanz beim Publikum. Dafür, daß ich mich nun gerade auf die Empore verzogen hatte, wo es dem Sound etwas an Höhen mangelte, kann die Band ja nichts. Nur warum der Fünfer aus Prinzip keine Zugaben gibt, versteh' ich nicht so ganz. Aber egal: Diese junge Band agierte mit professionellem Anspruch, und sie müßte im Prinzip nur von einer fähigen Plattenfirma entdeckt werden, um diverse Schritte nach oben klettern zu können. Ich wünsche es den drei Dresdnern und zwei Dresdnerinnen auf jeden Fall.
 






www.Crossover-agm.de
© by CrossOver