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IconClan, Acid     03.08.2001     Chemnitz, ZV-Bunker
von rls

Was erwartet einen in einer Lokalität namens ZV-Bunker? Ungefähr das, was man sich als kundiger DDR-Bürger schon drunter vorgestellt hat: einen ehemaligen Luftschutzraum aus wahlweise Drittreich- oder aber Antifaschistischerschutzwall-Zeiten, mitten in einem Wohngebiet gelegen, aber aufgrund seiner früheren Funktion schalldicht genug, um eine Belästigung der Anwohner weitestgehend zu vermeiden. Quasi ein idealer Ort für undergroundorientierte Gigs also, zudem mit einer gemütlichen Kapazität von vielleicht 200 Nasen und strukturell bedeutend übersichtlicher als die (allerdings auch Jahrhunderte ältere und ursprünglich anderen Zwecken dienende) Moritzbastei zu Leipzig. Knapp 100 Menschen bevölkerten den tonnenartigen Hauptraum letzten Endes ganz ordentlich.
Wer sich auf die eigentlich angekündigte Vorband Heart Attack In Manhattan gefreut hatte, wurde enttäuscht, denn die konnten aufgrund einer Verletzung des Drummers nicht antreten (die Anzahl der extra wegen dieser Combo Angereisten dürfte allerdings im Minimalbereich gelegen haben). Statt dessen kamen Acid zu ihrem erst vierten Auftritt überhaupt. Die Truppe, einen schon mehrfach verwendeten Namen mit sich herumschleppend, könnte sich einen Sticker "featuring ex-members of Pious Chaotz" aufs Tonträgercover pappen lassen, womit die grobe musikalische Marschrichtung festgelegt wäre. Hatten es die Chaotz allerdings seinerzeit für meinen Geschmack mitunter ein wenig mit der Stilvielfalt übertrieben, so verfielen Acid ins andere Extrem - ihr New School Core war bisweilen etwas arg monoton ausgefallen, und einige Riffs wirkten einfach zu lange ausgespielt, einige Parts zu oft wiederholt. Zu letztgenannten gehörte indes eindeutig nicht der fette Doompart im Opener, denn zu dem hätte man bei Gefallen ausgiebigst headbangen können. Hier ließen Crowbar und Konsorten deutlich grüßen. Ansonsten bewegte man sich hauptsächlich in Midtempogefilden (dieser Satz darf doppelsinnig verstanden werden - musikalisch wie bühnenaktionstechnisch), wobei ein, zwei schnellere Reißer den insgesamt solide intonierten Set noch sinnvoll aufgelockert hätten. Ein wenig Übungsbedarf offenbarte die Sangesfraktion - vor allem der bisweilen eingestreute Cleangesang wirkte noch etwas unsicher, die Sangesparts des Gitarristen könnten auch noch etwas abwechslungsreicher werden. Der Leadsänger dagegen wußte mit seinem Gebrüll durchaus schon zu überzeugen, auch wenn er zwischenzeitlich mit leichter Heiserkeit zu kämpfen hatte. Die war wundersamerweise nach Song 5, einer interessant aufgebauten Halbballade, die trotz leichter Brainfag-Schlagseite ("Rulers" meets "Niemand") das Highlight des Sets markierte, abrupt verschwunden. Das Auditorium bedachte den durch einen klaren Sound bestechenden Acht-Song-Auftritt samt Message des Quartetts mit wohlwollendem Applaus. Wenn Acid in nächster Zeit konsequent an der Ausbügelung ihrer kleinen Schwachstellen arbeiten, können sie sich zu einer wichtigen Kraft in der heftigeren christlichen Szene Sachsens entwickeln.
Zwei Drittel von IconClan stehen auch bei Deuteronomium in Lohn und Brot, und wenn der Entwicklungssprung von der zweiten Deuteronomium-CD zur irgendwann in der Zukunft erscheinenden dritten genauso groß ausfällt wie der von der ersten (ein Black-Death-Thrash-Metal-Gemisch) zur zweiten (fetter Death'n'Roll), dann würde es mich nicht wundern, wenn besagte dritte Deuteronomium-CD dem IconClan-Debüt ähneln würde. Die drei Finnen enterten kurz vor Mitternacht die Bühne und konzentrierten sich erwartungsgemäß auf das Material besagter Debüt-CD, das nichtsdestotrotz im Auditorium so gut wie niemand kannte. Deathmetallische Komponenten waren im Prinzip nicht mehr auszumachen, allenfalls der Gesang von Gitarrist Mick The Rock kam etwas kratziger rüber als der vieler Kollegen der New Wave Of Scandinavian Dirty Rock'n'Roll. Damit war eine passende Schublade für das Trio aus dem hohen Norden, das wenige Tage vorher bereits auf dem Freakstock gespielt hatte, gefunden. Mittlere und höhere Tempi unterlagen einer geschickten Durchmischung, und Drumzwerg Skinny Dee spielte sich mit einer druckvollen Darbietung in den Vordergrund - leider nicht nur damit, sondern auch im Sound, der besonders gegen Setmitte immer drumlastiger und zudem lauter wurde, so daß stellenweise kein Gitarrenton mehr zu hören war, was sich später aber wieder legte. Neben eigenangebauten Granatäpfeln wie "Enemies Are Not Closest Friends" oder dem Titelsong "Drive-In Religion", der die nicht nur in den USA weit verbreitete religiös-spirituelle Oberflächlichkeit geißelte, ließen sich IconClan auch noch zu ein paar Coverversionen hinreißen. "Pet Cemetary" von den Ramones paßte bestens ins musikalische Bild, bei einem Cover von One Bad Pig schied sich die christliche von der nichtchristlichen Fraktion im Publikum (keiner aus letztgenannter dürfte die Band gekannt haben), "Hier kommt Alex" von Den Toten Hosen wurde mit einer gehörigen Portion Rauheit versehen und, soweit ich das mitbekommen habe, komplett in deutsch gesungen, und schließlich betrat noch der Fahrer der Band die Bühne und intonierte am Frontmikro (barbarische Rückkopplungen hervorrufend) irgendeinen finnischen Punkrocksong, was das zwischen Zurückhaltung und ordentlichem Mitgehen hin und her pendelnde Publikum belustigt zur Kenntnis nahm. Unterm Strich ein knapp einstündiger frischer Auftritt der Söhne Suomis, denen durchaus zuzutrauen ist, im Konzert der Hellacopters, Backyard Babies und Gluecifers dieser Welt eine gewichtige Stimme besetzen zu können, wenn sie es denn schaffen, sich auch außerhalb der christlichen Szene zu etablieren.
 






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